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LATEINAMERIKA/1119: Costa Rica - Unternehmer fürchten Nachteile durch Freihandelsabkommen mit China (IPS)



IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 20. August 2010

IPS-Tagesdienst vom 20.8.2010

Costa Rica:
Unternehmer fürchten Nachteile durch Freihandelsabkommen mit China

Von Daniel Zueras

San José, 20. August (IPS) - Als einziges Land Zentralamerikas unterhält Costa Rica diplomatische Beziehungen zu China. Ein Freihandelsabkommen mit der Volksrepublik soll nach dem Willen der Regierung noch in diesem Jahr ratifiziert werden. Costaricanische Unternehmer rechnen dadurch nicht mit Vorteilen, sondern befürchten eine größere Abhängigkeit von dem Wirtschaftsriesen.

Über das im April von dem damaligen costaricanischen Präsidenten Oscar Arias und seinem chinesischen Amtskollegen Hu Jintao unterzeichnete Freihandelsabkommen muss nun noch das Parlament in San José abstimmen. Außenhandelsministerin Anabel González zeigte sich zuversichtlich, dass der Vertrag noch in diesem Jahr in Kraft treten könne.

Das kleine Land mit rund 4,5 Millionen Einwohnern blickt weiter gen Asien. Ein ähnliches Abkommen mit Singapur steht vor der Ratifizierung. Zudem will die Regierung mit Südkorea in Verhandlungen treten. Überdies strebt Costa Rica wie bereits Chile, Mexiko und Peru die Vollmitgliedschaft im Forum für asiatisch-pazifische Wirtschaftszusammenarbeit (APEC) an. Kolumbien und Panama gehören dem Bündnis bereits als Beobachter an.

Zu China halten die zentralamerikanischen Nachbarstaaten Costa Ricas allerdings Distanz. Sie sind mit dem Inselstaat Taiwan verbündet, den die Volksrepublik nach wie vor als abtrünnige Provinz betrachtet.

Umso mehr erhofft sich die Regierung Costa Ricas Vorteile von den Handelsbeziehungen zu dem aufstrebenden asiatischen Wirtschaftsgiganten mit mehr als 1,3 Milliarden Einwohnern. China ist der zweitwichtigste Handelspartner nach den USA, mit denen San José bereits das DR-CAFTA-Abkommen schloss. Diesem Freihandelsvertrag haben sich vier weitere zentralamerikanische Länder und die Dominikanische Republik angeschlossen.

Außerdem treibt Costa Rica mit der Karibischen Gemeinschaft (CARICOM) sowie Chile, Mexiko und Panama Handel zu Vorzugskonditionen. Ein Assoziationsabkommen der Europäischen Union soll in Kürze vom Parlament verabschiedet werden.


Unternehmer bangen um eigene Wettbewerbsfähigkeit

"Der Zugang zu den Märkten, den sich das Land mit Hilfe der USA und der EU eröffnet, ist im Hinblick auf die Beziehungen mit China von großem Vorteil", sagte Max Soto, der Direktor des Instituts für wirtschaftswissenschaftliche Forschungen an der Universität von Costa Rica.

Aus der Geschäftswelt hagelt es jedoch Kritik. Das Abkommen mit China stehe nicht im Einklang mit den Interessen der meisten Unternehmer, sagte der Vizepräsident der Costaricanischen Kammer der Lebensmittelindustrie, Mario Montero.

Seiner Meinung nach müsste das Hauptaugenmerk der Regierung darauf liegen, die Wettbewerbsfähigkeit der einheimischen Industrie zu stärken und die Infrastruktur auszubauen. "Das Abkommen wurde als politisches Instrument eingesetzt, im beide Länder einander anzunähern. Das war eine schlechte Entscheidung", kritisierte er. Ohne verbesserte Ausgangsbedingungen könnten die costaricanischen Unternehmen auf den neuen Märkten nicht mithalten.

Die neueren Handelsbilanzen geben Montero Recht. Nach Jahren des Booms sind die Exporte Costa Ricas nach China im ersten Halbjahr 2010 auf 194 Millionen US-Dollar deutlich gesunken. Im gleichen Vorjahreszeitraum beliefen sich die Ausfuhren noch auf 308 Millionen Dollar. Rechnet man die Exporte in die chinesische Sonderwirtschaftszone Hongkong hinzu, so ergibt sich in dem Zeitraum ein Rückgang von 453 Millionen auf 431 Millionen Dollar.

Die Importe aus der Volksrepublik erhöhten sich dagegen von einem Volumen von 284 Millionen auf 356 Millionen Dollar. Einschließlich der Lieferungen aus Hongkong stiegen die Einfuhren sogar von 302 auf 373 Millionen Dollar.


Kritik an chinesischer Finanzierung für Straßenbau

Umstritten ist auch die Bitte der costaricanischen Regierung um eine finanzielle Unterstützung Chinas für ein Straßenbauprojekt. Der costaricanische Außenminister René Castro sprach seinen chinesischen Kollegen Yang Jiechi bei dessen Besuch in San José Anfang August darauf an.

Die Kosten für die Verbreiterung der Straße, die von der Karibikküste in den Norden des Landes führt, belaufen sich auf etwa 221 Millionen Dollar. Staatspräsidentin Laura Chinchilla bezeichnete das Vorhaben als grundlegend für die weitere wirtschaftliche Entwicklung des Landes.

Seit San José mit Peking 2007 diplomatische Beziehungen aufnahm und die Kontakte zu Taiwan abbrach, hat sich die Volksrepublik schon mehrmals erkenntlich gezeigt. So stiftete China das neue costaricanische Nationalstadion, das im Februar 2011 eröffnet werden soll. Die Baukosten betrugen 83 Millionen Dollar.

Der Präsident des Bauunternehmerverbandes, Ricardo Castro, reagierte empört. "Es ist eine Barbarei, um solche Geschenke zu bitten", sagte er IPS. Costa Rica stehe nun unter Druck, im Gegenzug Dinge zu tun, die das Land lieber bleiben lassen sollte. Es gelte aber die Gesetze des Landes zu wahren. (Ende/IPS/ck/2010)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. August 2010