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NAHOST/708: Bahrain - Parlamentskandidatinnen lassen sich nicht abschrecken (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 19. Oktober 2010

Bahrain:
Streitbare Minderheit - Parlamentskandidatinnen lassen sich nicht abschrecken

Von Suad Hamada


Manama, 19. Oktober (IPS) - Bei Wahlen im arabischen Königreich Bahrain bewerben sich immer weniger Frauen um öffentliche Ämter. Die Kandidatinnen jedoch, die bei den Parlaments- und Kommunalwahlen am 23. Oktober antreten, lassen sich jedoch von diesem Trend nicht entmutigen. Ihnen geht es vor allem darum, in der männerdominierten Gesellschaft ihres Landes Präsenz zu zeigen.

"Unser Anliegen ist schon längst nicht mehr, unbedingt ein Mandat zu gewinnen", erklärte die Vorsitzende des Frauenverbands von Bahrain, Mariam Al Ruwei, die ebenfalls einen Sitz im Parlament anstrebt. "Allen Widrigkeiten zum Trotz versuchen wir, in der männerorientierten Gesellschaft Zeichen zu setzen."

Seit Bahrain 2002 ein demokratisch regiertes Königreich wurde, haben Frauen die gleichen politischen Rechte wie Männer. Obwohl sich schon bei den letzten beiden Wahlen Kandidatinnen aufstellen ließen, zog bisher nur eine, Latifa Al Quod, ins Parlament ein.

Beobachter vermuten, dass sich Frauen durch die geringen Erfolgsaussichten abschrecken ließen. An den Voraussetzungen kann es nicht liegen, denn viele politische Parteien des Landes haben weibliche Mitglieder. Dennoch sind bei den Kommunalwahlen in diesem Jahr unter den 182 Kandidaten lediglich drei Frauen. 2006 war das Verhältnis fünf zu 171 gewesen, während vor acht Jahren 34 Frauen mit 266 Männern konkurrierten.


Bisher nur eine einzige Frau im Parlament

Um einen Sitz im Parlament hatten sich 2002 acht Frauen beworben, unter ihnen auch Al Quod, die allerdings verlor. 2006 trat sie erneut mit 17 weiteren Mitstreiterinnen ab. Da sie keinen Gegenkandidaten hatte, wurde sie als Repräsentantin der unbewohnten Insel Hawar gewählt. Immerhin ist Al Quod die erste und bisher die einzige Frau, die ein Mandat in der Volksvertretung errang.

In diesem Jahr treten bei den Parlamentswahlen nur noch neun Kandidatinnen an. Al Quods Sitz wurde bereits im September automatisch bestätigt, da niemand sonst für diesen Wahlbezirk antrat. Frauenrechtlerinnen riefen nun die Bahrainerinnen dazu auf, stärker in den Vordergrund zu treten und Frauen eine bessere Präsenz in der Politik zu sichern.

Muneera Fakhro ist die einzige Bewerberin, die eine Partei im Rücken hat. Sie habe großen Respekt vor Al Quod, die eine streitbare Abgeordnete sei, sagte sie. Dennoch könne man ihr Abschneiden bei den Wahlen nicht als "Sieg" bezeichnen. "Wir Frauen werden erst dann etwas erreicht haben, wenn wir in einem Wahlkreis mit Einwohnern gewinnen", erklärte Fakhro, deren Einzug ins Parlament 2006 misslang.

Die Wissenschaftlerin Mona Abas machte in einer kürzlich abgehaltenen Lehrveranstaltung Islamisten für die weitgehende Erfolglosigkeit von Kandidatinnen bei Wahlen verantwortlich. Andere Beobachter meinen, dass in der patriarchalischen Gesellschaft in Bahrain selbst gut ausgebildete Frauen nach wie vor der Ansicht seien, dass ihr Platz zu Hause sei.

Einige Parteien im Land sprechen sich auch klar gegen Frauen in Wahlämtern aus. Die konservative 'Al Asala'-Islamgesellschaft will nach eigenen Angaben keine Kandidatinnen unterstützen, um nicht gegen "islamische Prinzipien" zu verstoßen.

"Wenn Frauen ins Parlament kämen, würden wir mit ihnen zusammenarbeiten", beteuerte zwar der Parteivorsitzende Ghanim Al Buaneen im Gespräch mit IPS. Zugleich unterstrich er aber, dass seine Partei Frauen, die nach einem politischen Amt streben, keinen Rückhalt bieten würde. "Zehn Prozent unserer Mitglieder sind weiblich, und niemand von ihnen hat jemals kandidieren wollen."

Andere Parteien gaben sich nach außen hin zwar toleranter, stellten letztlich aber auch nur Männer auf. Der Generalsekretär der 'Al Wefaq'-Partei, Ali Salman, rechtfertigte die rein männlich besetzte Wahlliste damit, dass aufgrund der politischen Lage Stimmenverluste zu befürchten wären, sollten sich Frauen zur Wahl stellen.

Der Wähler Jamal Tulifat hat noch eine andere Erklärung. "Wenn Frauen nicht gewählt werden, steckt oft die Angst dahinter, dass sie sich im Parlament auf Gleichstellungsfragen konzentrieren und die großen politischen Themen beiseite lassen", sagte er. "Auf Wahlveranstaltungen hören wir von den Frauen immer nur, dass sie misshandelt werden und Unterstützung brauchen. Wir wollen aber Abgeordnete, sie sich mit allen Aspekten des Landes befassen." Doch derartige Vorwürfe werden allein schon durch Al Quod entkräftet, die sich vor allem mit Finanzgesetzen beschäftigt.


Frauenquote gefordert

Die Aktivistin Fawziya Zainal fordert nun eine Frauenquote, um die politische Teilhabe von Frauen am Gesetzgebungsprozess sicherzustellen. "Wir müssen zeigen, dass wir vertrauenswürdig sind. Ohne eine Quote, die in Jordanien und anderen Ländern bereits mit Erfolg eingeführt wurde, können wir das nicht schaffen."

Lulwa Al Waadhi, die Generalsekretärin des staatlichen Obersten Frauenrates, stellt sich jedoch gegen eine solche Regelung. Eine Quote verstoße gegen die Gleichbehandlung der Geschlechter und gebe Frauen mehr Privilegien als Männern, kritisierte sie.

Al Ruwei wiederum sieht die hohen Wahlkampfkosten als höchste Hürde. "Nicht alle Frauen können sich das leisten", meinte sie. Hoda Al Mutawa, die 2006 bei den Parlamentswahlen antrat, gab zu, dass sie noch immer Schulden zurückzahlen müsse. Doch ihre Entscheidung bereut sie bis heute nicht. "Als ich damals erfuhr, dass es in meinem Bezirk Muharraq keine einzige Frau für einen Sitz kandidierte, schob ich das Geldproblem beiseite und ließ mich registrieren." (Ende/IPS/ck/2010)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Oktober 2010