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ASIEN/882: Philippinen - Hoffen auf Frieden nach 40 Jahren Bürgerkrieg (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 11. Februar 2014

Philippinen: Hoffen auf Frieden nach 40 Jahren Bürgerkrieg - Land vor steinigem Weg

von Richard Heydarian



Manila, 11. Februar (IPS) - Nach zwei Jahren intensiver Verhandlungen haben die Regierung der Philippinen und die größte Rebellengruppe Moro-Islamische Befreiungsfront (MILF) ein Friedensabkommen unterzeichnet, das den Weg für eine dauerhafte Beilegung eines der ältesten innerstaatlichen Konflikte der Welt bereitet. Politische Beobachter befürchten jedoch, dass der Vertrag nicht ohne weiteres umsetzbar ist.

Die Einigung vom 25. Januar legt unter anderem die Entwaffnung und die mögliche Wiedereingliederung von etwa 12.000 MILF-Kämpfern in die philippinischen Sicherheitskräfte fest. Damit könnte ein wesentlicher Grund für die Bedrohung der territorialen Integrität des südostasiatischen Staates beseitigt sein. Der seit vier Jahrzehnten andauernde Konflikt auf der südlich gelegenen Insel Mindanao kostete bislang etwa 150.000 Menschen das Leben. Die meisten Opfer waren Zivilisten.

Die Regierung sicherte im Gegenzug ihre Unterstützung für die Gründung einer 'Bangsamoro'-Autonomiebehörde in der vorwiegend von Muslimen bewohnten Region Mindanao zu. Das Parlament wird voraussichtlich in diesem Jahr ein entsprechendes Gesetz verabschieden.

"Es war schwierig, bis hierhin zu kommen. Wir wissen, dass der weitere Weg voller Herausforderungen sein wird", erklärte Teresita Deles, die Präsident Benigno Aquino III. bei den Friedensgesprächen beraten hatte. "In einer Welt, die nach Lösungen für Probleme sucht, sind wir dankbar, dass wir einen Ausweg gefunden haben."


Mehr Autonomie für muslimische Minderheit

Die Regierung hofft, dass Bangsamoro noch vor dem Ende ihrer Amtszeit 2016 geschaffen werden kann. Die muslimische Bevölkerungsminderheit würde damit endlich die Chance auf ein signifikantes sozio-kulturelles und politisches Autonomieinstrument bekommen. Bangsamoro könnte beträchtlichen Einfluss auf die Verwaltung der natürlichen und finanziellen Ressourcen des Landes nehmen.

Staats- und Regierungschefs aus aller Welt begrüßten die Übereinkunft. Sie hoffen, dass eine stabilere Region Mindanao dazu beitragen wird, den islamischen Fundamentalismus und extremistische Ideologien in Südostasien zurückzuhalten. US-Außenminister John Kerry gratulierte der Aquino-Regierung zu "abschließenden Verhandlungen für ein historisches, umfassendes Friedensabkommen". Er äußerte sich anerkennend zu dem Versprechen von "Frieden, Sicherheit und wirtschaftlichem Wohlstand jetzt und für kommende Generationen in Mindanao".

Washington lobte außerdem Malaysia und die Internationale Kontaktgruppe, der Konfliktexperten aus aller Welt angehören, für ihre ausschlaggebende Rolle bei der Aushandlung des Abkommens in der malaysischen Hauptstadt Kuala Lumpur. Internationale Investoren interessieren sich nun für die wirtschaftlichen Implikationen der Einigung.

Mindanao bietet Schätzungen zufolge bisher ungenutzte Rohstoffe im Wert von rund 300 Milliarden US-Dollar. Angesichts zunehmender Regulierungsunsicherheiten in anderen Bergbauländern wie Indonesien, wächst das Interesse der Investoren an anderen rohstoff- und mineralienreichen Regionen wie Mindanao.

