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HOCHSCHULE/1393: Bologna-Prozeß - So schlecht wie sein Ruf? (Herder Korrespondenz)


Herder Korrespondenz
Monatshefte für Gesellschaft und Religion 8/2009

So schlecht wie sein Ruf?
Der Bologna-Prozess ist zehn Jahre alt

Von Patrick Becker


Der europaweite Bologna-Prozess ist derzeit in aller Munde. Die mit ihm angezielte Reform des Hochschulstudiums ist auf dem Weg, gleichzeitig häuft sich die Kritik, die sowohl Grundsätzliches als auch vor allem viele Details betrifft. Bologna ist nicht mehr rückgängig zu machen. Deshalb sollte man mit den Leitlinien flexibel umgehen und die Chancen der Reform mit Augenmaß nutzen.


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Vor zehn Jahren, am 19. Juni 1999, gaben 29 europäische Länder den Startschuss für einen gemeinsamen Hochschulraum. Seitdem begann in Deutschland ein radikaler Umbau des Studiensystems. Dass die Zielmarke 2010, bei der der Reformprozess abgeschlossen sein sollte, nicht erreicht wird, zeichnet sich schon seit ein paar Jahren ab. Nach zehn Jahren ist eher der Zeitpunkt für eine Zwischenbilanz, wie sie etwa bei einer Studientagung der Katholischen Akademie Bayern Anfang Juni in München gezogen wurde. Dort war eine Reihe kritischer Stimmen zu hören, der Münchener Philosoph Julian Nida-Rümelin erklärte gar das Scheitern des Bologna-Prozesses. Auch Referenten, die den Bologna-Prozess insgesamt positiv würdigten und seine Chancen für manche Fächer hervorhoben, kamen um kritische Worte nicht herum - darunter der Präsident der Technischen Universität München, Wolfgang Herrmann, und der Wiener Universitätsrektor Georg Winckler.

Die schärfste Form von Kritik wurde Anfang des Jahres von Marius Reiser, einem katholischen Theologen aus Mainz, gewählt: Er gab aus Protest gegen den Bologna-Prozess seinen Lehrstuhl zurück (vgl. HK, März 2009, 113f.) - und dies ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, an dem die auf die katholische Theologie spezialisierte Akkreditierungsagentur AKAST in Eichstätt ihre Arbeit aufnahm. Akkreditierungsagenturen gelten bei ihren Kritikern als Vollstreckungsinstrumente des Bologna-Prozesses und werden daher in der von Reiser in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (20. Januar 2009) abgedruckten Begründung für seinen Schritt mitattackiert.


Die Kritik am Bologna-Prozess, wie sie nicht nur von Marius Reiser formuliert wird, umfasst Schlagworte wie Verschulung, Schaffung von Denkfabriken, reine Nutzenorientierung, Unflexibilität, kurz: die Abschaffung des Humboldtschen Bildungsideals. Diese Vorwürfe können sich auf zahlreiche Beispiele in der Praxis an den Universitäten berufen. Es lässt sich nicht bestreiten, dass sich der Reformprozess in zu kurzer Zeit und mit zu vielen Fehlentwicklungen abspielt. Das wird auch von den verantwortlichen politischen Stellen durchaus eingeräumt, wie auch die jüngste Bologna-Nachfolgekonferenz Ende April in Löwen zeigte. Als besonders dramatisch wird dabei gesehen, dass es nicht nur um unangenehme Nebenfolgen geht, sondern dass die ureigensten Bologna-Ziele in Frage stehen.


Wie steht es um die Auslandsmobilität?

Aktuell wird die Auslandsmobilität der Studierenden diskutiert, zu der im Mai vom Deutschen Akademischen Austausch Dienst (DAAD) und dem Hochschul-Informations-System (HIS) umfangreiche Daten vorgelegt wurden. Auf den ersten Blick zeigen diese sogar einen deutlichen Rückgang von studienbezogenen Auslandsaufenthalten in den neuen Bachelor- und Master-Studiengängen: Während Studierende alter Studiengänge zu 35 Prozent (Diplom) oder gar 49 Prozent (Magister) abgeschlossene Auslandsaufenthalte vorweisen können, stehen Vertreter von Bachelor- mit 15 Prozent und Master-Studiengängen mit 27 Prozent weit zurück.

