Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → AUSLAND

NAHOST/703: Libanon - Dinieren mit Blick auf Stacheldraht, Unternehmer im Süden setzen auf Frieden (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 11. Oktober 2010

Libanon:
Dinieren mit Blick auf Stacheldraht - Unternehmer im Süden setzen auf Frieden

Von Mona Alami


Khiam, Libanon, 11. Oktober (IPS) - Das Grenzgebiet zwischen dem Libanon und Israel ist eines der gefährlichsten der Welt, spätestens seitdem die Hisbollah-Milizen von dort Angriffe auf Israel führen. Ausgerechnet hier entsteht ein 20-Millionen-Dollar-Ferienkomplex - ungeachtet gelegentlicher Probleme mit der israelischen Armee.

Der Fluss Wazzani markiert die Grenze zwischen dem Libanon und Israel, hier verläuft die so genannte Blaue Linie, die die Vereinten Nationen gezogen haben, um den Abzug Israels zu überwachen. Von 1978 bis 2000 hielt die israelische Armee den Süden des Landes besetzt.

Jetzt erhebt sich eine moderne Festungsanlage am Fluss, die israelischen Soldaten schauen von der anderen Seite verdutzt zu, wie Bauarbeiter Marmorböden verlegen und künstliche Wasserfälle bauen.

Khalil Abdallah und seine Schwester Zahra lassen in Sichtweite des Stacheldrahts eine Öko-Lodge hochziehen auf ihrem Familienbesitz von rund 50.000 Quadratmetern. "Es war immer der Traum meines Vaters, auf unserem Boden ein Touristikprojekt zu errichten", sagt Zahra. Möglich wurde es schließlich durch das Vermögen, das ihr Bruder in der Baubranche in der Côte d'Ivoire gemacht hat."


Dinieren am Stacheldraht

Teil der Lodge wird das Restaurant 'Les Pieds dans l'Eau' (Füße im Wasser), in dem die Gäste buchstäblich ihre Zehen beim Essen ins Wasser des Flusses tauchen können. Außerdem wird es luxuriöse Chalets und Villen, ein Hotel und mehrere Swimmingpools geben.

Geplant sind auch zwei Gebäude, die wie eine Moschee und eine Kirche gebaut sind. "Wir wollten diese Symbole beider Weltreligionen in das Projekt integrieren, um die Offenheit der Region zu versinnbildlichen. Später werden wir noch eine echte Kirche und eine Moschee bauen", sagt Zahra.

Dann sollen 60 Chalets auf dem Areal stehen, beginnen wollen die Geschwister mit 16. Sie sehen große Nachfrage in der Region. "Die Menschen hier im Süden haben keine großen Anlagen wie in anderen Landesteilen, wo sie eine Hochzeit feiern, zum Abendessen ausgehen oder ein paar entspannte Tage verbringen können", sagt Zahra. "Der Süden ist touristisch noch sehr unterentwickelt."

Später soll auch noch ein zweites Hotel entstehen, komplett mit Konferenzzentrum und einem sich drehenden Restaurant, umgeben von 15 Villen. Zwei Pools, ein Spielplatz, ein Tennisplatz und eine Reitanlage sind bereits im Bau. "Das Grundstück allein hat jetzt einen Marktwert von 7,5 Millionen Dollar", so die Bauherrin. "Das Projekt wird insgesamt rund 20 Millionen wert sein. Bis jetzt haben wir 3,5 Millionen investiert."


Trotz, keine Angst

Vor einem Wiederaufflammen des Kriegs mit Israel hat sie keine Angst. "Der Konflikt 2006 hat gezeigt, dass es hier im Süden jetzt eine neue Machtbalance gibt. Unser Projekt ist auch ein Stück weit Trotz. Die Entwicklung hier anzukurbeln ist eine friedliche Art des Kampfes gegen Israel."

Aber auch sie muss zugeben, dass die Nähe zur Grenze nicht ohne Probleme ist. Die israelischen Soldaten gehen am gegenüberliegenden Ufer des Wazzani Streife. Teil des Familienbesitzes sei dort, sagt Zahra, und die israelische Armee lasse ihre syrischen Arbeiter oft nicht passieren.

Der stellvertretende Bürgermeister des Dorfes Khiam, zu dem das Projektgrundstück gehört, sieht positive Auswirkungen durch die Arbeitsplätze, die für die Menschen in den umliegenden Siedlungen geschaffen werden. Mohamad Rida Abdallah geht von einer Arbeitslosenrate von gegenwärtig 20 Prozent in der Region aus. 100 Arbeitsplätze sollen gleich am Anfang entstehen.

In Khiam selbst baut ein Verwandter von Zarah und Khalil Abdallah noch ein Vier-Sterne-Hotel. "Wir können nicht in Furcht vor einem weiteren Krieg mit Israel verharren", sagt Mohamad Ali Abdallah, der hier drei Millionen Dollar investiert. "Wir müssen Fortschritt schaffen."

Bei all dem Optimismus sind doch die israelischen Panzer nicht zu übersehen, die wie in Lauerstellung jenseits der Grenze stehen. Wenn der Frieden hält, der eigentlich nur ein Waffenstillstand ist, kann der Südlibanon ein lohnendes Ziel für Touristen werden. Bricht der Krieg wieder aus, sind sie direkt in der Schusslinie. (Ende/IPS/sv/2010)


Link:
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=53088

© IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH


*


Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 11. Oktober 2010
IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 28 482 361, Fax: 030 28 482 369
E-Mail: redaktion@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Oktober 2010