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NAHOST/1059: Israel - Pakt mit syrischen Rebellen, Strategie könnte nach hinten losgehen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 17. Juni 2015

Israel: Pakt mit syrischen Rebellen - Gefährliches Strategiespiel könnte nach hinten losgehen

von Mel Frykberg


Bild: © Mel Frykberg/IPS

Bewohner des Gazastreifens feiern den 'Sieg' über Israel nach dem Krieg im letzten Jahr
Bild: © Mel Frykberg/IPS

RAMALLAH, WESTJORDANLAND (IPS) - Israel treibt ein tödliches Spiel des Teilens und Herrschens, das auf lange Sicht nach hinten losgehen könnte. Gefahr droht insbesondere von der Terrororganisation Islamischer Staat (IS), der in den Nachbarländern an Stärke gewinnt und den israelischen Grenzen immer näher kommt.

Um zu verhindern, dass sich der Gazastreifen zu einem Pulverfass entwickelt, führt Israel derzeit unter Vermittlung der UN, der Europäer und Katar außer der Reihe inoffizielle Gespräche mit der Hamas, die von Israel als 'Terrororganisation' bezeichnet wird. Israel hatte die Entstehung der Hamas in den 1980er Jahren gefördert, um die Popularität der damals ebenfalls als Terrorgruppe eingestuften Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) zu schwächen.

In dem von der Hamas regierten Gazastreifen hat sich eine Salafistengruppe gebildet. Die sogenannten Omar-Brigaden nutzen die Feindschaft zwischen Hamas und Israel erfolgreich für eigene Ziele, um der Hamas zu schaden. Unmittelbar nach einem Raketenangriff der Omar-Brigaden auf den israelischen Teil der Wüste Negev Anfang des Monats schlugen die israelischen Streitkräfte (IDF) zurück und beschossen Militärziele der Hamas in den Küstengebieten, weil sie die Führung des Gazastreifens automatisch für Anschläge auf Israel verantwortlich machen.

"Wir haben erfahren, dass Israelis als Schachfiguren im tödlichen Spiel zwischen der Hamas und der rivalisierenden Salafistengruppe benutzt wurden", schrieb daraufhin Alison Kaplan Sommer, eine Kommentatorin der israelischen Tageszeitung 'Haaretz'. Die Salafisten seien nicht bereit, die Feuerpause, die die Spannungen zwischen Hamas und Israel seit dem letzten Gazakrieg klein gehalten hatte, einzuhalten. Ihnen sei die Hamas nicht religiös und nicht fundamentalistisch genug.


Israel instrumentalisiert

"Raketen auf Israel abzufeuern, zahlt sich für sie zweifach aus. Zum einen setzen sie damit ein Zeichen, wahre Dschihadisten zu sein, die sich [...] treu bleiben. Zum anderen haben sie eine exzellente Methode gefunden, indirekt gegen die sie unterdrückende Hamas vorzugehen. Warum sich die Mühe machen, die Hamas anzugreifen, wenn sich die Arbeit von Israel erledigen lässt?"

Doch die größte Gefahr für Israel könnte der IS werden. Israel verfolgt unterschiedliche Strategien, die IS-nahen Dschihadisten in Syrien zu unterstützten, um Israels Erzfeind Syrien zu schwächen. UN-Beobachter auf den Golanhöhen haben berichtet, dass Israel mit syrischen Oppositionskräften zusammenarbeitet. Es kommt demnach zu regulären Kontakten zwischen den IDF-Soldaten und syrischen Rebellen. Außerdem werden syrische Rebellen in israelischen Krankenhäusern behandelt.

In Reaktion auf den Vorwurf, dass es bei der Versorgung der syrischen Kämpfer nicht um Akte der humanitären Hilfe handelte, hatte Israel zunächst erklärt, dass es sich bei den Verletzten um Zivilisten gehandelt habe, die sich allein bis zur Grenze durchgeschlagen hätten. Doch später hieß es, dass man sich mit den bewaffneten Oppositionsgruppen abgesprochen habe.

