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LATEINAMERIKA/1341: Kolumbien - Staatspräsident Santos entschärft OAS-Krise (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 23. März 2012

Kolumbien: Staatspräsident Santos entschärft OAS-Krise - Diplomatin Nieto berichtet

von Constanza Vieira

Die Diplomatin Clara Nieto in ihrem Haus in Bogotá - Bild: © Margarita Carrillo/IPS

Die Diplomatin Clara Nieto in ihrem Haus in Bogotá
Bild: © Margarita Carrillo/IPS

Bogotá, 23. März (IPS) - Vor dem nächsten Gipfeltreffen der amerikanischen Staaten befand sich Gastgeber Kolumbien in einer heiklen Lage. Mehrere Mitgliedsländer hatten damit gedroht, dem Treffen im Fall einer Teilnahme Kubas fernzubleiben. Doch Staatspräsident Juan Manuel Santos konnte die Boykottgefahr abwenden, wie die kolumbianische Diplomatin Clara Nieto berichtet.

Im Interview mit IPS erklärte Nieto, dass die Krise innerhalb der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) vor allem auf die USA zurückzuführen sei. Die Anwesenheit Kubas auf dem bevorstehenden Gipfeltreffen in Kolumbien hätte US-Präsident Barack Obama vor den Wahlen ernsthafte innenpolitische Schwierigkeiten bereitet, meinte sie. Um die regionale Koexistenz nicht zu stören, habe Havanna nach einem Gespräch mit Santos auf die Teilnahme verzichtet.

Der Gipfel wird vom 9. bis 15. April im kolumbianischen Badeort Cartagena de Indias stattfinden. Die Treffen unter Ausschluss Kubas seien von dem ehemaligen US-Präsidenten Bill Clinton "erfunden" worden, um innerregionale Probleme zu lösen, berichtete Nieto. Doch in den letzten 50 Jahren habe sich wenig geändert, schreibt Nieto in ihrem Buch 'Obama y la nueva izquierda latinoamericana' (Obama und die neue lateinamerikanische Linke).

Nieto war als Delegierte ihres Landes bei den Vereinten Nationen in New York und als Vertreterin bei der Weltkulturorganisation UNESCO in Paris tätig. Außerdem war sie Botschafterin in Kuba und Leiterin des UNESCO-Büros in Havanna. In ihrem 1999 erschienenen Buch 'Los amos de la guerra' (Die Kriegsherren) untersuchte sie, wie die kubanische Revolution die Lateinamerika-Politik der USA beeinflusst hat.


"Meisterhafter Schachzug"

Dass Santos am 7. März in die kubanische Hauptstadt Havanna reiste, um seinen kubanischen Kollegen Raúl Castro und den venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez zu treffen, nannte Nieto einen "meisterhaften Schachzug". Die Freundschaft zwischen Santos und Chávez sowie Chávez' Freundschaft zu Fidel und Raúl Castro seien von fundamentaler Bedeutung für eine Lösung der OAS-Krise gewesen. Lateinamerikanische Staaten wie Argentinien und Brasilien haben inzwischen angekündigt, an künftigen Gipfeltreffen der OAS-Länder nicht mehr teilzunehmen, solange Kuba ausgeschlossen werde.

Wie Nieto betonte, verfolgt auch der seit August 2010 amtierende kolumbianische Staatschef Santos eine Politik der Koexistenz aller OAS-Staaten. Zu der aktuellen Kontroverse um Kuba erklärte die Diplomatin, Havanna habe sich selbst nie um eine Einladung zu dem Gipfel bemüht.

Seit 1994 finden die panamerikanischen Gipfeltreffen der OAS-Staaten in unregelmäßigen Abständen statt. Kuba, dessen OAS-Mitgliedschaft 1962 ausgesetzt wurde, könnte zwar dem Staatenbund inzwischen wieder beitreten, ist daran allerdings nach eigenen Angaben nicht interessiert. Dass Washington die Teilnahme Kubas an den Gipfeltreffen verhindert, stößt bei den anderen OAS-Mitgliedern und insbesondere den Bündnispartnern der linken Bolivarischen Allianz für Amerika (ALBA) zunehmend auf Widerstand.

"Lateinamerika und insbesondere die Mitglieder von ALBA - Antigua und Barbuda, Bolivien, Dominica, Ecuador, Kuba, Nicaragua, St. Vincent und die Grenadinen sowie Venezuela wollten Kubas Ausschluss von dem Gipfeltreffen verhindern", brachte Nieto die Herausforderung für das Gastgeberland Kolumbien auf den Punkt.

Die meisten Staaten seien in der Kuba-Frage zu Washington längst auf Distanz gegangen, versicherte sie. Dass bei dem ALBA-Treffen in Caracas am 4. Februar die von Ecuadors Präsident Rafael Correa vorgebrachte Forderung, den Gipfel im Falle eines Ausschlusses Kubas zu boykottieren, nicht in ihre offizielle Erklärung aufgenommen worden sei, habe die Lage deutlich entspannt.


Alte Forderungen

Nieto erinnerte daran, dass die ALBA-Mitglieder bereits im April 2009 mit einem Boykott des OAS-Gipfels gedroht hatten, sollte Kuba nicht teilnehmen dürfen. Obama, der im Januar des Jahres sein Amt angetreten hatte, bat daraufhin den damaligen brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva um Hilfe. Lula gelang es, die ALBA-Staaten zu einem gemäßigten Ton und zur Zustimmung zu einer Nicht-Teilnahme Kubas zu bewegen.

Wie die Diplomatin berichtete, entschied die OAS-Generalversammlung am 3. Juni 2009 auf einem Treffen in Honduras, den Ausschluss Kubas nach 47 Jahren ohne Bedingungen aufzuheben. Havanna habe allerdings kein Interesse signalisiert, in die Organisation zurückzukehren, so die kolumbianische Diplomatin.

Für die USA seien solche Gipfeltreffen weiterhin wichtig, meinte sie. "Sie wollen uns Latinos zeigen, dass ihnen unsere Region am Herzen liegt", sagte Nieto. Auch die OAS sei aus den gleichen Gründen gegründet worden.

Nieto beklagte, dass Obama auf einem Gipfel in Trinidad und Tobago allen anderen OAS-Mitgliedern zwar einen Dialog auf Augenhöhe angeboten und die Aufnahme der Gespräche mit Kuba angekündigt habe. Doch nichts davon sei geschehen. "Vor dem Ende seiner zweiten Amtszeit im Januar 2011 hat Lula bedauert, dass sich seine Hoffnungen auf einen Wandel nicht erfüllt haben. Auch wenn Obama als eine seiner ersten Amtshandlungen von seinem Vorgänger George W. Bush angeordnete Restriktionen gegen Kuba aufhob, profitierten davon nur die US-Kubaner und ihre Verwandten auf der Insel", sagte die Expertin.

In ihrem 2008 erschienenen Buch erklärte die Diplomatin, dass immerhin 55 Prozent der kubanischen Gemeinde in Miami für ein Ende der Blockade gegen Kuba seien. 65 Prozent wünschten sich die Wiederaufnahme von Beziehungen zu Havanna. Dass Obama dennoch keine Wende in der Kuba-Politik der USA herbeigeführt hat, begründete Nieto damit, dass die Aufrufe zu einem neuen Verhältnis zu Kuba rasch verebbt seien und Lateinamerika ohnehin nie eine Priorität der US-Regierungen gewesen sei. (Ende/IPS/ck/2012)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. März 2012