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NAHOST/849: Palästinenser kündigen friedliche Massenproteste für September an (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 1. August 2011

Nahost: Palästinenser kündigen friedliche Massenproteste für September an

Von Mel Frykberg


Beit Ummar, Westjordanland, 1. August (IPS) - Führende Mitglieder der Palästinensischen Volkskomitees im Westjordanland bereiten derzeit Aktionen des zivilen Ungehorsams gegen die andauernde israelische Besatzung vor. Stattfinden sollen die Massenveranstaltungen im September, wenn die UN-Vollversammlung über den künftigen Status der Palästinensergebiete entscheidet. Erwartet wird, dass eine überwältigende Mehrheit der Mitgliedsländer für einen unabhängigen palästinensischen Staat stimmen wird.

"Wir werden in Massen auf die Straße gehen", kündigte Musa Abu Maria, ein führendes Mitglied des Volkskomitees in Beit Ummar, an. Die Stadt liegt elf Kilometer nördlich von Hebron. "Wir werden ganze Straßen blockieren, die zu den illegalen israelischen Siedlungen führen", erklärte er im Gespräch mit IPS. Zudem seien friedliche Demonstrationen vor den Siedlungen vorgesehen.

Laut Abu Maria haben die Volkskomitees "kreative Strategien" ausgearbeitet, um die internationale Staatengemeinschaft und die Medien auf die Lage in den Palästinensergebieten aufmerksam zu machen. Die Aktionen wolle man mit internationalen Unterstützern in Europa und Amerika absprechen.


Israel sucht Rückhalt bei Verbündeten in Europa

Die Regierung Israels, Geheimdienste und Sicherheitskräfte bereiten sich unterdessen auf die Massenproteste vor. Das Militär trainiert bereits intensiv, um sich auf massive Zusammenstöße mit Palästinensern vorzubereiten. Die Regierung sucht derweil in Europa Unterstützer, die bei den Vereinten Nationen gegen die Anerkennung eines unabhängigen Palästinenserstaates stimmen würden.

Israel hofft nach wie vor, die wirtschaftlich und politisch einflussreichen UN-Mitglieder auf seine Seite ziehen zu können. Erwartet wird jedoch, dass etwa 140 Mitgliedsstaaten, darunter viele Entwicklungsländer, für Palästina votieren werden.

Die israelische Regierung ist offenbar so stark beunruhigt, dass sie kürzlich damit drohte, das 1993 geschlossene Friedensabkommen von Oslo zurückzunehmen. Wie aus offiziellen Kreisen verlautete, erwägt die Regierung weitere Schritte, um die politischen Pläne der Palästinenser zu durchkreuzen.

Unabhängig von der palästinensischen Führung kamen Ende Juli mehr als 1.000 politische Aktivisten aus unterschiedlichen Gruppierungen in Beit Ummar zusammen, um drei Tage über eine Strategie zur Beendigung der israelischen Besetzung zu diskutieren. Das Treffen fand in den drei Dörfern statt, in denen die meisten Menschen freitags gegen die Enteignung ihrer Grundstücke und den Bau israelischer Siedlungen protestiert hatten.

Vertreter der Hamas, der Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) und der Demokratischen Front zur Befreiung Palästinas (DFLP) einigten sich darauf, ihre Anhänger im September zu zivilem Ungehorsam im ganzen Westjordanland anzuhalten.

Der hochrangige Fatah-Vertreter Younis Arrar bestätigte, dass die gesamte palästinensische Führung die Aktionen unterstütze. Tausende Anhänger würden auf die Straße gehen, erklärte Arrar gegenüber IPS. Die Proteste würden sich nicht wie bisher auf einige wenige Orte beschränken, sondern auf Dutzende Städte und Dörfer in den palästinensischen Territorien ausgeweitet.

"Die Israelis fürchten nicht so sehr wie friedliche Massenproteste", sagte Arrar. "Sie hoffen, dass es dabei zu gewaltsamen Ausschreitungen kommt, damit sie einen Vorwand haben, ihre militärische Überlegenheit zu demonstrieren und gegen uns vorzugehen. Wir werden aber beim unbewaffneten Widerstand bleiben."


Gewaltsame Übergriffe des israelischen Militärs befürchtet

Arrar geht davon aus, dass es Tote geben wird. Zu erwarten sei, dass die israelischen Streitkräfte auch diesmal mit Tränengas und scharfer Munition gegen die Demonstranten vorgehen würden.

Die Palästinenser planen unterdessen Fahrrad-Demonstrationen und andere politische Kundgebungen. In dem Dorf Nabi Saleh im Westjordanland haben Palästinenser bereits Zelte aufgeschlagen, um auf den fortgesetzten Landraub durch Israel aufmerksam zu machen. In unmittelbarer Nachbarschaft befindet sich die israelische Siedlung Halamish.

Die Volkskomitees arbeiten außerdem mit zahlreichen unabhängigen Graswurzel-Organisationen in Europa zusammen. Darunter ist auch die BDS-Kampagne (Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen für Palästina), die parallel zu den Aktionen im Westjordanland bei Protestdemonstrationen zu einem Wirtschaftsboykott Israels aufrufen will. (Ende/IPS/ck/2011)


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http://www.bds-kampagne.de/
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. August 2011