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LATEINAMERIKA/1357: Mercosur - Paraguay raus, Venezuela rein, Verfahren sorgt für Unstimmigkeiten (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 5. Juli 2012

Mercosur: Paraguay raus, Venezuela rein - Verfahren sorgt für Unstimmigkeiten

von Marcela Valente



Buenos Aires, 5. Juli (IPS) - Venezuela ist neues Mitglied des südamerikanischen Wirtschaftsverbandes MERCOSUR. Im gleichen Zug wurde das langjährige Mitglied Paraguay bis auf weiteres suspendiert. Nun werden die Entscheidungen vom 29. Juni von mehreren Seiten angezweifelt und die Zukunft des Bündnisses überhaupt in Frage gestellt.

Die Mitgliedschaft Paraguays wurde auf dem Gipfel des 'Mercado Común del Sur' (MERCOSUR) Ende Juni mit der Begründung auf Eis gelegt, das Land entspreche nach dem Putsch vom 22. Juni nicht mehr den demokratischen Prinzipien des Verbandes.

Unterzeichnet haben diese Entscheidung die Präsidentinnen Cristina Fernández de Kirchner aus Argentinien sowie Dilma Rousseff aus Brasilien und der Präsident Uruguays, José Mujica. Nach den Wahlen in Paraguay im kommenden Jahr und der Wiederherstellung der Demokratie soll das Land wieder aktives Mitglied der Wirtschaftsunion werden.

Nachdem Paraguay suspendiert worden war, wurde Venezuela als Vollmitglied in den MERCOSUR aufgenommen. Offiziell beigetreten war das Land zwar bereits im Jahr 2006. Doch die volle Mitgliedschaft blieb Venezuela verwehrt, weil Paraguay sich dagegen ausgesprochen hatte. Laut dem 'Abkommen von Asunción', das als Gründungsdokument des Verbandes gilt, müssen die Parlamente aller Mitgliedsländer der Aufnahme eines neuen Staates zustimmen. Das paraguayische Parlament hatte seine Zustimmung allerdings nicht gegeben.


Uruguay kritisiert Entscheidung

Bedenken kommen jetzt vor allem aus Uruguay. Vizepräsident Danilo Astori nannte die Aufnahme Venezuelas unter Umgehung Paraguays "eine Aggression, eine sehr große Verletzung - vermutlich die größte seit Gründung des MERCOSUR vor 21 Jahren". Der Verband sei in seinem Kern getroffen worden, erklärte Astori gegenüber der uruguayischen Zeitung 'El Observador'. "Von jetzt an ist alles möglich", fügte er hinzu - keine der Grundfesten des Bündnisses sei nun noch sicher vor Angriffen.

Der Außenminister Uruguays, Luis Almagro, bezweifelte, dass der Beschluss überhaupt rechtens sei. Seinen Berichten zufolge war das Verfahren undurchsichtig, und die Bedenken Uruguays, die auf dem Außenministertreffen am 28. Juni in Vorbereitung auf den MERCOSUR-Gipfel geäußert worden waren, seien missachtet worden. "Die Initiative, Venezuela aufzunehmen, ging von Präsidentin Rousseff aus", sagte er. Doch das letzte Wort sei noch nicht gesprochen.

Argentinien und Brasilien widersprechen der uruguayischen Version. Aus dem argentinischen Außenministerium heißt es, dass die Entscheidung einstimmig getroffen worden sei. Die Außenminister und juristischen Berater haben demnach ihre Positionen dargelegt und waren sich darüber einig, dass die Aufnahme Venezuelas mit den Normen des Wirtschaftsverbandes im Einklang stehe. Daraufhin zogen sich die Präsidenten der drei Länder Argentinien, Brasilien und Uruguay zurück und teilten den Beschluss schließlich mit.

Auch aus Brasilien kommt Gegenwind: Marco Aurélio Garcia, außenpolitischer Berater der Regierung, sagte, die Initiative für die Aufnahme Venezuelas sei sogar von Uruguay ausgegangen - Präsident Mujica habe den Vorschlag auf den Tisch gelegt.


'Entscheidung war politischer Konsens'

"Wir haben auf niemanden Druck ausgeübt - das ist nicht Präsidentin Dilma Rousseffs Stil", sagte Garcia. "Die Entscheidung war einstimmig und hat den politischen Konsens widergespiegelt", unterstützte er die Position Argentiniens.

Juristen sind sich uneinig darüber, ob es rechtliche Bedenken bei der Entscheidung gibt. Santiago Deluca, Ex-Sekretär des Ständigen MERCOSUR-Revisionsgerichts, sagte: "Aus juristischer Sicht sind die Umstände, die zum Ausschluss Uruguays und zur Aufnahme Venezuelas führten, noch ungeklärt."

Die Angelegenheit gehe aber auch über eine Frage der juristischen Korrektheit hinaus, meint Fidel Canelón, Professor für internationale Studien an der Zentralen Venezolanischen Universität. "Das Geschacher nach dem Motto 'Wenn Du rausgehst, komme ich rein' führt zu Unruhen in den regionalen Beziehungen."

"Auch wenn sich alle politischen Eliten und Mainstream-Ökonomen in den Mitgliedsländern einig sind, kann ein solches Verhalten dennoch dazu führen, dass in Paraguay selbst Anti-MERCOSUR-Bewegungen entstehen, die das Bündnis letztlich destabilisieren."

Was auch problematisch sei: "Es sieht so aus, als würden sich auch in diesem Bündnis wieder die Großen über die Kleinen stellen", sagte Canelón. "Nach dieser Lesart erscheint es, als hätten Argentinien und Brasilien den Beitritt Venezuelas beschleunigt, um von den möglichen guten Geschäften mit dem Ölland profitieren zu können." (Ende/IPS/jt/2012)


Links:

http://www.mercosur.int/innovaportal/file/719/1/CMC_1991_TRATADO_ES_Asuncion.pdf
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=101116

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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Juli 2012