Der zweite Blick lehrt jedoch, dass die Zahlen bei den alten Studiengängen noch vor zwei Jahren mit 24 Prozent und 34 Prozent deutlich niedriger waren als heute. Die alten Studiengänge sind Auslaufmodelle und daher fällt der Anteil von "hohen" Semestern und damit auslandserfahrenen Studierenden überproportional hoch aus. Zudem muss bedacht werden, dass die alten Studiengänge die Zeit von Bachelor- und Masterstudien zusammenumfassen; entsprechend müssen die Prozentzahlen von BA und MA nahezu addiert werden. Dann zeigt sich, dass die Auslandsmobilität vielleicht sogar doch am Steigen ist.


Eine andere Frage ist die nach der Inlandsmobilität. Hier muss insbesondere bei den Lehramtsstudiengängen von einem Drama gesprochen werden. Für ein Semester den Studienort zu wechseln, ist dort verlustlos kaum möglich. Ob das jedoch Bologna angelastet werden kann, erscheint fraglich. Nach der Logik des konsekutiven Studierens würde sich anbieten, für den Bachelor- und den Masterabschnitt einen je eigenen Studienort zu suchen. Das scheitert aber wohl eher an staatlichen Vorgaben und dem Abschlusstyp des Staatsexamens.


Das Theologiestudium könnte gewinnen

Die (katholische) Theologie befindet sich bei der Frage der Mobilität wie überhaupt der Internationalität in einer besonderen Situation. Dank kirchlicher Vorgaben war die weltweite Vergleichbarkeit der Studienleistungen bisher relativ unproblematisch. Es brauchte dazu bisher keine Leistungspunkte und auch kein Diploma-Supplement. Dass unbeholfene Reformschritte eher zu einer Verschlechterung der Situation führten, ist für die Theologie daher bitter. Dennoch darf auch sie Chancen wittern. Das Diploma-Supplement kann seine Stärken vielleicht nicht innerhalb der Kirche ausspielen, da kanonische Grade hier weltweit Anerkennung finden, aber wohl außerhalb der Kirche.

Ein säkularer Arbeitgeber, der die theologischen Fakultäten für binnenkirchliche Ausbildungsstätten hält, kann so vielleicht eher von der Kompetenzvielfalt theologischer Absolventinnen und Absolventen überzeugt werden. Auch die Leistungspunkte können nach außen ein Vorteil sein, etwa wenn das Niveau des theologischen Abschlusses eingestuft werden soll. Somit könnte das Theologiestudium durch die Anpassung an internationale Standards durchaus gewinnen, weil es für den Berufs- und Bildungsmarkt außerhalb der Kirche attraktiver wird.


Nur genügt der Verweis auf diese Chancen, einen derart umfassenden und arbeitsintensiven Reformprozess, wie er gerade an den Universitäten stattfindet, zu rechtfertigen? Wenn über Fragen der Mobilität, der Internationalisierung und der Standardisierung gesprochen wird, dann wird zuerst auf äußere Faktoren zurückgegriffen. Es entsteht so der Eindruck, der Bologna-Prozess umfasse lediglich die äußere - und damit unwichtige - Hülle der Bildung.

Die Einrichtung von Modulen, die Outcome-Orientierung und die Leistungspunktberechnung basieren jedoch auf einer starken inhaltlichen Neuorientierung. Diese liegt genau nicht in der oftmals unterstellten Reduktion der Universitäten zu Ausbildungseinrichtungen. Die Kritik am Bologna-Prozess benennt viele tatsächlich vorhandene Probleme. Sie hat jedoch in der Bewertung der zu Grunde liegenden Idee nicht Recht. Wenn diese stärker reflektiert und rezipiert werden würde, verschwände eine Reihe von Problemen.


