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NAHOST/738: Israel - weltgrößter Krankenhausbunker für den Notfall unter dem Meer (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 17. Dezember 2010

Nahost:
Unter dem Meer - Weltgrößter Krankenhausbunker für den Notfall

Von Jerrold Kessel und Pierre Kochendler


Haifa, Nordisrael, 17. Dezember (IPS) - Auf dem Gelände des Gesundheitszentrums von Rambam, der drittgrößten Stadt Israels, geht es zu wie in einem Bienenstock. Hier, in 30 Kilometer Entfernung zum Libanon, wird im Wettlauf mit der Zeit rund um die Uhr gearbeitet.

Israel baut derzeit das größte unterirdische Nothilfekrankenhaus der Welt. Das 100 Millionen US-Dollar teure Projekt soll spätestens im Mai 2012 fertig sein. Es ist Teil eines nationalen Plans, die Hospitäler des Landes vor Anschlägen mit konventionellen, biologischen oder chemischen Waffen zu schützen.


Multifunktionales Unterfangen

Der Ingenieur Ariye Berkovitz betreut die ungewöhnliche Baustelle. "Eine solche Struktur gibt es nirgendwo sonst auf der Welt", erklärt er stolz. "In normalen Zeiten dient das Ganze als dreistöckiges Parkdeck für 1.500 Fahrzeuge. Doch sobald eine Notlage entsteht, lässt es sich innerhalb von 48 Stunden in ein ausgeklügeltes unterirdisches und gegen konventionelle und unkonventionelle Waffen gefeites Krankenhaus mit 2.000 Betten umwandeln."

Der Klinikdirektor Rafael Beyar erinnert sich noch gut daran, als Rambam während des Kriegs mit der Hisbollah einen ganzen Monat unter Dauerraketenbeschuss stand. "Jeden Tag wurde mindestens zehn bis 15 Mal der Alarm ausgelöst und ungefähr 60 Raketen schlugen im Radius von einem Kilometer um unser Krankenhaus ein. Wir mussten unsere Patienten in den Keller verlegen, Teile des Hospitals evakuieren und sicherstellen, dass wir in der Notaufnahme weiter arbeiten konnten."

Die neue Einrichtung werde dafür sorgen, dass das Krankenhauspersonal auch bei Raketen und C-Waffenangriffen operieren kann, fügte er hinzu. Sobald es zu einem chemischen oder biologischen Anschlag komme, werde ein System aus Pumpen und Filtern die verseuchte Luft reinigen. Das Fundament wurde bereits im Oktober gelegt. 36 Stunden lang waren mehr als 1.000 Maurer im Einsatz. In diesem Winter sollen noch vier ähnliche Operationen durchgeführt werden.

Den Klinikbunker in der Nähe des Mittelmeeres zu erbauen, ist ebenfalls ungewöhnlich. "Was das Projekt so besonders macht, ist die Komplexität der geologischen und hydrologischen Planung", erläutert Berkovitz. Zwei der Parkdecks werden in vollständig funktionierende Krankenhauseinheiten unter dem Meeresspiegel umgewandelt. "Zu gegebenen Anlass, an 24 Stunden des Tages, können 100 Pumpen 12.000 Kubikmeter Seewasser aus einer Tiefe von zehn Meter unterhalb der Bodenplatten ableiten. Das brackige Grundwasser wird dann gefiltert, gereinigt und ins Meer zurückgepumpt", berichtet der Ingenieur.


Statische Herausforderung

In den kommenden 18 Monaten sollen das Fundament und das, was bereits darauf aufgebaut wurde, als Gegengewicht gegen den Druck und die Hebekräfte des Meeres wirken. Darüber hinaus werden horizontale und vertikale Dichtungsbahnen verhindern, dass Wasser eindringt.

Dem Ingenieur zufolge ist das Krankenhaus so konzipiert, dass es autark und eine nach außen hin abgeschlossene Einheit ist. "Wir werden in der Lage sein, genug Sauerstoff, Trinkwasser, Nahrungsmittel und medizinischen Nachschub zu lagern, damit ein von der Außenwelt abgeschlossenes Ärzteteam 24 Stunden am Tag seiner Arbeit unter den schwierigsten Bedingungen nachgehen kann."

Wie Berkovitz weiter erklärte, wird es vier unterirdische Operationssäle, Labore und eine Röntgenabteilung geben. Auch würden geschützte Applikationen die Telekommunikation und die Versorgung mit Licht und Narkosegasen aufrecht halten.

Für den Ingenieur ist der wichtigste Raum des Krankenhauses die bereits vollständig gesicherte und ausgerüstete Nothilfestation. Sie wurde bereits im letzten Jahr eingeweiht und dient der Notfallbehandlung von Unfallopfern. Auch wurden hier die Verletzten der letzten Waldbrände auf den nahe gelegenen Carmel-Bergen verarztet. Die Feuersbrünste forderten mehr als 40 Menschenleben.

Doch die unterirdische Klinikanlage ist nicht allein als Schutz vor Anschlägen gedacht, wie Israels Behörden eilig versichern. Sie soll einer Kinderstation, einer Onkologieabteilung, einem Herzzentrum und einer biomedizinischen Forschungseinrichtung Platz bieten.

In Israel liegen viele Gesundheitszentren in Reichweite von Raketen feindlicher Organisationen und Staaten. "Wir hoffen wirklich, dass es in der Region zu keinen weiteren Kriegen kommt", meint dazu Krankenhausleiter Beyar. "Wir wissen aber nur zu gut, dass wir im Fall eines Krieges hier an vorderster Front stehen. Und auf diesen Ernstfall müssen wir vorbereitet sein." (Ende/IPS/kb/2010)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Dezember 2010