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ASIEN/827: Indien - Interessen in Südostasien, Neu-Delhi nimmt Kurs auf Südchinesisches Meer (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 7. Februar 2013

Indien: Interessen in Südostasien - Neu-Delhi nimmt Kurs auf Südchinesisches Meer

von Richard Heydarian



Manila, Philippinen, 7. Februar (IPS) - Während der Territorialstreit im Südchinesischen Meer auf eine neue Phase der Konfrontation zusteuert, gibt es Anzeichen dafür, dass Indien zunehmend in regionalen Fragen mitmischt. Die Regierung in Neu-Delhi treibt nicht nur die Sorge über den Ausbau der chinesischen Marine um. Sie verfolgt auch eigene strategische und wirtschaftliche Interessen im südostasiatischen Raum. Einen offenen Konflikt mit dem wichtigen Handelspartner Peking will Indien aber offenbar nicht riskieren. Offiziell schlägt die Regierung daher eher moderate Töne an.

Seit vielen Jahren ist das staatliche indische Unternehmen 'Natural Gas Corp.' (ONGC) an Joint Ventures mit den vietnamesischen Firmen TNK und 'Petro Vietnam' beteiligt. In den umstrittenen Meeresgebieten, auf die China Anspruch erhebt, erkunden die Partner die Möglichkeiten einer Offshore-Förderung.

Indien hat außerdem seine strategischen Verbindungen zu den boomenden Volkswirtschaften innerhalb des Verbands Südostasiatischer Staaten (ASEAN) weiterentwickelt. Durch den bilateralen Handel hofft der Subkontinent in den kommenden zehn Jahren auf Einnahmen von rund 200 Milliarden US-Dollar. Als ein wichtiger ASEAN-Verhandlungspartner hat Indien mehrfach seine Entschlossenheit bekräftigt, angesichts wachsender Bedrohungen die freie Schifffahrt im Südchinesischen Meer zu schützen.

Während des kürzlich zu Ende gegangenen ASEAN-Indien-Gipfels in Neu-Delhi haben mehrere südostasiatische Länder angesichts des provokanten Vorgehens Chinas eine stärkere Einbindung Indiens in den Staatenbund gefordert, um die regionale Stabilität zu sichern und China in seine Schranken zu verweisen. "Während sich das Zentrum der globalen Wirtschaft gen Osten verlagert, werden der Indische und der Pazifische Ozean immer wichtiger, wenn es darum geht, die für den Handel unverzichtbaren Seerouten zu garantieren", sagte der indonesische Staatspräsident Susilo Bambang Yudhoyono auf dem Treffen Ende Dezember.


Interventionen der chinesischen Marine

Indien und die ASEAN-Staaten erscheinen gleichermaßen besorgt über das aggressive Vorpreschen Pekings und über den Ausbau der chinesischen Seeflotte. Dass Indien einen neuen Standpunkt in den Territorialstreitigkeiten einnimmt, lässt sich vor allem auf einen Vorfall zurückführen: 2012 bedrängten paramilitärische chinesische Schiffe das vietnamesische Erdbebenkontrollboot 'Binh Minh 02' in einem an Erdölvorkommen reichen Seegebiet, in dem auch die indische ONGC tätig ist.

"Wir haben nicht vor, uns häufig in diesen Gewässern aufzuhalten. Doch sollte es wie im Fall ONGC um die Interessen unseres Landes gehen, werden wir uns dorthin begeben. Auf solche Situationen werden wir vorbereitet sein", sagte daraufhin der Oberbefehlshaber der indischen Marine, Admiral D.K. Joshi. Zudem warnte er China vor den Folgen weiterer Provokationen.

Die Äußerungen Joshis erfolgten in etwa zeitgleich zu der Aufnahme neuer Verhandlungen zwischen Indien und China über die Beilegung lang andauernder Grenzstreitigkeiten, die 1962 bereits einen Krieg ausgelöst hatten und immer wieder für angespannte Beziehungen sorgen.

In den letzten Jahren hat sich der Ton zwischen China und einigen südostasiatischen Staaten im Zusammenhang mit den maritimen Territorialstreitigkeiten verschärft. China, das weiterhin bilaterale Einigungsmechanismen bevorzugt, ist mit seinen umfassenden Gebietsansprüchen in scharfen Gegensatz zu Ländern wie den Philippinen und Vietnam geraten.