Dies betrifft etwa den Vorwurf der Verschulung. Dieser entsteht, weil in einigen Studienordnungen exakt die zu besuchenden Veranstaltungen vorgegeben werden, weil die Anwesenheitspflicht mitunter auf alle Veranstaltungstypen ausgedehnt wird und weil die Studierenden an manchen Orten mit mündlichen und schriftlichen Prüfungen gar nach jeder Veranstaltung "erschlagen" werden. Nichts davon fordern gesetzliche Vorgaben, eher im Gegenteil. Verlangt wird lediglich, dass ein Modul (als Ganzes!) irgendwie qualifiziert abgeschlossen wird - dazu bedarf es nicht unbedingt einer benoteten Prüfung, es genügt eine "bestandene" Präsentation oder Ähnliches.

Aus den Leistungspunkten folgt keine Anwesenheitspflicht, da ihr Sinn weniger in der Kontrolle der Studierenden besteht als vielmehr der Transparenz des Studiengangs und der darin verlangten Leistungen dient. Einzelne Veranstaltungen müssen deshalb nicht in den Moduldarstellungen benannt werden, weil die Modulhandbücher insbesondere den Arbeitsaufwand und (wichtiger noch) den Kompetenzgewinn dokumentieren sollen. Bologna will ein Umdenken: Nicht mehr der Input (etwa das konkrete Thema einer Lehrveranstaltung) steht im Vordergrund, sondern die Frage, welche Kompetenzen ein Studierender am Ende gewonnen hat.


Das erfordert eine Neuorientierung gerade für die fächerdiversifizierte und -orientierte Theologie. Ein Studium darf nicht mehr als Summe von Fächern verstanden werden, für die je eine bestimmte Anzahl von Semesterwochenstunden abzuleisten ist und die mit je einer eigenen Prüfung abgeschlossen werden. Ein Studium muss im Bologna-Denken vom Ende her konzipiert werden, von den Kompetenzen her, die ein Absolvent besitzen soll. Eine einzelne Lehrveranstaltung ist deshalb vorrangig danach zu befragen, welchen Beitrag sie auf dem Weg zu diesen Kompetenzen liefert. Selbstverständlich werden deshalb nicht die Inhalte nutzlos, die bisher im Fokus standen. Kein Theologe kann als kompetent angesehen werden, der nicht auch eine grundlegende Ahnung etwa von den Inhalten der Bibel besitzt. Aber die Inhalte erhalten ihren Sinn durch den Einbezug in eine Gesamtkompetenz, die angestrebt wird.

Leider ist der Kompetenzbegriff eine Quelle von Missverständnissen, weil er den Ausbildungsgedanken zu implizieren scheint. Eine Kompetenz meint zwar in der Tat, dass jemand etwas kann, aber nicht auf der Ebene einer Ausbildung. Auch die Arbeitsmarktbefähigung (Berufsbefähigung ist eine zwar gängige, aber unglückliche Übersetzung von employability), von der bereits in der Sorbonne-Erklärung von 1998 die Rede ist, meint nicht, dass Studierende möglichst viele konkrete Arbeitsprozesse gelernt haben. Es geht um die Denk-, Sozial- und Kommunikationsfähigkeiten, die einen guten Theologen schon immer ausgezeichnet haben und die ihn für das Priesteramt genauso qualifizieren wie für die Arbeit in einem Verlag, einer Personalabteilung oder einer Redaktion.


Bologna will weniger das Ziel des Studiums umdefinieren, als vielmehr den Weg dorthin verändern. Die Hochschuldidaktik und mit ihr die Konzeption von Studiengängen gerät so in den Blick. Studiengangsverantwortliche und Dozierende müssen sich zusammensetzen, um ein Konzept zu entwickeln, das die Ziele und den Weg eines Studiums plausibel darstellt. Akkreditierung bedeutet, dass dieses Konzept auf seine Validität hin überprüft wird. Die dazu nötigen Agenturen stellen kein Kontrollorgan dar, sondern bieten den organisatorischen Rahmen für das so genannte Peer Review-Verfahren, das nach den Gepflogenheiten wissenschaftlicher Selbstbegutachtung funktioniert.

Dieses Verfahren sorgt für Transparenz und für die Unbefangenheit der Beteiligten. Es ist in der Tat aufwändig und damit teuer. Zu erhoffen ist allerdings, dass akkreditierte Studiengänge nicht nur von den am Ende eines Akkreditierungsverfahrens ausgesprochenen Auflagen und Empfehlungen profitieren, sondern alleine davon, dass die Hochschule sich intensiv mit ihrem Profil und der Studiengangskonzeption auseinandersetzen musste. Wenn die Entwicklung von Modulen das Gespräch der Dozierenden beförderte, ist das durchaus ein Gewinn.


