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NAHOST/976: Syrien - Oppositionsvertreter fordern friedliche Lösung des Konfliktes (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 22. März 2013

Syrien: Oppositionsvertreter fordern friedliche Lösung des Konfliktes

von Elizabeth Yousefi



New York, 22. März (IPS) - Der Krieg in Syrien hält weiter an, und Überlegungen, die Opposition mit Waffen zu stärken, nehmen Gestalt an. Doch Vertreter der syrischen Zivilgesellschaft, derzeit auf Besuch bei den Vereinten Nationen, werben für eine friedliche Lösung des Konflikts.

Bei ihrem einwöchigen Aufenthalt in New York und Washington trafen sich Haytham Manna und Rim Turkmani mit Vertretern des Weltsicherheitsrates, des UN-Menschenrechtsrates und dem Sondergesandten für Syrien, Lakhdar Brahimi. Auch sprachen sie mit US-Kongressabgeordneten über mögliche Unterstützung für ihre Forderung, Syrien ohne Waffengewalt zu befrieden und eine politische Lösung für den Konflikt zu finden.

Für Manna und Turkmani ist die Frage irrelevant, ob die Militarisierung der Opposition vor mehr als eineinhalb Jahren, als der Konflikt begann, als realistische Option galt oder eine unvermeidliche Reaktion auf die politische Lage war. Nach rund 70.000 Toten, mehr als einer Million Flüchtlingen und mehr als drei Millionen intern Vertriebenen sei es allerdings höchste Zeit, die Strategie zu ändern.

Manna ist Sprecher des Nationalen Koordinationskomitees für demokratischen Wandel der syrischen Kräfte (NCC), eine Koalition von Oppositionskräften, die sich im September 2011 zusammengeschlossen hatten, um in Syrien einen gewaltfreien Wandel herbeizuführen. Manna ist Arzt und Turkmani Astrophysikerin. Sie gehört der Gruppe 'Den syrischen Staat aufbauen' an, die ebenfalls im September 2011 gegründet wurde, und lebt im Ausland.

Beide Gruppen wurden wiederholt dafür kritisiert, sich nicht vehement genug gegen das Assad-Regime ausgesprochen zu haben. Teilweise wurde ihnen sogar vorgeworfen, sich mit dem Regime verbündet zu haben. Gegenüber IPS räumten die beiden Oppositionsvertreter jedoch ein, zutiefst unzufrieden mit der Regierung von Assad zu sein, die "uns unseres Rechts beraubt, unsere Bedürfnisse zu artikulieren", sagte Turkmani. Die Zivilgesellschaft dürfe sich nicht aktiv für die Durchsetzung der Menschen- und Bürgerrechte einsetzen und viele Nichtregierungsorganisationen dürften gar nicht erst existieren.


Opposition ist Spielball globaler und regionaler Kräfte

Für Manna und Turkmani ist die syrische Opposition Spielball globaler und regionaler Kräfte, die ihre jeweiligen Agenden durchsetzen wollen. "Nach eineinhalb Jahren Gewalt gibt es lediglich immer mehr Gewalt und wirtschaftliche Probleme. Kaum jemand spricht über Demokratie oder Entwicklung oder den Wiederaufbau des Landes", sagte Manna gegenüber IPS. Das sei auch nicht im Interesse vieler sogenannter "Freunde" der bewaffneten Oppositionskräfte.

Man müsse sich die Beweggründe der Unterstützer genauer anschauen, meinte auch Turkmani. Teilweise kommen diese aus autoritären Golfstaaten, für die Demokratie geradezu eine Bedrohung darstellt, oder sie sind langjährige Feinde des syrischen Staates, die es nicht erwarten können, die Militärmacht Syrien schwächeln zu sehen. "Es gibt ein Sprichwort im Arabischen: Wenn du nichts hast, kannst du nichts geben. Wenn du kein Demokrat bist, kannst Du auch nicht anderswo eine Demokratie aufbauen", sagte Manna.

Turkmani und Manna fordern nun von einflussreichen Staaten, die syrische Regierung dazu zu bringen, in Verhandlung mit der Opposition zu treten. Zu dem Zweck hat Manna bereits mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow gesprochen und ihn aufgefordert, finanziell Druck auf Assads Regime auszuüben. Nur zu reden sei ansonsten reine Zeitverschwendung.

"Wir sind keine Gruppe von Idealisten. Wir suchen nach praktischen Lösungen", sagte Manna. Dazu gehört auch die Arbeit vor Ort. Das Nationale Koordinationskomitee und die Organisation 'Den syrischen Staat aufbauen' suchen daher den Dialog mit lokalen Gruppierungen in Syrien, "um die Gewaltbereitschaft zu mindern und eine Plattform zu schaffen, damit die Menschen einander helfen."

Manna und Turkmani setzen außerdem darauf, dass die UN eine Friedensmission nach Syrien schickt, um die Bevölkerung sowie die demokratischen Kräfte zu schützen.


Ban Ki-moon: Zeit für friedliche Lösung

In der UN haben sie Verbündete gefunden. Am 18. März sagte UN-Generalsekretär Ban Ki-moon, dass es an der Zeit sei, die Gewalt zu beenden und eine friedliche politische Lösung anzustreben. Der UN-Sondergesandte Brahimi erklärte, dass eine gewaltfreie Strategie Monitoring und Schutz brauche. Was daraus nun folgt, bleibt abzuwarten.

Für den Professor für Politikwissenschaft an der Universität von San Francisco, Stephen Zunes, könnte eine gewaltfrei agierende Opposition eine größere Bedrohung für das Assad-Regime darstellen als eine Antwort mit Waffengewalt. "Das würde eine Asymmetrie in den internen Konflikt tragen", sagte der Nahostexperte gegenüber IPS. Statt das Assad-Regime an seinem stärksten Punkt anzugreifen, seiner Militärmacht, könnte eine gewaltfreie Opposition das Regime an seinem schwächsten Punkt angreifen: dem Mangel an Dialogbereitschaft.

Turkmani hofft, dass alle oppositionellen Kräfte bereit sind, sich an einem Dialog zu beteiligen - sowohl die zivilen Kräfte als auch die bewaffneten Gruppierungen und die Deserteure der syrischen Armee. (Ende/IPS/jt/2013)


Links:

http://www.haythammanna.net/index.europe.htm
http://www.ipsnews.net/2013/03/syrian-delegates-push-for-peaceful-resolution-of-conflict/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 22. März 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. März 2013