Im vergangenen Jahr kam es zu einer weiteren Verschlechterung der Sicherheitslage in der Region, als sich die ASEAN nicht in der Lage sah, einen verbindlichen regionalen Verhaltenskodex einzuführen, mit dessen Hilfe maritime Territorialstreitigkeiten beigelegt werden können.

Das provokante Verhalten der neuen chinesischen Führung hat die regionalen Spannungen weiter angeheizt. Erst kürzlich gaben die Behörden von Hainan bekannt, ausländische Schiffe abzufangen, die sich in den von China beanspruchten Zonen aufhielten. Auf der neuen offiziellen Landkarte Chinas sind Territorien eingezeichnet, die sich innerhalb der Exklusiven Wirtschaftszone (EEZ) von Vietnam befinden.


Maritimes Wettrüsten Chinas und Indiens

Auch die Rivalität zwischen China und Indien ist ein Problem. Die indische Marine hat sich von jeher darauf konzentriert, Patrouillen durchzuführen, um die Interessen des Landes in den Gewässern zwischen der Straße von Hormus im Persischen Golf und dem Indischen Ozean mit der Meerenge von Malakka zu wahren. Chinas rasanter Aufstieg zur regionalen Seemacht hat den Widersacher Indien zu einer Modernisierung seiner Flotte veranlasst.

Zwischen 2000 und 2012 wurde der Anteil der indischen Militärausgaben für die Marine von 15 auf 19 Prozent erhöht. Mit regionalen Verbündeten wie dem US-Pazifik-Kommando wurden verstärkt gemeinsame Manöver durchgeführt. Eine Flotte neuer Flugzeugträger, moderne französische U-Boote, in Indien entwickelte Atom-U-Boote und eine hochentwickelte Luftwaffe sollen den indischen Streitkräften in Zukunft mehr Profil verleihen.

Auch die Philippinen und Vietnam sind sehr daran interessiert, mit Hilfe Indiens China auf Distanz zu halten. "Ich hoffe, dass Indien ASEAN und China bei der Umsetzung der Erklärung zum Verhalten der Vertragsstaaten im Südchinesischen Meer und des Sechs-Punkte-Plans von ASEAN zum Südchinesischen Meer unterstützen wird", sagte der vietnamesische Regierungschef Nguyen Tan Dung während des ASEAN-Indien-Gipfels.

Aus der Abschlusserklärung des Gipfels geht unmissverständlich hervor, dass die Sicherheit auf den Meeren Priorität haben müsse: "Wir (ASEAN und Indien) verpflichten uns dazu, die Zusammenarbeit zu stärken, um die Sicherheit auf den Meeren, die freie Schifffahrt und die Sicherheit der Seerouten für einen uneingeschränkten Handel zu garantieren, in Übereinstimmung mit internationalem Recht wie dem UN-Seerechtsabkommen UNCLOS."

Da sich Indien gegenüber China nichtsdestotrotz in einer heiklen Lage befindet, schlägt die Regierung in Neu-Delhi offiziell eher moderate Töne an. Denn das Land hat sich bisher bei territorialen Konflikten und in der Tibet-Frage stets auf die Seite der Volksrepublik gestellt.


Neu-Delhi in der Zwickmühle

Indien ist nicht direkt in die Streitigkeiten im Südchinesischen Meer verwickelt, und sein strategisches Interesse konzentriert sich weiterhin vor allem auf den Indischen Ozean. Der bilaterale Handel hat einen Wert von rund 70 Milliarden Dollar. Dies lässt darauf schließen, dass Indien vermutlich kein großes Interesse daran hat, sich an der Seite von ASEAN auf offenen Konfrontationskurs zu Peking zu begeben.

"Es gibt grundlegende Probleme (im Südchinesischen Meer), die keine Intervention Indiens erfordern", sagte der indische Außenminister Salman Kurshid auf dem Gipfel. "Die Streitigkeiten müssen von den betreffenden Ländern beigelegt werden." (Ende/IPS/ck/2013)


Links:

http://www.aseanindia.com/summit-2012
http://www.un.org/Depts/los/convention_agreements/texts/unclos/closindx.htm
http://www.ipsnews.net/2013/02/india-sails-into-troubled-south-china-sea/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 7. Februar 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Februar 2013