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LATEINAMERIKA/1332: Karibik in Falklandfrage gespalten, Inselbevölkerung will Zukunft selbst gestalten (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 14. Februar 2012

Karibik: In Falklandfrage gespalten - Inselbevölkerung will Zukunft selbst gestalten

von Peter Richards


St. George's, Grenada, 13. Februar (IPS) - Im argentinisch-britischen Territorialstreit um die Falklandinseln hat sich der Vorsitzende des Legislativrats (Parlament) des Inselarchipels, Roger Edwards, zu Wort gemeldet. Wie er im IPS-Gespräch erklärte, werde man sich weder von Buenos Aires noch von London vereinnahmen lassen. Denn: "Wir wollen unsere Zukunft selbst bestimmen."

Am 2. April 1982 hatte die damalige argentinische Militärregierung (1976-1983) vergeblich versucht, den Briten die seit 1833 besetzten Falklandinseln gewaltsam abzutrotzen. Der Krieg um die Malwinen, wie Argentinien die Inseln nennt, endete am 10. Juni 1982 mit der Kapitulation des militärisch unterlegenen Argentiniens und 900 Toten.

Bis heute hält das südamerikanische Land an seinem Anspruch auf die Inseln fest und fordert die Aufnahme von Gesprächen. 30 Jahre nach Kriegsbeginn nehmen die Spannungen zwischen beiden Ländern wieder zu.

Anders als damals geht es Edwards zufolge um Öl. Vier britische Ölfirmen haben inzwischen ihr Interesse an Explorationsarbeiten im Umfeld der 480 Kilometer vor der argentinischen Küste gelegenen Falklandinseln angemeldet. Sie vermuten dort Erdölreserven, die die britischen Vorkommen um das Dreifache übersteigen.


"Sie stellen uns unter Wirtschaftsblockade"

"Leiter macht uns Argentinien derzeit das Leben schwer", beklagte der Abgeordnete. "Sie stellen uns quasi unter eine Wirtschaftsblockade und drohen, dass sie mit Hilfe von Präsidialdekreten den Schiffsverkehr mit den Falklandinseln zum Erliegen bringen werden. Sie versuchen, andere südamerikanische Länder auf ihre Seite zu bringen und wollen das Einlaufen von Schiffen unter Falklandflagge (in ihre Häfen) verbieten."

Am 1. Februarwochenende hatten die Teilnehmer des Gipfeltreffens der Bolivarischen Allianz für die Völker unserer Amerikas (ALBA) in Venezuela ihre Bereitschaft bekräftigt, Argentinien im Streit um die Falklandinseln zu unterstützen.

ALBA ist ein Integrationsprojekt von Venezuelas Präsident Hugo Chávez, dem inzwischen auch Brasilien, Paraguay und Uruguay angehören, Argentiniens Bündnispartner im südamerikanischen Wirtschaftsabkommen MERCOSUR, das der Blockade vor zwei Monaten zugestimmt hatte. Der Beschluss wurde von allen vier MERCOSUR-Staaten ratifiziert und dem britischen Außenminister Großbritanniens, William Hague, bei dessen Brasilien-Besuch mitgeteilt.

Argentiniens Außenminister Héctor Timerman erklärte auf dem ALBA-Gipfel, dass London mit seinem Souveränitätsanspruch weitgehend isoliert dastehe. "Lateinamerika und die Karibik sind sich in der Frage der Malwinen einig: Argentinien ist nicht allein", betonte er.

Die argentinische Regierung hat unterdessen ihre Ankündigung wahrgemacht und bei den Vereinten Nationen formell gegen die Militarisierung des Südatlantiks durch Großbritannien protestiert. Hintergrund sind britische Militärübungen unter Teilnahme des britischen Prinzen William.

Wie Edwards als Mitglied einer Delegation von Abgeordneten der Falklandinseln bei Gesprächen mit dem Ministerpräsidenten von St. Lucia, Kenny Anthony, am 7. Februar im Rahmen einer Karibikreise erklärte, blicken die Bewohner der Falklandinseln zuversichtlich in die Zukunft. Diese Zukunft solle aber weder in argentinischer noch in britischer Hand liegen.

"Sie verbreiten Mythen und Lügen. Deshalb haben wir beschlossen, hierherzukommen, um Sie aus erster Hand zu informieren", erklärte Edwards. "Kern unserer Botschaft ist, dass die Wünsche unserer Inselbewohner Priorität haben müssen. Wir wollen unsere Zukunft selbst gestalten."

Wie der Chef des Legislativrats weiter erklärte, "sind wir nicht der Meinung, dass Argentinien einen rechtmäßigen Anspruch auf die Falklandinseln hat". Das südamerikanische Land wolle die Falklandinseln beherrschen und kolonialisieren. Ebenso wenig einverstanden seien die Bewohner der Inselgruppe, dass Großbritannien ihre Zukunft bestimme.


ALBA mit Einfluss

Doch in der Falklandfrage sind die Staaten der Karibischen Gemeinschaft (CARICOM) gespalten. Dazu meinte der prominente karibische Wirtschaftsexperte und ehemalige Generalsekretär der Vereinigung der Karibischen Staaten, Norman Girvan, dass von ALBA im Vergleich zur CARICOM eine viel größere Sogwirkung ausgehe.

Die ALBA-Staaten seien in der Lage, umfangreichere Ressourcen zu mobilisieren als CARICOM. Auch sei CARICOM, was die Umsetzung konkreter Projekte angeht, gegenüber ALBA unterlegen, betonte Girvan gegenüber der Karibischen Medienvereinigung CMC mit Sitz in Barbados.

Der Einfluss von ALBA auf die karibischen Staaten ist nicht zu übersehen. Hatte St. Lucia lange Zeit auf das Recht der Falkland-Inselbewohner auf Selbstbestimmung gepocht, scheint das Land als Kandidat für die volle ALBA-Mitgliedschaft von seinem bisherigen Standpunkt abzuweichen.

St. Vincent und die Grenadinen, wie Antigua und Barbuda, Dominica und Haiti ALBA-Vollmitglied, ließ unlängst verlauten, seine Unterstützung der ALBA-Resolution, Schiffen unter Falklandflagge das Einlaufen in seine Häfen zu verbieten, sei rein symbolischer Natur, weil keine Schiffe der Falklandinseln die Häfen des Inselstaates anliefen.

Antigua und Barbuda kündigte inzwischen an, dass es sich auch weiterhin für eine friedliche Lösung des Konflikts einsetzen werde. Antigua und Barbuda habe noch nie den Aufruf unterstützt, Schiffen unter der Flagge eines anderen Landes der Region das Einlaufen zu verbieten. Das werde auch in Zukunft nicht geschehen, hieß es in einem Statement vom 8. Februar. (Ende/IPS/kb/2012)


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IPS-Tagesdienst vom 13. Februar 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Februar 2012