Die Kompetenzorientierung erfordert aber nicht nur Investitionen in die Studiengangskonzeption beziehungsweise ihre transparente Darstellung, sondern auch eine Veränderung der Lehre. Dass Studiengänge konsekutiv angelegt sein müssen, folgt der Logik der Kompetenzorientierung: Am Anfang eines Studiums wird das Gewinnen von Überblick und das Einüben von grundlegender Methodik stehen. Am Ende wird eher der Transfer verlangt werden und die eigene Forschungstätigkeit. Die didaktische Vorgehensweise muss an den Studienabschnitt angepasst werden. Grund- und Überblickswissen kann in einer Vorlesung vermittelt werden.

Wenn ich am Ende eines Studiums jedoch selbstständig agieren, wenn ich Texte verstehen, wenn ich ethisches Denken im Alltag anwenden, wenn ich Projekte selbstständig erfassen und strukturieren können soll, dann muss ich es eingeübt haben. Wenn Prüfungen diesen Kompetenzgewinn dokumentieren sollen, dann dürfen sie nicht rein rezeptiv vorhandenes Wissen abfragen. Der Studierende muss im Laufe des Studiums vor Herausforderungen gestellt und bei ihrer Bewältigung begleitet werden.

Der Dozierende erhält so eine andere Rolle. Zumindest in der Endphase des Studiums sollte er sich weniger als Wissensvermittler denn als Forderer und Förderer verstehen. Nicht mehr die Lehrleistung des Dozierenden steht im Vordergrund, sondern die Lernbefähigung des Studierenden. Hier findet der oftmals benannte "shift from teaching to learning" statt. Ein Dozierender wird vom Wissensvermittler zum Moderator von Veranstaltungen und zum Begleiter des einzelnen Studierenden. (vgl. Oliver Reis und Monika Scheidler: Vom Lehren zum Lernen. Didaktische Wende in der Theologie?, Münster 2008.)


Die Qualität des Gelernten nimmt zu

Das Umdenken in der Didaktik bietet Raum für neue Konzepte. Es müssen über die traditionellen Lehr- und Prüfungsformen hinaus Wege gefunden werden, wie Studierende ihre Fragen in das Studium einbringen können und ihre Fähigkeiten trainieren und unter Beweis stellen können. Vielleicht ist es sinnvoll, wenn ein Dozent in einem Seminar des letzten Studienabschnitts die Gliederung - und damit die Fragen - nicht vorgibt. Vielleicht kann ein Modul nicht durch eine mündliche oder schriftliche Prüfung, sondern durch eine Präsentation oder eine Thesenverteidigung abgeschlossen werden. Vielleicht kann der eine oder andere Monologblock in Veranstaltungen durch die eigenständige Erarbeitung der Studierenden ersetzt werden.

Alle drei Anregungen implizieren, dass sich die Initiative und damit die Festlegung des zu behandelnden Inhalts von den Dozierenden auf die Studierenden verschieben - die Rahmenvorgaben bleiben jedoch immer in der Hand des Dozierenden. Eine Folge wird sicherlich sein, dass die Quantität des Stoffes abnimmt, da ein Studierender in der gleichen Zeit nicht annähernd so viele Inhalte selbst erarbeiten kann wie in einer Vorlesung geboten werden können - auch deshalb wird die Vorlesung ihren Platz im universitären Alltag behalten. Allerdings gewinnt die Qualität des Gelernten ungemein. Und es kommt etwas Entscheidendes hinzu, nämlich die Kompetenz des Selbst-Erarbeitens.


Der Kreativität bei der Vergabe von Leistungen, bei der Lehrkonzeption und den Prüfungsformen ist mit der Hochschulreform ein weites Feld geöffnet. Das heißt aber auch, dass der Anspruch an die Didaktik gestiegen ist, zumal die goldenen Lösungen in der Hochschuldidaktik noch lange nicht gefunden sind. Wie Module übergreifend und kompetenzorientiert abgeprüft werden können, scheint mir beispielsweise noch eine Herausforderung zu sein. Professionelle Unterstützung und Weiterbildung sind daher insbesondere (aber nicht nur) für den wissenschaftlichen Nachwuchs hilfreich.

