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LATEINAMERIKA/1469: Kolumbien - Santos bleibt Präsident (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 25 vom 20. Juni 2014
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

Santos bleibt Präsident
Auch das ELN geht in Friedensgespräche mit Kolumbiens Regierung

von Günter Pohl



Bei der Stichwahl um die Präsidentschaft Kolumbiens hat sich der bisherige Amtsinhaber Juan Manuel Santos mit 53 Prozent gegen den noch weiter rechts gerichteten Kandidaten Óscar Zuluaga durchgesetzt. Damit wird der Friedensprozess mit den FARC vorerst weitergehen.

Álvaro Uribe, der eigentliche starke Mann hinter der Kandidatur des von den meisten der Großgrundbesitzer unterstützten, mit 47 Prozent unterlegenen Zuluaga, zeigte sich als erwartet schlechter Verlierer. Er beschuldigte Santos eines Teils dessen, was ihm selbst in seinen beiden Amtszeiten von 2002 bis 2010 nicht nur vorgeworfen, sondern nachgewiesen wurde: "Die Santos-Regierung schuf die größte Korruption der Geschichte, charakterisiert durch Amtsmissbrauch und Geldzahlungen an Abgeordnete, um Stimmenkauf zu ermöglichen!" Die weiteren, massivsten seiner Verbrechen, wie die Massenermordungen von Armenviertelbewohner/inne/n um sie als Guerilleros präsentieren zu können, die Verschlechterung der Beziehungen zu den Nachbarländern oder auch die systematische Bespitzelung der parlamentarischen und außerparlamentarischen Opposition, konnte er Santos offenbar nicht vorhalten.

Die Wahlbeteiligung stieg in der Stichwahl gegenüber der ersten Wahlrunde (40 %) an und lag mit 47 Prozent bei einem Wert, wie er in Kolumbien seit Jahren normal ist. Diejenigen, die auf dem Land leben und am Stärksten unter dem fünfundsechzigjährigen Krieg mit Hunderttausenden Todesopfern leiden, nehmen an den Wahlen meist nicht teil - zu oft sind sie Opfer von Fälschungen, Drohungen und Massenermordungen nach aus Regierungssicht "falschen" Wahlergebnissen geworden. In den Städten ist der Anteil derer, die sich von der Kriegspropaganda beeinflussen lassen, hoch - weshalb, beide Phänomene zusammengenommen, die Linke traditionell einen schweren Stand hat. Und es erklärt immerhin teilweise, dass 47 Prozent derer, die zur Wahl gingen, einen Befürworter des Abbruchs der Friedensgespräche mit den FARC gewählt haben - immerhin gut ein Fünftel aller Wahlberechtigten. Präsident Santos hatte vor der Stichwahl weitreichende Zugeständnisse an die Opposition gemacht, um Zuluagas Vorsprung der ersten Runde wettmachen zu können, aber trotzdem nur verhältnismäßig knapp gewonnen. Dem Bürgerkriegsland steht damit zwar die Fortsetzung der Verhandlungen in Havanna bevor, andererseits dürfte die rechtsextreme Position der "harten Hand" größere Spielräume als zuvor wittern. Santos' Erklärung nach dem Sieg, wonach "auf dem Spiel nicht der Name eines Mannes, sondern die Richtung des Landes" gestanden habe, muss der Beweis noch folgen.

Wenige Tage vor der Wahl hatten die Regierung und die zweitstärkste Guerilla, das Nationale Befreiungsheer (ELN), erklärt, dass sie seit Monaten in Verhandlungen über die offizielle Aufnahme von Friedensgesprächen stehen. Darüber war lange spekuliert worden. Der Zeitpunkt der Bekanntgabe war jedenfalls bewusst gewählt worden, um die Wahlchancen von Präsident Santos zu erhöhen. Das könnte gewirkt haben, denn ein Friedensschluss ergibt mehr Sinn, wenn er umfassend wäre. Jenseits aller Debatten innerhalb der kolumbianischen Linken, was denn ein "gerechter Frieden" auch unter ideologischen Gesichtspunkten nach Jahrzehnten des Blutvergießens sein könnte, gibt es in der Gesellschaft einen tief verwurzelten Wunsch nach einem Ende der Gewalt. Ganz unabhängig davon, ob es auch ein Bewusstsein zu der Frage gibt, ob die staatliche, die parastaatliche oder auch die Gewalt der Großgrundbesitzer überhaupt enden würde, wenn auf dem Land keine bewaffnete Schutzmacht der Bauern mehr existieren würde.

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Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 46. Jahrgang, Nr. 25 vom 20. Juni 2014, Seite 7
Herausgeber: Parteivorstand der DKP
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Juli 2014