Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → AUSLAND

NAHOST/611: Kriegstrommeln in Israel (jW)


junge Welt - Die Tageszeitung - Ausgabe vom 5. Februar 2010

Kriegstrommeln in Israel

Politiker in Tel Aviv und Medien sprechen immer öfter davon,
den Gazastreifen erneut militärisch zu überfallen.
Haaretz: »Der Countdown läuft!«

Von Karin Leukefeld


Der syrische Präsident Baschar Al-Assad ist überzeugt, daß Israel nicht ernsthaft an Frieden interessiert ist. Alle Tatsachen deuteten darauf hin, daß dieses Land die Region in einen neuen Krieg stürzen wolle sagte er bei einem Gespräch mit dem spanischen Außenminister Miguel Moratinos am Mittwoch in Damaskus. Bei einer Pressekonferenz mit seinem spanischen Amtskollegen forderte der syrische Außenminister Walid Muallim Tel Aviv auf, seine Drohungen gegen Gaza, den Libanon, Iran und Syrien zu unterlassen. Israel schaffe in der Region eine »Kriegsatmosphäre«, so Muallim und verwies auf Äußerungen von dessen Verteidigungsminister Ehud Barak. Dieser hatte Anfang der Woche vor israelischen Militärs erklärt, das fehlende Friedensabkommen mit Damaskus werde zu einem »neuen, gewaltsamen Konflikt« in der Region führen. Die Israelis sollten »Syrien nicht provozieren«, so Muallim. »Ihr wißt, daß der Krieg eure Städte nicht verschonen wird.« Moratinos erklärte hingegen, er habe »keine Kriegstrommeln in Israel gehört«, vielmehr spreche man dort vom Frieden.

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zeigte sich am Mittwoch optimistisch, daß der Friedensprozeß mit den Palästinensern »ohne Vorbedingungen in den kommenden Wochen« wieder aufgenommen werden könne. US-Sondervermittler George Mitchell hatte Ende Januar auf beiden Seiten dafür geworben, eine »Atmosphäre« für die Wiederaufnahme von Gesprächen zu schaffen. Palästinensischen Quellen zufolge sollen die Israelis ihre militärischen Operationen in der sogenannten »Zone A« der besetzten Westbank einstellen, dieses Gebiet steht offiziell vollständig unter Kontrolle der Palästinensischen Autonomiebehörde. Das israelische Militär solle sich auch aus Teilen der »Zone B« zurückziehen, die teilweise unter palästinensischer Kontrolle steht. Zudem sollten palästinensische Sicherheitskräfte in der »Zone C« operieren dürfen, die vollständig unter israelischer Militärkontrolle ist.

Zwar verknüpft der palästinensische Präsident Mahmud Abbas offiziell noch immer die Wiederaufnahme von Gesprächen mit einem völligen Stopp des Siedlungsbaus. Doch das hinderte seinen amtierenden Ministerpräsidenten Salam Fayyad nicht daran, neben Netanjahu und Barak auf der Herzlya-Konferenz Anfang der Woche zu sprechen und sich mit letzterem offiziell zu treffen. Die viertägige Konferenz ist bekannt als Plattform, auf der die zukünftige Politik Tel Avis erörtert wird und versammelt hochrangige israelische Redner aus Wirtschaft, Politik und Militär. Hamas-Sprecher Sami Abu Zuhri kritisierte die Teilname Fayyads scharf. Sie zeige, daß »die Palästinenserbehörde ihre Projekte mit den Interessen und der Politik Israels verknüpft«.

»Der Countdown für einen zweiten Krieg im Gazastreifen läuft«, schrieb derweil der israelische Kolumnist Bradley Burston in einem Beitrag der Tageszeitung Haaretz. Und Generalmajor Yom-Tov Samia vertrat wenige Tage später im Armeesender die Ansicht, die israelischen Truppen müßten ein weiteres Mal in den Gazastreifen einmarschieren und den 14 Kilometer langen Philadelphia-Korridor an der Grenze zu Ägypten besetzen. Dort verlaufen Hunderte Tunnel, die Lebensader der eingesperrten Palästinenser, die diese wohl kaum kampflos aufgeben würden. Eine solche Gefechtsrunde würde heftiger verlaufen und dauerhafte Ergebnisse einschließlich der Wiederbesetzung des Gazastreifens erzielen, so Samia. Um die Kampfbereitschaft seiner Truppe unter Beweis zu stellen, hat Israel am Montag Militärübungen in der Negev-Wüste begonnen. Die Armee müsse auf einen Krieg vorbereitet sein, sagte der Generalstabschef Gabi Ashkenazi.


*


Quelle:
junge Welt vom 05.02.2010
mit freundlicher Genehmigung der Autorin und der Redaktion
Überregionale Tageszeitung junge Welt
Torstraße 6, 10119 Berlin
Telefon: 030/53 63 55-0; Fax: 030/53 63 55-44
E-Mail: redaktion@jungewelt.de
Internet: www.jungewelt.de

Einzelausgabe: 1,20 Euro (Wochenendausgabe: 1,60 Euro)
Abonnement Inland:
monatlich 29,70 Euro, vierteljährlich 86,40 Euro,
halbjährlich 171,00 Euro, jährlich 338,50 Euro.
Sozialabo:
monatlich 22,90 Euro, vierteljährlich 66,60 Euro,
halbjährlich 131,90 Euro, jährlich 261,00 Euro.


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Februar 2010