Großes Lob verdient an dieser Stelle das vom Katholisch-Theologischen Fakultätentag und der Deutschen Bischofskonferenz getragene Weiterbildungsprogramm "Theologie lehren lernen", das im kommenden Wintersemester zum sechsten Mal in Benediktbeuern angeboten wird und wertvolle Verstehens- und Anwendungshilfen für die Hochschulreform und die Veränderungen in der Hochschuldidaktik bietet. Wer weitere Informationen zur Hochschulreform sucht, sei auf das Bologna-Zentrum der Hochschulrektorenkonferenz (www.hrk-bologna.de) hingewiesen. Dort finden sich nicht nur kompetente Ansprechpartner für Fragen aller Art, sondern es können auch kostenlos hilfreiche Publikationen und Textsammlungen bestellt werden. Speziell für die Katholische Theologie steht die Agentur für Qualitätssicherung und Akkreditierung kanonischer Studiengänge (www.akast.info) Rede und Antwort.

Bei der Bewertung des Bologna-Prozesses darf die aktuelle Situation nicht schöngeredet werden. Viele Kritikpunkte treffen je nach Studiengang und -ort zu. Ein Grundübel scheint darin zu liegen, dass den Fakultäten nicht ausreichend Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Die Hochschulreform ist nicht kostenneutral, wie vielleicht an mancher staatlichen Stelle geglaubt wird, da die dargestellte didaktische Neuausrichtung kleine Arbeitsgruppen erzwingt. Individuelle Forderung und Förderung ist nur bei einem entsprechenden Betreuungsverhältnis möglich.

Immerhin kann die Theologie auf eine vergleichsweise gute personelle Ausstattung blicken. Allerdings müsste auch ihr neues Personal zur Verfügung gestellt werden, das sich um die Konzeptionierung von Studiengängen bemüht und innerhalb der Fakultät die Leitideen der Hochschulreform vermittelt. Es kann nicht sein, dass die Erstellung der umfangreichen Akkreditierungsunterlagen zusätzliche Aufgabe des (Studien-)Dekans ist.


Auf der anderen Seite darf auch nicht die gute alte Zeit verklärt werden. Der Bologna-Prozess griff berechtigte Kritikpunkte auf, darunter etwa die Konzentration auf Abschlussprüfungen und der fehlende Praxisbezug. Es darf nicht vergessen werden, dass sich die Humboldtsche Universität an eine Elite richtete. Sie hatte als ein wesentliches Ziel die Bildung des eigenen Nachwuchses.

Dass der politische Wille besteht, einen beträchtlichen Teil eines Jahrganges an die Universitäten zu bringen, sollte der Theologie nur recht sein, da er die Breitenwirkung universitärer Bildung erhöht. Allerdings erfordert diese Vorgabe eine grundsätzliche (didaktische) Neuausrichtung, wie sie im Rahmen des Bologna-Prozesses gerade vollzogen wird. Deshalb müssen die Chancen des Bologna-Prozesses gesehen und seine Leitideen positiv aufgegriffen werden.

Nicht der Abschied vom Bologna-Prozess ist nötig, wie es Nida-Rümelin auf der Tagung in München forderte, sondern das Anpacken der entstandenen Probleme. Dass daher auf dieser Tagung die Arbeitsgruppe der katholischen Theologie (im Unterschied zu anderen Arbeitsgruppen) keine Grundsatzdiskussionen geführt hat, sondern pragmatisch über die Probleme sprach, scheint der richtige Weg zu sein.


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Patrick Becker (geb. 1976) ist promovierter Theologe und Geschäftsführer der Akkreditierungsagentur für die katholische Theologie, AKAST. Jüngste Veröffentlichungen: In der Bewusstseinsfalle?, Göttingen 2009; Kein Platz für Gott? Theologie im Zeitalter der Naturwissenschaften, Regensburg 2009.


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Quelle:
Herder Korrespondenz - Monatshefte für Gesellschaft und Religion,
63. Jahrgang, Heft 8, August 2009, S. 415-418
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. September 2009