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NAHOST/988: Lybien - Malische Terroristen in Wüste vermutet (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 12. Juni 2013

Libyen: Malische Terroristen in Wüste vermutet - Mögliche NATO-Intervention stößt in Tripolis auf Skepsis

von Maryline Dumas



Tripolis, 12. Juni (IPS) - Alle Blicke sind derzeit auf Libyen gerichtet, seit Nigerias Präsident Mahamadou Issoufou malische Terroristen mit Stützpunkten im Süden Libyens für kürzlich verübte Angriffe im Norden von Niger verantwortlich machte.

Während einige Sicherheitsexperten behaupten, islamistische Gruppen aus Mali hätten Lager in der libyschen Wüste errichtet, halten andere Beobachter das für unmöglich. Zu den Skeptikern gehört der Direktor des Zentrums für Afrikanische Studien in Tripolis, Faraj Najem. Er zweifelt an der Präsenz malischer Terroristen in Libyen, da die beiden Länder keine gemeinsame Grenze hätten, hinter die sich die Kämpfer zurückziehen könnten.

"Tripolis könnte genauso gut die Nachbarn Algerien und Niger beschuldigen. Wenn sich malische Terroristen tatsächlich in Libyen aufhalten, mussten sie vorher die Nachbarländer passieren", sagt Najem.

Die Gruppe 'Al Qaeda im Islamischen Maghreb' (AQIM), die von Mokhtar Belmokhtar angeführt wird, übernahm die Verantwortung für zwei Selbstmordanschläge am 23. Mai in der Militärbasis Agadez und in der Uranmine Arlit im Niger. Die Attentate seien als Vergeltung für die nigrische Unterstützung der französischen Truppenintervention in Mali zu verstehen, hieß es.

Ein Bündnis aus bewaffneten islamistischen Gruppen, die mit Al Qaeda verbündet sind, hatte Anfang 2012 den Norden Malis kontrolliert. Dann konnte die malische Armee mit Hilfe französischer Truppen das Gebiet zurückgewinnen. Zu der Koalition gehörten neben AQIM auch die Bewegung für Einheit und Dschihad in Westafrika sowie 'Ansar Dine'.


Präsenz von Islamisten kontrovers diskutiert

Nach Angaben der nigrischen Regierung hatten die Islamisten ihre Angriffe in Libyen geplant. Der libysche Ministerpräsident Ali Zeidan wies den Vorwurf jedoch als haltlos zurück. Auch Najem ist der Meinung, dass der Südosten Libyens von der Volksgruppe der Toubou kontrolliert wird, die keine Verbindungen zu islamistischen Bewegungen unterhielten. "Die Tuareg aus Azawad und Ansar Dine in Mali werden in Libyen verfolgt, weil sie an der Seite Gaddafi-treuer Truppen gekämpft haben. Deshalb können sie nicht dorthin zurückkehren."

Der ehemalige libysche Staatschef Muammar Gaddafi wurde im Oktober 2011 gefangen und getötet, nachdem er das Land 42 Jahre lang regiert hatte. Eine neu gewählte Regierung wurde im November des Jahres vereidigt. "Mir liegen keine Informationen über Terroristen im Süden Libyens vor", erklärt Hussein Hamed Al-Adsari, ein Tuareg, der im Parlament von Oubari im Südosten des Landes sitzt.

Abu Azoum, ein Berater in Fezzan in Südlibyen, sieht die Sachlage als nicht eindeutig. "Ich glaube nicht, dass Terroristen von dort kommen. Andererseits ist es aber gut möglich, dass sie aus dem Süden Waffennachschub erhalten. Sie sind darauf vorbereitet, viel für Waffen zu zahlen. Und davon sind in Libyen genug im Umlauf."

Agila Majou Ouled, ein Vertreter der Gemeinschaft der Slimane in Sebha im Süden Libyens gab wiederum zu bedenken, dass trotz der offiziellen Schließung der Grenzen zum Tschad, zum Niger und zum Sudan im Dezember 2012 der Grenzverkehr so verlaufe wie früher. "Es ist möglich, dass Terroristen Libyen auf ihrem Weg von Mali nach Niger passiert haben, um Spuren zu verwischen. Es ist jedoch nicht möglich, dass sie noch dort sind. In der Wüste kennt jeder jeden - wenn jemand neu ankommt, wird das sofort bekannt."

Laut einem Sicherheitsexperten aus Tripolis haben die Clans im Süden die vollständige Kontrolle über ihr Territorium. Daher wüssten sie gut, dass es dort Mitglieder von AQIM gebe. Samuel Laurent, Autor des Buches 'Sahelistan' über islamistische Bewegungen in der Region ist ebenfalls überzeugt, dass die Tuareg im Südosten Libyens Extremisten Unterschlupf gewähren. "Generell sind die Gründe rein finanzieller Natur und haben nur wenig mit Ideologie zu tun", sagt er. Schließlich sei AQIM-Chef Belmokhtar Millionär.

Nach Erkenntnissen von Laurent haben malische Islamisten im vergangenen November in Libyen Lager aufgeschlagen, also bereits vor der Intervention Frankreichs. "Der wahre Kern von AQIM formiert sich im Südosten Libyens seit Monaten neu", erklärt er. Anders als Mali werde die Regierung in Tripolis einem Eingreifen des Westens jedoch niemals zustimmen. "Und dank der früheren Waffenverstecke des Gaddafi-Regimes sind genug Waffen im Umlauf. Libyen ist daher ein profitablerer Rückzugsort für Terroristen als Mali."


Frankreich und NATO bieten Hilfe an

Anfang Juni hatten die Regierung Frankreichs und die NATO Libyen Unterstützung gegen Kämpfer mit Verbindungen zur Al Qaeda angeboten, die aus Mali abgedrängt worden seien. Der französische Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian erklärte, dass sein Land "bereit" sei, Libyen bei der Sicherung seiner südlichen Grenzen zu helfen.

Am 4. Juni teilte die NATO mit, dass ein Expertenteam nach Libyen entsandt würde. Der Generalsekretär des Verteidigungsbündnisses, Anders Fogh Rasmussen, machte jedoch deutlich, dass es sich um keine Entsendung von Bodentruppen handele.

Nach Ansicht von Al-Adsari bleibt das Eingreifen der libyschen Armee und der Polizei im Süden die bevorzugte Option. Premier Zeidan kündigte indes eine Erhöhung des Solds für Soldaten und Prämien von bis zu 1.200 US-Dollar an, um die Armee und ehemalige Rebellen zum Einsatz im Süden zu bewegen. (Ende/IPS/ck/2013)


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http://www.ipsnews.net/2013/06/libyas-deserts-a-source-of-worry-for-its-neighbours/

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IPS-Tagesdienst vom 12. Juni 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Juni 2013