Die Philippinen zählen mit jährlichen Wirtschaftswachstumsraten von sechs bis sieben Prozent schon jetzt zu den vielversprechenden Volkswirtschaften Asiens. Die Aquino-Regierung versucht die lange vernachlässigten Gebiete Mindanaos in den wirtschaftlichen Aufschwung des Landes einzubinden. In den muslimisch besiedelten Teilen der Insel hat die Armut in den vergangenen Jahren weiter zugenommen.

Angesichts der Rückständigkeit der Infrastruktur in Mindanao könnte der Wiederaufbau nach dem Bürgerkrieg dem Staat hohe Kosten und Investitionen aufbürden. Durch ihre günstige geografische Lage und die fruchtbaren Böden gilt die Insel aber auch als potenziell starke Agrarregion. Das wirtschaftliche Erstarken von Mindanao könnte das Wachstum des philippinischen Bruttoinlandsprodukts um weitere 0,3 Prozentpunkte erhöhen, wie der Ökonom Jeff Ng erklärte.

Die Philippinen stehen gleichwohl vor großen politischen Herausforderungen. Splittergruppen wie die islamischen Freiheitskämpfer von Bangsamoro (BIFF) stellen sich gegen das Friedensabkommen und wollen ihren Kampf gegen die Regierung fortsetzen. Unmittelbar nach Unterzeichnung des Vertrags haben die philippinischen Streitkräfte mit einer Offensive gegen die BIFF begonnen, um jeglichen Widerstand gegen die neue Bangsamoro-Behörde auszumerzen.

Im vergangenen Jahr hatten mehrere Rebellengruppen, darunter Mitglieder der mit MILF verbundenen Organisation Nationale Moro-Befreiungsfront (MNLF), versucht, die Friedensgespräche durch die Belagerung der Stadt Zamboanga zu hintertreiben. Dies führte zu einer schweren humanitären Krise und wochenlangen militärischen Auseinandersetzungen.


Exklusion irritiert die übrigen Rebellengruppen

Die anderen Rebellengruppen zeigten sich hauptsächlich darüber besorgt, dass sie von den Friedensverhandlungen ausgeschlossen waren. Vor allem aber misstrauten sie der Regierung. In der Vergangenheit hatten die Regierung und die MNLF bereits 1996 ein Friedensabkommen geschlossen, das die Einrichtung der Autonomen Region im Muslimischen Mindanao (ARMM) ermöglichte.

Letztlich haben sich die anfänglichen Hoffnungen jedoch nicht erfüllt. Die MNLF hatte Mühe, die Kontrolle über die am schwächsten entwickelten Gebiete der Philippinen auszuüben. Die folgenden Regierungen taten nur wenig, um die Umsetzung früherer Friedenseinigungen zu forcieren.

Die Regierung von Joseph Estrada (1998 bis 2001) begann mit einem Krieg gegen weitere Rebellenbewegungen. "Manchmal muss man einen Krieg führen, um sich einen Frieden zu verdienen", meinte Estrada. "Man muss ihnen zeigen, dass es nur eine Flagge, eine Armee und eine Regierung geben kann."

Dass frühere Friedenseinigungen "nicht im Stande waren, Wiederaufbaumechanismen zu schaffen", führen Experten wie Deles auf das Fehlen glaubwürdiger Zusagen für eine Wiedereingliederung der Rebellen und eine Sanierung der von dem Konflikt geschädigten Gebiete zurück.

Allerdings ist die Bevölkerung in Sorge, ob die nächste Regierung die Führung von Bangsamoro unterstützen wird. Darüber hinaus bemängeln zivilgesellschaftliche Organisationen, dass die indigenen Gemeinden nicht an den Planungen für das neue autonome Gebiet beteiligt wurden. Ob der Friedensprozess gelingt, wird in entscheidendem Maße von den nachhaltigen Zugeständnissen kommender Regierungen abhängen. (Ende/IPS/ck/2014)


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http://www.ipsnews.net/2014/02/philippines-makes-tentative-truce-islamists/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Februar 2014