Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → BILDUNG

INTERNATIONAL/006: Südsudan - Lehrer dringend gesucht, Millionen Kinder ohne Schulbildung (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 21. Juli 2011

Südsudan: Lehrer dringend gesucht - Millionen Kinder ohne Schulbildung

Von Protus Onyango

Jugendliche im Südsudan sollen wieder zur Schule gehen - Bild: © John Robinson/IPS

Jugendliche im Südsudan sollen wieder zur Schule gehen
Bild: © John Robinson/IPS

Juba, 21. Juli (IPS) - Während des Bürgerkriegs waren die Schulen im Südsudan völlig überfüllt. An Lernen war gar nicht zu denken. Victoria Maja wollte aber unbedingt Ärztin werden und ließ nicht locker. Sie gehört nun zu den wenigen Südsudanesen, die einen Studienabschluss in der Tasche haben.

Ihre Ausbildungszeit im Norden des Landes war hart, denn Maja wurde an der Hochschule wegen ihrer ethnischen Herkunft diskriminiert. Als Ärztin erhielt sie im Sudan keine Zulassung. Mit ihrem Ehemann setzte sie sich deshalb 2000 nach Ägypten ab und kam später nach Australien, wo sie nach einem erfolgreich absolvierten Brückenkurs endlich in ihrem Beruf arbeiten konnte.

Nachdem der Südsudan am 9. Juli unabhängig geworden ist, möchte Maja wieder in ihre Heimat zurückkehren und beim Wiederaufbau helfen. Dabei will sie sich vor allem dafür einsetzen, dass die Kinder in ihrem Land eine Chance auf Bildung erhalten.

Diejenigen, die die ganze Zeit im Südsudan geblieben sind, hatten längst nicht so viel Glück wie die junge Ärztin. Drei Generationen von Kindern im Südsudan haben nie einen Klassenraum von innen gesehen. Bildungsminister Michael Hussein zufolge wurde der Schulsektor durch den Bürgerkrieg besonders stark geschädigt.

"Niemand kümmerte sich um die Lehrer. Sie wurden nicht regelmäßig bezahlt und nicht fortgebildet", erklärte der Minister. Viele seien aus den Kriegsgebieten geflohen. Für zahlreiche Kinder sei deshalb auf Dauer der Unterricht ausgefallen.


Reformen im Bildungssektor angemahnt

Die Bildungssituation in dem Land ist so schlecht, dass Politiker an Kinder und Jugendliche appellieren, freiwillig die Schulbank zu drücken. Der stellvertretende Sprecher des Parlaments, Generalleutnant Daniel Akot, forderte die Abgeordneten auf, für ein Gesetz zu stimmen, das allen Kindern im Südsudan Zugang zu Bildung ermöglichen soll.

"Wir haben den Krieg gegen unseren Feind gewonnen", sagte Akot. "Unser Kampf gegen Armut, Unwissenheit und Hunger hat aber gerade erst begonnen. Und wir können ihn nicht gewinnen, wenn unsere Kinder nicht zur Schule gehen."

Bildungsminister Hussein drängt die Regierung, mindestens 20 Prozent des nationalen Haushalts für sein Ressort zur Verfügung zu stellen. Wie er ankündigte, sollen 6.000 Grundschulen und 3.000 weiterführende Schulen eröffnet werden.

In manchen Gegenden kämen auf einen Lehrer 120 Schüler, kritisierte der Minister. Jeweils fünf Kinder müssten sich ein Schulbuch teilen. In einer solchen Situation könne niemand lernen. Das Bildungsministerium will dadurch Abhilfe schaffen, dass neue Lehrer angeworben und weitergebildet werden. Hussein hofft nun, dass Landleute, die einst ins Ausland gingen und dort studierten, mit ihren Erfahrungen zurückkehren werden.

Bislang gibt es im Südsudan 169 Vorschulen, an denen sich 1.249 Pädagogen um mehr als 47.000 Kinder kümmern müssen. An den fast 3.200 Grundschulen mit 1,3 Millionen Schülern unterrichten nur etwa 2.900 Lehrer. Ähnlich sieht es auch an den 168 weiterführenden Schulen mit rund 34.500 Schülern aus. Rund 2.300 künftige Lehrer besuchen zurzeit die drei pädagogischen Ausbildungszentren.

Mehr als zwei Millionen junge Sudanesen haben bis jetzt keine Schule besucht. Die Regierung in Juba versucht nun mit Unterstützung Kenias, einen Teil der über 70.000 arbeitslosen kenianischen Lehrer im Südsudan einzusetzen.


Achtjährige Grundschulzeit

Laut Hussein wurde 2005 in der damaligen autonomen Region ein eigenes Bildungssystem eingeführt, das eine achtjährige Grundschulzeit, vier Jahre an den weiterführenden Schulen und weitere vier Jahre an der Universität vorsieht. Dieses System solle sicherstellen, dass jedes Kind im Land zumindest eine grundlegende Ausbildung erhält, sagte Hussein. Dies sei ein fundamentales Menschenrecht. Lehrerinnen sollen Mädchen als Beispiel dienen, dass sie der Schulbesuch weiterbringt.

Um das Bildungsniveau zu heben, will die Regierung auch den über 18-Jährigen eine neue Chance bieten. Sie können vier Jahre lang eine Grundschule besuchen und Prüfungen ablegen. Diejenigen, die bestehen, können weiter zu Schule gehen. Die anderen erhalten eine praktische Ausbildung. Bisher nehmen mehr als 5.700 Jugendliche an diesem Programm teil.

Vor allem in den ländlichen Regionen ist Hilfe dringend notwendig. Laut Kathy Kamphoefner vom unabhängigen 'Human Rights Forum' sind 90 Prozent aller Menschen auf dem Land Analphabeten. In den meisten Dörfern sei noch nicht einmal die Grundversorgung gewährleistet, erklärte Kamphoefner. Es werde sicherlich länger dauern, um den Leuten bewusst zu machen, wie wichtig Bildung sei. (Ende/IPS/ck/2011)


Link:
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=56540

© IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH


*


Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 21. Juli 2011
IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 28 482 361, Fax: 030 28 482 369
E-Mail: redaktion@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Juli 2011