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NAHOST/1001: Syrien - Bosnische Muslime unterstützen Rebellen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 5. August 2013

Syrien: Bosnische Muslime unterstützen Rebellen

von Vesna Peric Zimonjic


Bild: © Karlos Zurutuza/IPS

Mann vor dem Polizei-Kontrollpunkt in Gundik Shalal im Nordosten Syriens
Bild: © Karlos Zurutuza/IPS

Belgrad, 5. August (IPS) - Für manche muslimische Familien auf dem Balkan ist der Fastenmonat Ramadan in diesem Jahr ein trauriges Fest. Sie trauern um Söhne, Ehemänner oder Brüder, die im Bürgerkrieg in Syrien gefallen sind, wo sie auf der Seite der Rebellen kämpften.

Ein Opfer ist Muaz Sabic, der vor zwei Monaten im Alter von 41 Jahren nahe Aleppo getötet wurde. Seine Familie, die in dem kleinen Dorf Puhovac nahe der zentralbosnischen Stadt Zenica wohnt, hat erst vor kurzem von seinem Tod erfahren. Muaz war offenbar Mitglied einer Einheit junger Muslime aus verschiedenen Ländern, die nach Syrien gingen, um gegen das Regime von Präsident Baschar al-Assad zu kämpfen.

"Es war seine Wahl", sagt Muaz' Bruder Ilijas Sabic. "Er war ein Bauer, lebte mit unserer Mutter im Dorf und produzierte Honig." Mehr will Sabic nicht erzählen, denn Journalisten traut er nicht über den Weg.

Bosnischen Medien hatte er berichtet, sein Bruder sei im März gemeinsam mit jungen Männern aus seiner Region von Sarajevo nach Istanbul gefahren. Den Berichten zufolge soll er zu einer Gruppe von 52 bosnischen Salafisten gehört haben, die sich von dort aus nach Syrien begeben haben. Freiwillige aus Bosnien haben sich demnach in der türkischen Stadt Antakya getroffen, um bei Bab el Hawa illegal die Grenze zu dem Nachbarland zu überschreiten.


Geschätzte 300 Balkan-Muslime in Syrien

Schätzungsweise 300 Muslime aus der Balkanregion kämpfen derzeit in Syrien. Sie kommen nicht nur aus Bosnien, sondern auch aus Albanien, Montenegro und Serbien. Neue Freiwillige sammeln sich in der syrischen Stadt Sarmada, wo sie für den Kampf in den Reihen der Rebellenbewegung 'Freie Syrische Armee' vorbereitet werden. Die meisten schließen sich der Einheit 'Al-Nusra' an, die von den USA, Großbritannien und den Vereinten Nationen als Terrororganisation mit Verbindungen zu Al Qaeda eingestuft wird.

Der Salafismus ist eine Bewegung innerhalb des sunnitischen Islams, der für eine Rückkehr zu ursprünglichen Glaubenswerten eintritt. Er zielt darauf ab, das moderne muslimische Leben von westlichen Einflüssen zu reinigen.

Bosnische Muslime sind Sunniten, die ihre Religion nach dem Bürgerkrieg von 1992 bis 1995 wiederentdeckt haben. Dem bewaffneten Konflikt fielen mehr als 10.000 Menschen zum Opfer. Die meisten waren Muslime. Die Rückbesinnung auf den Islam wurde von Hilfsorganisationen in arabischen Staaten vehement unterstützt. Vor allem Saudi-Arabien, wo die mit den Salafisten verbundenen Wahhabiten den größten Einfluss ausüben, engagierte sich stark auf dem Balkan.

Laut einem früheren hochrangigen Beamten der Sicherheits- und Polizeibehörde (Sipa) von Bosnien und Herzegowina ist der 37-jährige Bajro Ikanovic einer der Anwerber, der junge bosnische Muslime nach Syrien bringt. 2007 wurde er von einem Gericht in Sarajevo wegen Terrorismus zu acht Jahren Haft verurteilt. In seinem Haus in Hadzici bei Sarajevo wurde ein Sprengstofflager gefunden.


'Weiße Al Qaeda'

Zum Zeitpunkt des Prozesses wurden kaukasisch aussehende islamische Extremisten, die in den Terrorismus verwickelt waren, die 'weiße Al Qaeda' genannt. Ikanovic kam nach vier Jahren frei und begann danach, Freiwillige für den Kampf in Syrien anzuwerben.

In einem auf der Website www.putvjernika.com veröffentlichten Interview erklärte Ikanovic, dass "der Unterschied zwischen uns und anderen Revolutionären darin besteht, dass wir fest von der Rechtschaffenheit des Islams als einzigem wahren Weg überzeugt sind. Es ist der einzige Weg, auf dem Männer wieder normal werden können. Ich mache mir keine Sorgen, was aus meinen Kindern wird. Wir überlassen sie dem Gesetz Allahs, und wir werden stolz auf unsere Taten sein und darauf, dass wir so leben, wie wir es wollen."

Muaz Sabic war nicht das einzige Todesopfer in Syrien, das vom Balkan stammte. Auch zwei junge Männer aus der südserbischen Stadt Novi Pazar starben im Mai in dem Bürgerkriegsland. Ihr Tod wurde im Internet gepriesen. Die beiden Männer, die unter ihren Kampfnamen 'Abu Bera' und 'Abu Merdia' bekannt waren, wurden getötet, als sie Häftlinge aus dem Al-Safira-Gefängnis nahe Aleppo befreien wollten.

Wie der ehemalige Sipa-Beamte erklärte, hatten Dschihad-Kämpfer, die im Bosnienkrieg ihre muslimischen Brüder gegen die Serben und Kroaten verteidigt hatten, ihre Ideologie und ihre Gewohnheiten in die Region gebracht. "Für einige junge Männer war dies eine Offenbarung, der letzte Mosaikstein, der ihnen auf einmal gezeigt wurde. Es gibt aber keine Anzeichen für eine Einflussnahme im großen Stil."

Einige Bewohner von Sarajevo sind anderer Meinung. "Mehr Menschen als je zuvor kommen in Moscheen zusammen. Sie hören, wie die Imame Solidarität fordern und über das Leid der Muslime in Syrien und anderswo auf der Welt sprechen", berichtet ein Einheimischer.

"Es ist kein Geheimnis, dass die jungen Männer Geld dafür kriegen, wenn sie nach Syrien oder in andere Kriegsgebiete gehen", sagt er. So erhielten die Kämpfer monatlich etwa 600 US-Dollar. "Diejenigen, die hier bei uns kaum etwas verdienen, sehen eine neue Chance. Denn die Arbeitslosigkeit liegt bei fast 45 Prozent. In der Lage sind 600 Dollar im Monat eine Menge Geld. " (Ende/IPS/ck/2013)


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http://www.ipsnews.net/2013/08/balkans-feed-the-syria-battle/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. August 2013