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ASIEN/930: Sri Lanka - Neuer Staatspräsident vereidigt, Hoffnung auf nationale Versöhnung (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 12. Januar 2015

Sri Lanka:
Neuer Staatspräsident vereidigt - Hoffnung auf nationale Versöhnung

Von Kanya D'Almeida


Bild: © Amantha Perera/IPS

Der neue Präsident von Sri Lanka verdankt seinen Sieg vor allem den enttäuschten Hoffnungen der Tamilen in der Nordprovinz
Bild: © Amantha Perera/IPS

Colombo, 12. Januar (IPS) - In Sri Lanka ist der neue Staatspräsident Maithripala Sirisena am 9. Januar vereidigt worden. Der Regierungswechsel, den vor allem die Minderheiten der Tamilen und Muslime herbeigeführt haben, bietet nach Ansicht von Beobachtern erstmals eine reelle Chance, das Land zu demokratisieren, auszusöhnen und zu entwickeln.

"Eins dürfte klar sein", meinte Jeyasingham, Dozent an der Östlichen Universität von Sri Lanka im nördlichen Distrikt Batticaloa, einen Tag nach den Wahlen vom 8. Januar. "Tamilen und Muslime haben sich als wichtige Akteure des demokratischen Wandels herausgestellt, indem sie (Ex-Staatschef) Mahinda Rajapaksa abgewählt haben." Sie stellen 15 beziehungsweise neun Prozent der Bevölkerung.

Sirisena konnte seinen ehemaligen politischen Weggefährten, der sich mit einer Verfassungsänderung eine dritte Amtszeit genehmigen wollte, mit einem Stimmenvorsprung von knapp vier Prozent abhängen. Er erzielte 51,3 Prozent der abgegebenen Stimmen. Insgesamt waren 15 Millionen Menschen zu den Urnen gerufen worden. Die Wahlbeteiligung lag bei stolzen 81,5 Prozent.


Quittung enttäuschter Tamilen

Die Unterstützung für den früheren Gesundheitsminister Sirisena und seine oppositionelle Regenbogenallianz 'Nationale Demokratische Front' (NDF) war vor allem in den Tamilengebieten im Norden des Landes überwältigend. So konnte er in allen zwölf Wahlbezirken von Jaffna 253.574 Stimmen und damit 74,42 Prozent der lokalen Wähler auf sich vereinigen.

In Vanni, einem weiteren Bezirk im Norden Sri Lankas, konnte er ebenfalls einen Erdrutschsieg verbuchen. In den Wahlbezirken Mannar, Mullaitivu and Vavuniya konnte Sirisena 78,47 Prozent der abgegebenen Stimmen auf sich vereinigen. Und in dem Distrikt Batticaloa erzielte er 81,62 Prozent der Stimmen.

Beobachtern zufolge haben die Tamilen Sirisena vor allem deshalb gewählt, weil Rajapaksa das ihnen gegebene Versprechen nach seiner Wiederwahl 2010 im Anschluss an den militärischen Sieg über die tamilischen Separatisten der 'Befreiungstiger von Tamil Eelam' (LTTE) nicht eingehalten hat, dem Norden des Landes größere politische Autonomie einzuräumen, einen Versöhnungsprozess einzuleiten und Parlament und Gerichtsbarkeit zu demokratisieren.

Seit seinem Amtsantritt 2005 hatte Rajapaksa einen breiten Rückhalt in der Bevölkerung genossen, den er seit Kriegsende im Mai 2009 mit seiner Anti-Terror-Rhetorik weiter ausbauen konnte. Der 26 Jahre währende Konflikt, der sich vor allem im Norden des Landes abgespielt hatte, kostete nach UN-Angaben mindestens 40.000 Menschen das Leben. Vor allem die Endphase des Krieges forderte die meisten Opfer.

"Die letzte Regierung hat die Quittung für ihr Versagen erhalten, das Land auszusöhnen", erklärte Pakiasothy Saravanamuttu vom Zentrum für strategische Alternativen (CPA). "Vielmehr hat sie sich mit Land Grabs und Menschenrechtsverletzungen hervorgetan sowie die Armee an wirtschaftlichen Aktivitäten - vom An- und Verkauf von Gemüse bis zur Führung von Hotels - beteiligt.

Graswurzelaktivsten im Norden und Osten der Halbinsel haben immer wieder auf die Notwendigkeit hingewiesen, die überfällige Versöhnungsarbeit zu leisten, damit das Land die Kriegstraumata überwinden und endlich die erforderliche Entwicklungsarbeit leisten kann. Bis heute wurde das immense Leid, das vor allem die Tamilen im Norden erlitten haben, weder anerkannt noch untersucht.

"Den Betroffenen wurde noch nicht einmal erlaubt, um ihre Angehörigen zu trauern", kritisierte Jeyasingham. "Gräber wurden zerstört. Das alles sind Dinge, die den Groll der Menschen am Leben hielten, den sie verinnerlicht haben, weil sie aufgrund der staatlichen Repression ihre Stimme nicht erheben durften."

Seit Kriegsende hatte die Rajapaksa-Regierung den eigenen Angaben zufolge mehr als drei Milliarden Dollar in den Wiederaufbau des Nordens gesteckt. Doch die Armut in den ehemaligen Bürgerkriegsgebieten ist nach wie vor immens.

In dem Distrikt Mullaithivu, dem Epizentrum der Endphase des blutigen Konflikts zwischen Armee und LTTE liegt die Armut bei 28,8 Prozent - das entspricht dem Sechsfachen des nationalen Durchschnittswerts von 6,7 Prozent. Die Arbeitslosigkeit in der Nordprovinz beträgt 5,2 Prozent, wobei sie im Distrikt Kilinochchi mit 7,9 Prozent am höchsten ist.

"Selbst die Staatsbediensteten im Norden haben Probleme, mit ihren Gehältern über die Runden zu kommen", erläuterte Jeyasingham. "Die Auswertung der Wahlergebnisse hat gezeigt, dass fast alle die Rajapaksa-Administration abgewählt haben." Vor diesem Hintergrund ist es dem Experten zufolge nur allzu verständlich, dass sich die Menschen im Wahlkampf nicht von den Versprechen des letzten Präsidenten blenden ließen.


Auch Muslime erteilen Denkzettel

Das Gleiche lässt sich offenbar auch von den Muslimen sagen, die seit geraumer Zeit um die religiöse und ethnische Pluralität im Lande fürchten müssen. In den von ihnen bewohnten Gebieten war es im letzten Jahr zu einer Reihe gewaltsamer Übergriffe genommen, die allein in der südlichen Stadt Aluthgama acht Menschen das Leben kosteten. Weitere 80 Menschen wurden verletzt und etliche Ladenlokale von einem singhalesischen Mob gebrandschatzt.

Die Muslime werfen der letzten Regierung vor, die von radikalen Mönchen angeführte Buddhistengruppe 'Bodu Bala Sena' (BBS), die sie für die religiösen Spannungen verantwortlich machen, ungehindert agieren zu lassen.

Bleibt abzuwarten, ob der neue Präsident die Fehler seines Amtsvorgängers vermeidet und auf die Minderheiten im Lande zugeht. Er hat versprochen, in den ersten 100 Tagen seiner Amtszeit für mehr Gleichheit und ein Ende der religiösen Intoleranz zu sorgen. Doch Beobachter befürchten, dass eher die Bevölkerungsmehrheit der Singhalesen profitieren wird. (Ende/IPS/kb/2015)


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/01/sri-lankas-minorities-choose-unknown-angel-over-known-devil/

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IPS-Tagesdienst vom 12. Januar 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Januar 2015


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