Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → AUSLAND

NAHOST/973: Bahrain - Unruhen wieder aufgeflammt, USA sollen Druck auf königliche Familie verstärken (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 14. Februar 2013

Bahrain: Unruhen wieder aufgeflammt - USA sollen Druck auf königliche Familie verstärken

von Jim Lobe



Washington, 14. Februar (IPS) - Zwei Jahre nach dem Volksaufstand in Bahrain steht die US-Regierung von Präsident Barack Obama unter Druck, das Königshaus in dem arabischen Inselstaat zu Kompromissen mit der überwiegend schiitischen Opposition zu bewegen.

Experten in den USA haben das Pentagon bereits aufgefordert, die Verlegung der Fünften Flotte der Marine zu planen, die seit 1995 in Bahrain stationiert ist. Damit soll Washington zum Ausdruck bringen, dass es ernsthaft über die Zwischenfälle in dem Königreich beunruhigt sei.

"Diejenigen, die der Meinung sind, dass die Sorge der USA um die Menschenrechte und Förderung der Demokratie zugunsten eines nüchternen Realismus und strategischer Notwendigkeiten in den Hintergrund treten sollte, werden durch Bahrains stetigen Niedergang bald eines Besseren belehrt werden", heißt es einem neuen Bericht der Denkfabrik 'Carnegie Endowment for International Peace'.

"Nach zwei Jahren des Stillstands und zunehmender Spannungen sind sinnvolle politische Reformen in Bahrain zu strategischen Notwendigkeiten für die USA selbst geworden - entscheidende Maßnahmen, um eine weitere Destabilisierung zu verhindern, die eines Tages auch die Interessen der USA und ihre Bevölkerung gefährden könnte", geht aus dem Report 'The Precarious Ally: Bahrain's Impasse and U.S. Policy' des Arabien-Experten Frederic Wehrey hervor.

Der Bericht sowie die in den bekanntesten Think-Tanks geführten Diskussionen über die künftige Bahrain-Politik der USA fallen zeitlich mit dem Jahrestag des Aufstandes zusammen. Die Skepsis hinsichtlich der Aussichten für den kürzlich begonnenen neuen 'Dialog' zwischen der Opposition und den zahlreichen regierungsfreundlichen Gruppen ist groß.

Washington hat den Dialog und die Teilnahme der größten Oppositionspartei Al Wefak "begrüßt". Die Parlamentarier der Partei hatten ihre Mandate zurückgegeben, um gegen die brutale Unterdrückung des Volksaufstandes vor zwei Jahren durch die Regierung zu protestieren.


Bisher keine politischen Gefangenen freigelassen

Doch selbst die Führer der Partei, die offenbar gegenüber den schiitischen Gruppen aus dem Umfeld der Jugendkoalition des 14. Februar an Boden verloren hat, zweifeln daran, dass größere Fortschritte erreicht werden können. Ihre Skepsis wird dadurch genährt, dass die Regierung bisher keine politischen Häftlinge freigelassen hat und dass sie sich als Moderatorin des Dialogs zurückhält.

Während Al Wefak eine konstitutionelle Monarchie fordert, verlangt die Jugendkoalition, die sich zunehmend gewalttätige Auseinandersetzungen mit den Sicherheitskräften liefert, ein Ende der Herrschaft der Al Chalifa-Familie. Am 13. Februar setzte die Polizei in Bahrain Tränengas und Blendgranaten gegen Hunderte Demonstranten in der Hauptstadt ein, die von der Jugendkoalition zu Protesten aufgerufen worden waren.

"Wir wollen erreichen, dass sich die Herrscherfamilie mit an den Tisch setzt", sagte Chalil al-Marzuk, ein hochrangiges Mitglied von Al Wefak, der bis vor seinem Rücktritt vor zwei Jahren als stellvertretender Parlamentssprecher amtierte, am 13. Februar auf einer Konferenz der Denkfabrik 'National Endowment for Democracy' (NED) in Washington. "Die Häftlinge haben viele Anhänger, und wenn sie nicht eingebunden werden, schlagen die Bemühungen fehl", betonte er. Dies würde zu "mehr Problemen" auf den Straßen führen und das Land weiter polarisieren.