"Zu Anfang hielt Israel an der Erklärung fest, ausschließlich Zivilisten zu versorgen", bestätigte das 'Globale Forschungszentrum für Globalisierungsforschung'. "Dann wurden Berichte bekannt, wonach die Minderheit der Drusen gegen die Hospitalisierung von verletzten syrischen Kämpfern der Al-Kaida-nahen Al-Nusra-Front in Israel protestiert habe."

In dem letzten Bericht, der an den UN-Sicherheitsrat weitergeleitet wurde, ist die Rede von zwei UN-Vertretern, die israelische Grenzsoldaten dabei beobachtet haben, wie diese auf den von Israel besetzten Golanhöhen ein Tor öffneten, um zwei unverletzte Personen in Rihctung Syrien passieren zu lassen.

Der syrische Botschafter bei den Vereinten Nationen beschwerte sich bereits über eine weitgefächerte Zusammenarbeit zwischen Israel und syrischen Rebellen. UN-Beobachter haben in einem im letzten Jahr verbreiteten Bericht geschildert, dass sie IDF-Soldaten dabei beobachtet hatten, wie sie von israelischer Seite aus bewaffneten Syrern auf syrischer Seite zwei Kisten aushändigten.


Langfristige Gefahr unterschätzt

Obwohl der IS eine Gefahr für Israel darstellt, ist es Israel offensichtlich daran gelegen, die Chance für eine Schwächung der iranischen und syrischen Militärkapazitäten zu nutzen. Als die USA mit Operationen gegen den IS begannen, verweigerte ein hochrangiger israelischer Militäroffizier seine Unterstützung und bezeichnete den Schritt als Fehler. Es sei einfacher, den Terrorismus (IS) im Frühstadium zu bekämpfen, als mit der Bedrohung durch den Iran und der Hisbollah fertig zu werden, erklärte der Mann, dessen Anonymität nicht preisgegeben wurde, gegenüber der Haaretz. "Ich bin der Meinung, dass der Westen zu früh und nicht unbedingt in die richtige Richtung interveniert hat."

Wie Samir Awad, Professor an der Birzeit-Universität in der Nähe von Ramallah erklärte, schaufelt sich Israel derzeit sein eigenes Grab. In dem Versuch, Syrien zu spalten, unterstütze Israel den IS. Doch diese Strategie werde sich rächen. Der IS, der an Stärke gewinne und bei seinem Siegeszug alle Gesellschaften zerstöre, werde sich irgendwann auch Israel zuwenden.

Es sei gut möglich, dass der IS die künftigen Regime, von denen sich Israel Unterstützung erhoffe, unterwerfen werde. Das könnte auch den syrischen Rebellen zustoßen, die für den Fall, dass der syrische Präsident Bashir al-Assad gestürzt werde, angeblich mit Israel Frieden schließen wollen.

Jacky Hugi, Analyst für arabische Fragen des israelischen Armeesenders 'Galie-Zahal', hat auf der Webseite des Online-Analyse-Dienstes 'Al Monitor' bestätigt, dass Israel auf Seiten der syrischen Rebellen steht. "Wir sollten die Illusion begraben, dass es 'nach Assad' eine weltliche und liberale Alternative geben wird. Die Extremistenverbände sind die dominantesten Fraktionen im heutigen Syrien", warnt er. "Jede übrig bleibende Lücke wird von ihnen und nicht von den moderaten Rebellen geschlossen."

Wie die politische Analystin Benedetta Berti vom Israelischen Institut für nationale Sicherheitsstudien berichtet, kontrolliert Israel insbesondere seine nördliche Grenze und die Golanhöhen. "Israel ist der Meinung, dass von den Rebellen keine aktuelle Bedrohung ausgeht, weil sie so stark in den syrischen Krieg involviert sind", so Berti gegenüber IPS. "Doch das könnte sich zu einem späteren Zeitpunkt ändern. Dann könnten syrische Rebellen durchaus interessiert daran sein, Israel von dessen nördlicher Grenze aus anzugreifen." (Ende/IPS/kb/17.06.2015)


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/06/israels-deadly-game-of-divide-and-conquer-backfiring/

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IPS-Tagesdienst vom 17. Juni 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Juni 2015

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