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LATEINAMERIKA/1934: Erneuter Generalstreik in Chile - Piñera setzt auf noch mehr Repression (poonal)


poonal - Pressedienst lateinamerikanischer Nachrichtenagenturen

Chile

Piñera setzt auf noch mehr Repression - wieder Generalstreik


(Sanitago de Chile, 25. November 2019, ANRed) - Zwei Tage lang fand in Santiago ein neuer Generalstreik statt. Trotz der angekündigten Reformen sind die Straßenproteste nicht zu stoppen. Präsident Piñeras Antwort ist noch mehr Repression. Jetzt hat Piñera eine Gesetzesvorlage angekündigt, welche einen verkappten Ausnahmezustand ermöglichen soll. Während die Regierung Vorwürfe von Menschenrechtsverletzungen zurückweist, wirbt sie neue sowie bereits pensionierte Polizist*innen an, um eine Kontrolle der Straßen zu ermöglichen. In den Vierteln finden währenddessen weiterhin offene Nachbarschaftsräte und Versammlungen statt.

Am 25. November hat in Chile ein gestaffelter Generalstreik begonnen. Mobilisiert wird an diesem Tag im ganzen Land, rund 200 Organisationen haben zum Streik aufgerufen. Dazu gehören die Gewerkschaft der Arbeitereinheit (CUT), das Koordinationskomitee der Union Social, aber auch die Koordinationskomitees von No + AFP (Aktivist*innen gegen das privatisierte Rentensystem) und des 8 de Marzo, welches feministische Forderungen stark macht. Vertreter*innen der Union chilenischer Häfen erklärten, dass die 24 wichtigsten Häfen des Landes stillgelegt werden. Auch die Arbeiter*innen im Gesundheits- und Bausektor befinden sich im Streik. Seit dem Morgen sammelten sich Demonstrant*innen in der Alameda, am Nachmittag wird eine starke Beteiligung an der Plaza Dignidad (ehemals Plaza Italia) erwartet. Am Dienstag unterstützen auch Staatsangestellte und Lehrer*innen den Streik.


Piñera versucht die Straßen unter Kontrolle zu bringen

Nachdem Piñera mit den Ankündigungen, nur schwache Reformen umzusetzen und Änderungen an einer neuen Verfassung zu akzeptieren, gescheitert war, setzt er nun erneut darauf, die Demonstrationen mit verschärfter Repression zu unterdrücken. Die Proteste haben sich bisher nicht beruhigt und die Wirtschaftssektoren und die reaktionäre Rechte machen dahingehend Druck, die Unzufriedenheit mit verstärktem Einsatz von Prügel aufzulösen.

Der Präsident teilte mit, dass er in der ersten Dezemberwoche eine Gesetzesvorlage in den Kongress einbringen werde, welche es ermöglichen soll, die Streitkräfte auch ohne ein Ausrufen des Ausnahmezustands auf die Straße zu schicken. Die Maßnahme soll dazu dienen, eine Zusammenarbeit mit den Carabineros in kritischen Punkten der Grundversorgung, der Sicherheit und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung zu ermöglichen. Auf diese Weise könnte er die vor einigen Tagen erfahrene Zurückweisung umgehen, als sich der von ihm einberufene Nationale Sicherheitsrat (COSENA) um die Hauptvertreter*innen der Abgeordnetenkammer und der Sicherheitskräfte weigerte, den Ausnahmezustand erneut auszurufen. Die Legalisierung des Einsatz von Militärs auf den Straßen würde durch das ebenfalls in den Kongress eingebrachte Projekt zur Modernisierung der Polizei und der Nachrichtendienste der Polizei ergänzt, das Vermummung von Demonstrant*innen und den Bau von Barrikaden bei Protesten unter Strafe stellen soll.

Auch wird berichtet, dass die Carabineros durch die Aufnahme neuer und dem Wiedereintritt bereits pensionierter Beamt*innen aufgestockt werden. In den nächsten 60 Tagen sollen vermehrt neue Beamt*innen in den Staatsdienst eingeführt und so 4.354 zusätzliche Polizeikräfte auf den Straßen eingesetzt werden. In Strategiefragen werden die "Carabineros de Chile ab dieser Woche den Rat der Polizei von England, Spanien und Frankreich erhalten", sagte der Präsident. Mit dieser Initiative solle versucht werden, "eine Analyse des Vorgehens, der Taktiken und Strategien vorzunehmen, die derzeit bei der Kontrolle der öffentlichen Ordnung angewendet werden", sagte Innenminister Rodrigo Ubilla.


Die Rechte zielt auf die Schüler*innen

Bildungsministerin Marcela Cubillos kündigte zudem an, dass sie einen Gesetzesentwurf vorlegen wird, der darauf abzielt, politische Tendenzen und "politische Indoktrination" innerhalb von Schulen als schwerwiegenden Verstoß gegen die schulischen Richtlinien zu verbieten. Die Gesetzesinitiative hat zum Ziel, die Klassenzimmer unter Überwachung zu stellen. Seit dem Jahr 2000 sind Schüler*innen immer wieder Protagonist*innen von Protesten. Auch die jetzigen sozialen Unruhen hatten sie mit der Umgehung von Zahlungen im Transportsystem und dem kreativen Slogan "Evadir, no pagar - otra forma de luchar!" (auf Deutsch etwa: "Umgehen, nicht bezahlen - auch eine Art zu kämpfen!") begonnen. Um die Politisierung von Bildungseinrichtungen einzudämmen, sollen Schulvertreter*innen mit dem Verweis auf die "Rechte des Kindes" sanktioniert und bestraft werden können. Auch soll Schulen der Verlust der offiziellen Anerkennung drohen. Das Projekt wird in der Bildungskommission des Kongresses vorgestellt. Bisher sind bei der obersten Bildungsaufsicht 28 Beschwerden über Gesänge in Schulen eingegangen, die sich gegen Präsident Sebastián Piñera oder die Carabineros richteten. Die Ministerin sagte, das Projekt beruhe auf Artikel 19 Punkt 11, in dem verankert sei, dass "amtlich anerkannte Bildung nicht dazu genutzt werden darf, jegliche parteipolitische Tendenz zu verbreiten."


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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. November 2019

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