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NAHOST/629: Wütende Verbündete - London weist einen israelischen Diplomaten aus (jW)


junge Welt - Die Tageszeitung - Ausgabe vom 25. März 2010

Wütende Verbündete
Nach dem Mord an einem Hamas-Mitglied in Dubai weist London einen israelischen Diplomaten aus

Von Karin Leukefeld


Katar - Im Streit um den Mord an einem hochrangigen Hamas-Mitglied in Dubai hat Großbritannien am Dienstag einen israelischen Diplomaten des Landes verwiesen. Damit zog die Regierung in London Konsequenzen aus der Fälschung britischer Pässe, die im Januar von Mitgliedern einer israelischen Todesschwadron für den Mord an Mahmud Al-Mabhouh mißbraucht worden waren. Dieser war von dem Kommando in seinem Hotel in Dubai regelrecht hingerichtet worden. Über Interpol wurden inzwischen 27 Verdächtige zur Fahndung ausgeschrieben, die mit den gefälschten Pässen nach Dubai eingereist und in den Mord verwickelt gewesen sein sollen. Ohne den israelischen Geheimdienst Mossad beim Namen zu nennen, beschuldigte der britische Außenminister David Miliband in seltener Deutlichkeit Israel, den Mord organisiert und durchgeführt zu haben und dafür die Identitäten von zwölf britischen Staatsangehörigen »gestohlen« zu haben. Der israelische Außenminister Avigdor Lieberman »bedauerte« die Ausweisung des Diplomaten, der Medienberichten zufolge für den Geheimdienst gearbeitet haben soll. Laut der israelischen Internetzeitung Ynet wurde bereits ein Nachfolger benannt. Die Hamas begrüßte die Entscheidung der britischen Regierung, forderte aber gleichzeitig, daß sich die in der israelischen Regierung vermuteten Auftraggeber für den Mord gerichtlich verantworten müßten.

Miliband sagte weiter, die britische Regierung nehme den Vorfall »extrem ernst«, zumal »ein befreundeter Staat auf diese Weise operiert« habe. Einen »größeren Vertrauensbruch gibt es nicht«, ein solcher Mißbrauch britischer Pässe sei »nicht zu tolerieren«. Die betroffenen Paßinhaber seien bis auf einen bereits mit neuen, fälschungssicheren Papieren ausgestattet worden. Britische Staatsangehörige, die nach Israel reisen, wurden offiziell gewarnt, ihre Pässe nicht aus den Augen zu lassen oder Dritten zu übergeben, vor allem wenn sie nicht fälschungssicher mit biometrischen Daten ausgestattet seien. Auch Frankreich, Irland und Australien haben Ermittlungen eingeleitet, da die Mörder Al-Mabhouhs ebenfalls gefälschte Papiere aus diesen Staaten benutzt hatten. Offiziell besteht Israel weiterhin darauf, daß es für die Verwicklung des Mossad in den Mord keine Beweise gebe.

Es ist nicht das erste Mal, daß Israel seine Geheimdienstagenten mit gefälschten Pässen von Bündnispartnern ausgestattet hat. 1987 war in einer Telefonzelle im damaligen Westdeutschland eine Tasche mit acht gefälschten britischen Pässen sichergestellt worden, die offenbar für den Mossad bestimmt waren. Israel versprach damals, es solle nicht wieder vorkommen. Unter Diplomaten gilt es jedoch als offenes Geheimnis, daß der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) Mossad-Kollegen mit deutschen Pässen für Staaten wie beispielsweise den Iran ausstattet, zu denen Israel offiziell keinen Zutritt hat.

In Katar hat derweil Ministerpräsident Scheich Hamad bin Jassim bin Jabor Al-Thani verlangt, die USA müßten endlich konsequent gegen Israel vorgehen. Er forderte Washington auf, bei künftigen Debatten im UN-Sicherheitsrat nicht von ihrem Vetorecht Gebrauch zu machen, um Israel zu schützen. Statt dessen müßten die Palästinenser gestärkt werden. Hinsichtlich der angeblichen Bedrohung Israels durch das iranische Atomprogramm erklärte Jassim, es müsse mit Teheran geredet werden, um die Spannung, die über dem ganzen Mittleren Osten läge, zu lösen. Neue Sanktionen gegen den Iran würden jedoch »keine positiven Ergebnisse bringen.« Im Westen wisse man sehr wohl, dass Katar intensiv mit der Türkei, Syrien und anderen Staaten in Verbindung stehe, um den Streit um das iranische Atomprogramm zu lösen.


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Quelle:
junge Welt vom 25.03.2010
mit freundlicher Genehmigung der Autorin und der Redaktion
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. März 2010