Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → AUSLAND

ITALIEN/028: Luigi Bersani zum Spitzenkandidaten für die Parlamentswahlen gewählt (Gerhard Feldbauer)


Italien am Wochenende

Demokratenchef Bersani Kandidat von Mitte Links für Parlamentswahlen 2013
Abfuhr für den Rottamatore

von Gerhard Feldbauer, 4. Dezember 2012



Luigi Bersani, Vorsitzender der Demokratischen Partei (einem Zusammenschluss früherer Linksdemokraten und katholischem Zentrum), der das Bündnis Mitte Links anführt, wurde am Sonntag bei der von seiner Partei veranstalteten Stichwahl zu den Primarie, den nach amerikanischem Vorbild eingeführten Vorwahlen, mit 61,1 Prozent zum Spitzenkandidaten für die Parlamentswahlen im Frühjahr 2013 gekürt. Im ersten Wahlgang hatte weder Bersani noch sein Herausforderer in der DP, der Florenzer Bürgermeister Matteo Renzi - die absolute Mehrheit erreicht. Die in scharfem antikommunistischen Unterton geführte Kampagne des "Rottamatore" (Verschrotter) der alten Funktionärsgeneration, die meist noch aus der 1990 liquidierten IKP kommt, fand bei den rund 2,6 Millionen Teilnehmern an den Primarie wenig Anklang. In der sich neuerdings betont sozialdemokratisch gebenden DP trauern nicht wenige an der Basis heute dem Untergang der in den 1970er Jahren von 34 Prozent (12 Millionen) Italienern gewählten IKP nach. Hinzu kam, dass Renzis frühere Kontakte zu Ex-Premier Berluconi bekannt wurden. Dann äußerte noch die Vorsitzende der CGIL, der größten und der DP nahe stehenden Gewerkschaft, Susanna Camusso, einen Sieg Renzis, des ausgesprochen rechten Flügelmanns der DP, würde sie "problematisch" sehen.


Linkspartei ausschlaggebend

Den Ausschlag für Bersanis Erfolg dürften die Stimmen der Linkspartei Umwelt und Freiheit (SEL) des derzeitigen Präsidenten der Mitte Links-Regierung in Apulien, Nichi Vendola, gegeben haben. Er hatte im Ersten Anlauf sensationelle 15 Prozent geschafft und damit über den Prognosen seiner SEL gelegen, die unter zehn Prozent liegen. Das war, Beobachtern zufolge, ein Ergebnis der Absage auch Vendolas an den sozialen Crashkurs Montis. Auch der SEL-Chef, der 2010 die Kommunistische Neugründungspartei PRC verließ, widerspricht nicht, wenn man ihn weiterhin einen Kommunisten nennt. Vendola bekannte öffentlich, für Bersani zu stimmen. Nebenbei einmal ein Vergleich zum deutschen Parteienspektrum eingefügt: Während DP-Chef Bersani sich anschickt mit Vendola an der Seite Mitte Links in den Wahlkampf zu führen, um sich so den möglichen Sieg zu sichern, ist das von einem Sozialdemokraten Steinbrück absolut unvorstellbar.

Während die populär gewordenen Primarie Mitte Links einen Auftrieb verschaffen, sind sie bei der sogenannten Volksfreiheitspartei (PdL) von Berlusconi wegen chaotischen Zuständen und parteiinternen Auseinandersetzungen abgesagt worden. Der Ex-Premier will immer noch kandidieren und plant angesichts der bei Umfragen auf 14,3 Prozent gesunkenen Wählerakzeptanz (2008 noch 37,7 Prozent) einen Namenswechsel oder auch eine Neugründung. Die Rede ist vom alten Parteinamen aus den 1990er Jahren Forza Italia, der dem Schlachtruf italienischer Fußballfans entliehen war. In der PdL herrscht inzwischen die Meinung vor, mit Berlusconi könne man nur noch mehr Stimmen verlieren.


Rechte setzt weiter auf Monti

Die Rechte setzt Mangels eines erfolgreichen eigenen Kandidaten unverändert auf Monti. Der kann sich zwar als Senator auf Lebenszeit nicht auf einer Parteienliste bewerben, hat aber erneut nicht ausgeschlossen, dass er das Amt noch einmal übernehmen werde, wenn es keine klare Mehrheit gibt. Im Raum steht das erprobte deutsche Vorbild: Eine große Koalition. Hier ist zu sehen, dass eine Große Koalition in Rom auch die früheren AN-Faschisten einschließen könnte, die ihr vorheriger "Duce" Gianfranco Fini in einer neuen Partei Zukunft und Freiheit (FeL) sammelt, und auch die faschistoide PdL, oder wie immer sie sich nennen könnte.

Unterbelichtet bleiben weiterhin die sozialen und politischen Fragen. Anhaltende Streikkämpfe gegen den unter Monti fortgesetzten Sozialabbau werden von der DP kaum aufgegriffen. Keine Rolle spielen Forderungen der Friedensbewegung nach dem Abzug des italienischen Truppenkontingents aus Afghanistan, wo inzwischen über 40 Italiener einen sinnlosen Tod starben.


Rifondazione Comunista will allein antreten

Die Kommunisten beziehen getrennte Positionen zu den Wahlen. Die Partei der Kommunisten Italiens (PdCI) will sich mit Kandidaten auf der Liste von Mitte Links beteiligen. Da das einige Hunderttausende Stimmen einbringen könnte, werden von Bersani keine Einwände erwartet. Die Entscheidung ist an der Basis umstritten. Die PRC kündigte dagegen an, eigenständig anzutreten. Das ist nicht ganz chancenlos. 2006 erreichte die PRC noch 7 Prozent Stimmen.

*

Quelle:
© 2012 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Dezember 2012