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LATEINAMERIKA/1354: Mexiko - Regierung geht zu lasch gegen Geldwäsche vor (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 27. Juni 2012

Mexiko: Schmutziges Geld bleibt unangetastet - Regierung geht zu lasch gegen Geldwäsche vor

von Emilio Godoy


Ciudad Juárez, eine Hochburg des Drogenhandels in Mexiko - Bild: © Daniela Pastrana/IPS

Ciudad Juárez, eine Hochburg des Drogenhandels in Mexiko
Bild: © Daniela Pastrana/IPS

Mexiko-Stadt, 27. Juni (IPS) - Die mexikanische Regierung geht nach Ansicht von Menschenrechtsaktivisten nicht entschieden genug gegen Geldwäsche vor. Verbrecherbanden aus dem In- und Ausland seien daher in der Lage, mit sowohl Rauschgift als auch Menschen zu handeln und Lösegeld zu erpressen.

"Sie sind immer mächtiger geworden, weil ihr Vermögen nie angetastet worden ist", sagte Edgardo Buscaglia, Präsident des nichtstaatlichen Instituts Bürgeraktion für Gerechtigkeit und Demokratie. "Außerdem investieren sie in ganz unterschiedliche Bereiche, um ihr Risiko zu verteilen und höhere Renditen zu erlangen."

Buscaglia, der zunächst in Wirtschaftswissenschaften promovierte und sich dann auf Jura und Sozialpolitik spezialisiert hat, hat sich mit 22 Unternehmen, die im Untergrund arbeiten, befasst. Seinen Ergebnissen zufolge hat der Drogenhandel immer mehr an Bedeutung verloren. Stattdessen schmuggeln die Verbrecherbanden immer häufiger Migranten ohne Papiere und sind an Entführungen beteiligt.

Seit 2006 haben die mexikanischen Behörden nur etwa eine Milliarde US-Dollar beschlagnahmt - nur ein Bruchteil des Geldes, mit dem illegaler Handel und organisiertes Verbrechen finanziert wird.

Laut dem Bericht 'Mexico: Illicit Financial Flows, Macroeconomic Imbalances, and the Underground Economy', der im Januar von dem Projekt 'Global Financial Integrity' (GIF) in Washington verbreitet wurde, hat Mexiko durch illegale Geldflüsse zwischen 1970 und 2010 insgesamt 872 Milliarden Dollar - etwa 5,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) - verloren. GIF gehört zur Denkfabrik 'Centre for International Policy' und treibt Strategien im Kampf gegen unerlaubte Geldtransfers zwischen verschiedenen Staaten voran.

Diese Geldflüsse seien durch Bestechungs- und Schmiergelder, kriminelle Handlungen und den Transfer von Vermögen entstanden, die vor den Finanzbehörden anderer Länder verborgen werden sollten, heißt es in dem Report


Illegale Geldflüsse rapide gestiegen

Die jährlich in Umlauf gebrachte Summe haben sich demnach zwischen 1970 und 1980 von drei Milliarden Dollar auf 10,4 Milliarden Dollar mehr als verdreifacht. Im vergangenen Jahrzehnt seien es bereits 49,6 Milliarden Dollar gewesen.

Das US-Analyseunternehmen 'Stratfor' geht davon aus, dass jährlich 40 Milliarden Dollar an Einnahmen aus dem Drogenhandel nach Mexiko gelangen. "Der Kampf gegen das Rauschgift ist praktisch erfolglos. Deshalb richten sich die Hoffnungen verstärkt auf Maßnahmen gegen Geldwäsche", erklärte der Experte Carlos Resa, der an der Autonomen Universität von Mexiko lehrt.

Die Anti-Drogen-Politik des konservativen mexikanischen Präsidenten Felipe Calderón zielt daher darauf ab, die finanziellen Strukturen der Drogenmafia zu zerschlagen. Kurz nach seinem Amtsantritt Ende 2006 schickte Calderón landesweit zehntausende Soldaten und Polizisten in den Kampf gegen die Rauschgiftkartelle. Menschenrechtsorganisationen prangerten an, dass es zu zahlreichen Übergriffen gekommen sei. Medienberichten zufolge wurden in dem 'schmutzigen Krieg' bislang mehr als 50.000 Menschen getötet.

Seit 2007 hat die Generalstaatsanwaltschaft in etwa 1.400 Fällen Ermittlungen wegen Geldwäsche eingeleitet. Lediglich 79 Verdächtige wurden jedoch für schuldig befunden und verurteilt.

Mexiko ist Mitglied der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) sowie der Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20). Obwohl beide Organisationen den Kampf gegen Geldwäsche auf ihre Fahnen geschrieben haben, ist Mexiko wegen seines zögerlichen Vorgehens bisher nicht zur Rechenschaft gezogen worden.

Das lateinamerikanische Land gehört außerdem der 'Financial Action Task Force' (FATF) an, einer zwischenstaatlichen Institution, die Strategien gegen Geldwäsche und die Finanzierung von Terrorismus durch Staaten und Finanzinstitutionen fördert. Obgleich Mexiko nur wenige der 40 Empfehlungen der FATF befolgt, landete der Staat bislang nicht auf der 'grauen Liste' der Organisation. Die FATF bescheinigte Mexiko 2008 sogar Fortschritte im Kampf gegen diese Verbrechen.


Gesetz gegen Geldwäsche bisher nicht verabschiedet

Auf Geldwäsche stehen Strafen zwischen drei und neun Jahren Haft. In Mexiko gibt es dazu aber noch kein eigenes Gesetz. Nach Ansicht von Experten würde ein geplantes Gesetz der Regierung die Kontrollen verbessern und Geschäften mit Immobilien, Fahrzeugen, Schmuck, Edelmetallen sowie Bargeldoperationen Grenzen setzen.

Innerhalb der Generalstaatsanwaltschaft könnte außerdem ein Büro gegen Geldwäsche eingerichtet werden. Zudem würden die Strafen für die Vertuschung illegaler Geldtransfers verschärft und die Beschlagnahmung von Besitz erleichtert, der mit illegalen Finanzmitteln erworben wurde. In der laufenden Legislaturperiode ist das Gesetz jedoch noch nicht verabschiedet worden.

Nach Erkenntnissen des Ministeriums für Öffentliche Sicherheit kämpfen in Mexiko sieben Kartelle um die Kontrolle über die lukrativen Drogenrouten in Richtung USA, dem weltgrößten Markt für Rauschgift. In dem lateinamerikanischen Land sind demnach außerdem 17 internationale Verbrecherbanden aktiv.

Einem 2011 veröffentlichten Report des 'International Narcotics Control Board' zufolge erhöhte sich die auf Schiffen beschlagnahmte Menge an Marihuana von 2.100 Tonnen im Jahr 2009 auf rund 2.250 im folgenden Jahr. Die Konfiszierung von Kokain, das hauptsächlich aus Kolumbien stammt, ging in dem Zeitraum dagegen von 21,4 auf 9,4 Tonnen zurück. Nach Ansicht von Resa sind diese Zahlen jedoch nicht überprüfbar. (Ende/IPS/ck/jt/2012)


Links:

http://www.institutodeaccionciudadana.org/
http://mexico.gfintegrity.org/en/
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=100768
http://www.ipsnews.net/2012/05/dirty-money-still-untouched-in-mexico/

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IPS-Tagesdienst vom 27. Juni 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Juni 2012