"Ich bin pessimistisch hinsichtlich dieser Dialogrunde", sagte Toby Jones, ein Experte für die Golfregion, der an der Rutgers-Universität lehrt, bei einer weiteren Diskussion über Bahrain im Carnegie Center. "Die große Mehrheit der Bahrainer hat überhaupt kein Vertrauen zu der Regierung. Wenn diese nicht den politischen Willen zeigt, wichtige Entscheidungen zu treffen, wird es keine Veränderungen geben."

Die Obama-Regierung drängt kontinuierlich zu demokratischen Reformen und einem Dialog zwischen der von Sunniten dominierten Regierung und den Vertretern der Schiiten, die zwischen 60 und 70 Prozent der Bevölkerung des Königreiches ausmachen. Dennoch hat Washington bisher gezögert, ernsthaften Druck auf das Land auszuüben, damit diese Ziele erreicht werden.


USA zurückhaltend

Am deutlichsten äußerte sich Obama im Mai 2011, als er sich darüber beklagte, dass die Regierung von Bahrain keinen seriösen Dialog mit ihren Gegnern führen könne, wenn "ein Teil der friedlichen Opposition im Gefängnis sitzt". Die Zurückhaltung der USA erklärt sich einerseits durch die Präsenz ihrer Fünften Flotte in Bahrain, die deutlich aufgestockt wird, seit die Spannungen mit dem Iran vor zwei Jahren zuzunehmen begannen. Außerdem wird Washington durch den starken Rückhalt des weltgrößten Erdölexporteurs Saudi-Arabien für Bahrain beeinflusst. Aus dem Staat, der der wichtigste Verbündete und Käufer von US-Waffen in der Region ist, stammen die 'Hardliner' in der Chalifa-Familie.

So reagierte die Regierung in Riad besorgt darauf, dass König Hamad mit der Opposition, der auch einige prominente Sunniten angehören, Kompromisse schließen könnte. Gemeinsam mit den Vereinigten Arabischen Emiraten entsandte Saudi-Arabien etwa 1.500 Soldaten und Polizisten nach Bahrain, um das Königshaus bei der Niederschlagung der Demonstrationen im März 2011 zu unterstützen.

Saudi-Arabien machte den Iran für die Unruhen in dem Inselkönigreich verantwortlich. Die meisten US-Experten halten diese These aber für unglaubwürdig. Zudem befürchtete Riad, dass ein Machtzuwachs für die Schiiten in Bahrain die eigene schiitische Bevölkerung, die größtenteils in der ölreichen östlichen Provinz lebt, zu Reformforderungen ermutigen könnte.

In dem Konflikt bilden sich in der Tat zunehmend Fronten zwischen sektiererischen Gruppierungen. Laut Wehrey wird diese Entwicklung gezielt von dem Al Chawalid-Flügel in der Chalifa-Familie vorangetrieben. An der Spitze der Familie stehen zwei Brüder mit dem gleichen Namen Chalid bin Achmed Al Chalifa: der Minister des Königshofes und der Oberbefehlshaber der bahrainischen Streitkräfte.

Dieser Flügel hat den von den USA favorisierten Kronprinz Salman bin Hamad Al Chalifa ausgegrenzt, der allgemein als Reformbefürworter betrachtet wird. Außerdem schürten diese Mitglieder der Königsfamilie nach Erkenntnissen von Wehrey auch anti-amerikanische Ressentiments.


Schlechte Stimmung gegen USA

Auch die Schiiten-Gemeinde in Bahrain hat sich in unterschiedliche Fraktionen aufgespalten. Während Al Wefak einem Dialog weiterhin offen gegenübersteht, lehnen mehrere Gruppierungen, die der Bewegung des 14. Februar nahestehen, solche Bestrebungen ab.

Wehrey und andere Experten weisen außerdem darauf hin, dass die Stimmung gegenüber den USA auch unter den Schiiten kippt. Die Unterstützung der Regierung in Washington für den Dialog werde als Rückhalt für das Regime ausgelegt, insbesondere seit die USA im Januar angekündigt hätten, dass sie die Waffenlieferungen fortsetzen würden. (Ende/IPS/ck/2013)


Links:

http://carnegieendowment.org/2013/02/06/precarious-ally-bahrain-s-impasse-and-u.s.-policy/fayg
http://www.ned.org/
http://www.ipsnews.net/2013/02/u-s-urged-to-lean-harder-on-bahrains-ruling-family/

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 14. Februar 2013
IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 / 54 81 45 31, Fax: 030 / 54 82 26 25
E-Mail: contact@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Februar 2013