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NAHOST/1002: Irak - Zum Kampf bereit, kurdische Kriegsveteranen wollen Brüdern in Syrien helfen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 8. August 2013

Irak: Zum Kampf bereit - Kurdische Kriegsveteranen wollen Brüdern in Syrien helfen

von Karlos Zurutuza


Bild: © Karlos Zurutuza/IPS

Kurdische Veteranen wollen im Irak wieder zu den Waffen greifen
Bild: © Karlos Zurutuza/IPS

Suleymania, Irak, 8. August (IPS) - "Als die Islamisten verkündet haben, dass Gott die Tötung von Kurden im Syrien billigt, mussten wir etwas tun", sagt Farouk Aziz Khadir. Der 60-jährige Kurde will wieder zu den Waffen greifen, um sein Volk in dem benachbarten Bürgerkriegsland zu verteidigen. Und er steht damit nicht allein.

Khadir, der neun Jahre lang als 'Peshmerga', als bewaffneter kurdischer Kämpfer, im Einsatz war, ist Vorsitzender der Veteranenvereinigung der Patriotischen Union Kurdistans (PUK). Aufgenommen werden nur diejenigen, die "bis 1991 gegen den Tyrannen gekämpft haben". Erst dann gelang es den Kurden, die Truppen des früheren Machthabers Saddam Hussein von ihrem Territorium zu vertreiben und die Grundlagen ihrer autonomen Region zu errichten.

Im Hauptstützpunkt der Vereinigung in Suleymania, 260 Kilometer nordöstlich von Bagdad, werden die wichtigsten Projekte für die in den Altersruhestand getretenen Peshmerga-Kämpfer besprochen. Das kurdische Wort Peshmerga bedeutet 'diejenigen, die dem Tod ins Auge sehen'.

"Wir sind etwa 2.300 Mitglieder, von denen die Hälfte bereit ist, mit den syrischen Kurden gegen Verbündete des Terrornetzwerks Al Qaeda zu kämpfen, die in ihr Land einfallen", sagt Khadir, dem im Büro neun Freiwillige helfen. Seit Beginn des Aufstands in Syrien im März 2011 wollen die Kurden in dem Staat einen 'dritten Weg' gehen, ganz klar gegen das Regime von Baschar al-Assad, jedoch ohne sich vollständig mit den arabischen Kämpfern zu verbinden.


Islamische Extremisten dringen in Kurdengebiete vor

Im Juli hat der Zustrom islamischer Islamisten in die Kurdengebiete im Norden Syriens drastisch zugenommen. Viele dieser Extremisten sollen angeblich Unterstützung von der Türkei erhalten, die sich wiederholt drohend zu einem weiteren kurdischen Autonomieprojekt entlang der südlichen Grenze geäußert hat. Kein Wunder, denn die Bestrebungen der Kurden im Irak sind Ankara bereits seit 20 Jahren ein Dorn im Auge.

Khadir nennt die Initiative der Veteranen ein "Notfall-Szenario", betont aber zugleich, dass sie nicht nur militärisch sei. "Jeder von uns hat die Hälfte seines Gehalts oder seiner Rente gespendet", berichtet er. "So haben wir 15.000 US-Dollar für unsere Brüder in Syrien zusammenbekommen. Wir haben auch humanitäre Hilfe wie Lebensmittel und Zelte geschickt."

Die Kurden hatten schon immer einen schweren Stand. Nachdem sie im Ersten Weltkrieg die Alliierten gegen das Osmanische Reich unterstützt hatten, erkannte der Vertrag von Sèvres 1920 ihr Anrecht auf einen eigenen Staat an. Das internationale Abkommen wurde jedoch nie ratifiziert und durch den Vertrag von Lausanne ersetzt, der das kurdische Territorium zwischen dem Irak, dem Iran, der Türkei und Syrien aufteilte. Die etwa 40 Millionen Kurden sind derzeit das größte staatenlose Volk der Welt.

Die autonome Kurdenregion im Irak kommt einem Staat der Kurden näher als die anderen Territorien. Die naheliegende Frage wäre, warum die Kurdenverwaltung in der Stadt Erbil nicht ihre besser ausgestatteten und jüngeren Soldaten, die den Veteranen zahlenmäßig überlegen sind, den syrischen Kurden zur Hilfe schickt. "Erbil steht unter enormen Druck des Iraks, der Türkei und der übrigen Mächte im Nahen Osten", sagt Dilshad Sharif, einer der Veteranen. "Unsere Gefühle dürfen nicht stärker sein als unser Verstand."

Die laufenden Friedensverhandlungen zwischen Ankara und den Kurden in der Türkei stehen mit anderen sensiblen Themen an vorderster Stelle. Seit mehr als drei Jahrzehnten kämpft die kurdische Arbeiterpartei PKK gegen die türkische Regierung, um das Recht der Kurden auf ihre eigene Sprache und die Anerkennung des Volks in der Verfassung durchzusetzen.

Die Kandil-Berge im nördlichen Irak sind zurzeit die Hochburg der bewaffneten Gruppe. Die Beziehungen zwischen der Türkei und den Kurden im Irak werden dadurch erheblich belastet. "Ich bin sehr stolz auf die Guerilla-Kämpfer der PKK. Mir tut es nur leid, dass ich nicht jünger bin und mit ihnen in die Berge gehen kann", sagt Derwish Abdala. Fernsehbilder von der Kurdenguerilla in der Türkei versetzen ihn in seine Jugend in den 1980er Jahren zurück.


Kurden auch im Iran verfolgt

Auch im Iran ist die Lage der Kurden schwierig. Der PKK-Funktionär Sabri Ok sagte kürzlich bei einem Besuch in den Kandil-Bergen, dass die Guerillabewegung zwischen dem Iran und der iranischen Untergrundorganisation Partei für ein freies Leben in Kurdistan, die Stützpunkte im Nordirak hat, vermittelt habe. Ein Waffenstillstand zwischen beiden Seiten stehe bevor.

Die Kurden im Iran bleiben aber misstrauisch. "Was können wir von einer theokratischen Regierung erwarten, die unsere Leute öffentlich aufhängt, nur weil sie Kurden sind?", fragt Havre Ahmed. Die Menschenrechtsorganisation 'Amnesty International' spricht in ihrem Jahresbericht für 2013 von Massenfestnahmen und "mindestens 63 öffentlichen Hinrichtungen" von Kurden und Angehörigen anderer Minderheiten im Iran.

Die Veteranen im Irak sehen dennoch Grund zur Zuversicht. Ende Juli versammelten sich in Erbil Vertreter der auf die vier Länder verteilten Kurden, um die für den 24. August in der Stadt geplante Kurdische Nationalkonferenz vorzubereiten. (Ende/IPS/ck/2013)


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http://www.ipsnews.net/2013/08/troubled-kurds-draw-closer/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. August 2013