Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → AUSLAND

ITALIEN/021: Mit Rechtskurs wollen sich Italiens Demokraten Wahlsieg sichern (Gerhard Feldbauer)


Mit Rechtskurs wollen sich Italiens Demokraten Wahlsieg sichern

Rechte schürt Angst vor linkem Wahlsieg, der aber gar nicht zu erwarten ist.

Von Gerhard Feldbauer, 6. Juli 2012



Im früheren rechtsextremen Lager der Volksfreiheitspartei (PdL) des Ex-Premier Berlusconi, in der neu formierten Zukunft und Freiheit (FdL) der einstigen AN-Faschisten und der Lega Nord, wächst die Furcht, bei den Parlamentswahlen im Frühjahr 2013 eine Niederlage zu erleiden. Die Rechte schürt deshalb die Angst vor einem Wahlsieg der Linken (Kommunisten und Linkspartei), der aber gar nicht zu erwarten ist.

Den Rechten steht in Wahrheit die aus der Fusion der früheren Linksdemokraten (die wiederum aus der 1990/91 liquidierten PCI hervorgingen) mit dem katholischen Zentrum entstandene Demokratische Partei (DP) gegenüber. Sie ist eine Partei der bürgerlich-liberalen Mitte, die sich für ein Bündnis von Arbeit und Kapital ausgesprochen hat, und, wie gerade ihr Sprachrohr, die "Repubblica", hervorhob, voll hinter der Austeritätspolitik von Ministerpräsident Mario Monti steht. Andernfalls riskiere Italien, "ein Protektorat der EU zu werden". Das hat der DP die Unterstützung wichtiger Kapitalkreise mit der Präsidentin der Confindustria, der großen Stahlunternehmerin Emma Marcegaglia, an der Spitze eingebracht. Dazu hat auch beigetragen, dass die DP aus den Bürgermeisterwahlen im vergangenen Mai als überlegene Siegerin hervorging.

Verhältnis zur deutschen Führungsmacht abgekühlt

Hinein in diese Auseinandersetzungen spielt das jüngste Treffen des italienischen Premiers Mario Monti mit Bundeskanzlerin Merkel am 4. Juli in Rom. Die dritte Begegnung der beiden Regierungschefs innerhalb von zwei Wochen konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich das Klima zur deutschen EU-Führungsmacht merklich abgekühlt hat. In der italienischen Großbourgeoisie, die 1943 mit der faschistischen Achse brach, um nicht in die Niederlage Hitlerdeutschlands hineingezogen zu werden, will man auch heute nicht ein jederzeit mögliches Fiasko der von Berlin beherrschten Euro-Finanzmacht mittragen. Das wurde schon beim Krisengipfel vor zwei Wochen in Brüssel deutlich, wo Monti wichtige Interessen Italiens gegen Berlin durchsetzen konnte.

Angstmache mit Wahlerfolg Hollandes und der griechischen Linken

Der Verlust der Gunst einflussreicher Kapitalkreise bringt die Rechten besonders auf. Dass an der Spitze der DP frühere Politbüromitglieder der IKP stehen, wird zum Anlass besagter Angstmache genommen. Es ist außerdem ein Druckmittel, zu verhindern, dass die DP eine Wahlbündnis mit der Linkspartei Umwelt und Freiheit (SEL) des derzeitigen Präsidenten der Region (Land) Apulien, Nicola Vendola, eingeht und möglicherweise auch den Kommunisten der PRC und PdCI einige Plätze auf ihrer Wahlliste überlässt. Beugt die DP sich dem Druck, könnte sie nicht wenige Wähler verlieren. Als zusätzliche Drohkulisse dient der Amtsantritt Präsident Hollandes in Paris und der folgende Erfolg der französischen Sozialisten bei den Wahlen zur Nationalversammlung als auch der Wahlerfolg der Linken in Griechenland. Besonders letztere Ergebnisse werden zum Anlass genommen zu warnen, ähnliche Erfolge in Rom würden Italien ins Chaos stürzen.

In der DP ist man noch unsicher, die Linkspartei mit ins Boot zu nehmen. Wenn, dann möchte man das Ganze in eine künftige Regierungskoalition mit der Union Demokratischer Christen (UDC) einbinden. Gespräche beider Parteiführungen dazu haben, wie es in Rom heißt, bereits stattgefunden. Die UDC gehörte einst der faschistoiden Regierung Berlusconis an. Ein von der Partei der Werte Italiens (IdV) des früheren Korruptionsermittlers Antonio Di Pietro, die eher nach Links tendiert, angetragenes Wahlbündnis lehnt die DP dagegen ab.

Rechte will faschistoides Odium loswerden

Um hier gegenzuhalten, versuchen die Rechten in fast verzweifelter Demagogie, das Odium ihrer faschistoiden Vergangenheit loszuwerden. Nachdem der frühere Führer der AN-Faschisten, Gianfranco Fini, sich mit seiner neuen FeL geläutert präsentierte, folgt ihm der für seinen faschistoide Regierungskurs bekannt gewordene Mediendiktatur Berlusconi und erklärt allen Ernstes, er stehe mit seiner PdL für "eine moderate Rechte", mit der er an die Regierung zurückkehren will. Die durch den Korruptionsskandal ihres Chefs Umberto Bossi angeschlagene Lega Nord, distanziert sich vom Rassismus, verspricht, sich für eine bessere Integration der Migranten einzusetzen und hat Bossi abgewählt. Der an seine Stelle getretene Roberto Maroni, der als Innenminister Berlusconis Einwanderer in Lager sperren und dass Feuer auf Flüchtlingsboote eröffnen wollte, will heute davon nichts mehr wissen.

Linke Basis gegen Allianz mit DP

An der Basis der SEL verstärkt sich der Widerstand gegen ein Zusammengehen mit der Partei des Kapitals, wie die DP genannt wird. Wie auch in der PRC und der PdCI wachsen die Stimmen, sich nicht vor den Karren der liberalen Bourgeoisie spannen zu lassen und ein Linksbündnis als echte Alternative gegen die unter einer DP-geführten Regierung zu erwartende Fortsetzung der Abwälzung der Krisenlasten und des Abbaus von Arbeiterrechten zu bilden. PRC-Sekretär Paolo Ferrero, der bisher mit der DP gehen wollte, hat sich unter diesem Druck erstmals von diesem Vorhaben distanziert. Der Rechten, die noch immer die Parlamentsmehrheit besitzt, bleibt noch ein Faustpfand: Die geplante Verabschiedung eines neues Wahlgesetzes, das an Stelle der von Berlusconi eingeführten Direktwahl zum Proportionalsystem zurückkehren soll, zu ihren Gunsten zu gestalten. So ist u.a. geplant, Parteien, die zehn Prozent erreichen, einen Wahlbonus zu gewähren, was vor allem der Rechten nützen würde, und die Sperrklausel von vier auf fünf Prozent anzuheben, um die Linken aus dem Parlament auszuschließen.

*

Quelle:
© 2012 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Juli 2012