Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → BILDUNG

REDE/056: Schavan - Bundesausbildungsförderungsgesetz und Stipendienprogramm, 07.05.2010 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
"REGIERUNGonline" - Wissen aus erster Hand

Rede der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Dr. Annette Schavan, zum Entwurf eines Dreiundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes und zum Entwurf eines Gesetzes zur Schaffung eines nationalen Stipendienprogramms vor dem Deutschen Bundestag am 7. Mai 2010 in Berlin


Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine Damen und Herren!

Wir beraten heute in erster Lesung den Entwurf eines Dreiundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes und den Entwurf eines Gesetzes zur Schaffung eines nationalen Stipendienprogramms. Die christlich-liberale Koalition setzt damit ein klares Signal für die Verbesserung der Studienfinanzierung in Deutschland, weil wir davon überzeugt sind, dass das Studium nicht am Geldbeutel der Eltern scheitern darf.

Wir wollen drei verlässliche Säulen für junge Leute. Wir wollen die kontinuierliche Weiterentwicklung des BAföGs im Hinblick auf Freibeträge, Fördersätze und Modernisierung, auf die ich noch zu sprechen komme. Wir wollen, dass in Deutschland endlich ein ordentliches Stipendiensystem aufgebaut werden kann. Wir wollen die Weiterentwicklung der Bildungsdarlehen der KfW, von denen zwischenzeitlich übrigens weit über 73.000 Studierende in Deutschland profitieren.

Drei verlässliche Säulen, eine Vielfalt im Angebot - das ist unsere Philosophie, um den unterschiedlichen Lebenslagen von Studierenden in Deutschland gerecht zu werden.

Der Kontext, in dem wir das beraten, ist von einer erfreulichen Entwicklung geprägt. 2005 haben rund 36 Prozent eines Jahrgangs ein Studium aufgenommen. Viele haben gesagt, dass wir 40 Prozent erreichen müssen, dass wir vor allen Dingen im internationalen Vergleich mehr brauchen, dass wir im Blick auf einen höheren Anteil an hochqualifizierten akademischen Berufen mehr brauchen. Im Studienjahr 2009 nahmen nun über 43 Prozent eines Jahrgangs ein Studium auf. Ich finde, das ist eine überaus erfreuliche Entwicklung. Lange hat es nicht mehr in einem so kurzen Zeitraum einen solchen Anstieg der Zahl der Studienanfänger, ein solches Interesse am Studium gegeben. Darüber hinaus sind wir das drittbeliebteste Gastland für ausländische Studierende. Dies sind zwei gute Entwicklungen, die wir durch die Verbesserung der Studienfinanzierung weiter befördern wollen.

Nun ist in den letzten Wochen öffentlich viel diskutiert worden: BAföG versus Stipendiensystem. Sollte nicht ausschließlich das BAföG weiterentwickelt und anderes sein gelassen werden? Auch wurde behauptet, dass jedes Stipendiensystem nur ein Hinweis darauf sei, dass sich die Öffentlichkeit in Deutschland um Eliten kümmert.

Ich finde, das ist eine absurde Diskussion. Ein Land wie die Bundesrepublik Deutschland, das unter allen Industrienationen den höchsten Anteil an der Wertschöpfung, der auf Forschung basiert, hat, muss beides leisten: Es muss dafür sorgen, dass es vernünftige, stabile Verhältnisse in der Breite gibt - deshalb BAföG; unsere Anreize bewirken, dass mittlerweile 43 Prozent eines Jahrgangs studieren -, und es muss dafür sorgen, dass Spitzenleistungen wahrgenommen und anerkannt werden. Dies bewirkt übrigens auch, dass Menschen, die Spitzenleistungen erbringen, Deutschland als einen attraktiven Studienort ansehen. Deshalb stehe ich dazu: Breite ist Voraussetzung für Spitze, und ein Land, das seine Spitze nicht mehr im Blick hat, hat als Wissenschaftsstandort verloren.

Beides im Blick zu haben, ist für mich auch eine Frage der Gerechtigkeit. Wir dürfen das BAföG nicht jahrelang links liegen lassen. Das hat es in früheren Zeiten manches Mal gegeben; sieben Jahre lang gab es keine BAföG-Erhöhung.

Sie kennen die Diskussionen aus der letzten Legislaturperiode. Frau Burchardt, ich glaube schon zu wissen, was Sie gleich sagen werden. Wir können uns Ihren Text vorstellen. Deshalb sage ich: Diese christlich-liberale Koalition entwickelt das alles kontinuierlich weiter. Die allererste Maßnahme, die wir auf den Weg bringen, ist, zu sagen: Jawohl, mehr Studierende sollen in den Genuss von BAföG kommen.

Daher erhöhen wir erstens die Freibeträge.

Zweitens soll es eine Erhöhung der Bedarfssätze geben und

drittens wichtige Schritte zur Modernisierung.

Das ist eine der ersten Maßnahmen, die wir treffen und über die wir - übrigens im Unterschied zur letzten Legislaturperiode - keinen Zoff mit dem Finanzminister haben.

Wir haben viele Jahre lang in Deutschland darüber diskutiert, warum es keine Stipendien gab. Wir haben einen ersten wichtigen Schritt durch die Erhöhung der Mittel für die Begabtenförderungswerke getan. Aber ich bin davon überzeugt: Die Begabtenförderungswerke allein können nicht Träger von Stipendien in Deutschland sein. Unsere Hochschulen brauchen die Chance, Stipendien zu vergeben.

Ich habe vor 14 Tagen eine Fachhochschule in Nordrhein-Westfalen besucht, die in einer enormen Geschwindigkeit Stipendien eingesammelt hat und sagt: Diese beginnende Stipendienkultur ist attraktiv für unsere Hochschulen. Wir wollen den Wettbewerb darum, wer wie viele Stipendien vergibt, wir wollen eine Stipendienkultur entwickeln, und wir wenden uns keineswegs nur an die großen Unternehmen, sondern wir wenden uns auch an unsere Ehemaligen. Wir haben damit die wunderbare Möglichkeit, endlich eine Ehemaligenkultur aufzubauen. Solidarität derer, die einmal studiert haben, mit denen, die heute studieren, zu ermöglichen, das ist Solidarität der Zivilgesellschaft mit Studierenden an Fachhochschulen und Universitäten.

Deshalb gehen wir diesen Weg und sagen wir: Das jeweilige Land - ein Landeswissenschaftsminister, Herr Frankenberg aus Baden-Württemberg, ist heute hier -, der Bund und die Zivilgesellschaft tun sich zusammen. So sehen moderne Konzepte in vielen Ländern aus, die attraktive Universitäten haben. - Diese Universitäten erheben nicht nur Studiengebühren, sondern sie bieten auch Stipendien an. Genau ein solches Bündnis wollen wir: ein Bündnis der Zivilgesellschaft und der öffentlichen Hand mit den Hochschulen, um die Studienfinanzierung zu stabilisieren und Stipendien endlich auch in Deutschland einzuführen.

Ich sage auch ausdrücklich, weil wir das so in den Gesetzentwurf aufgenommen haben: Wir werden sehr genau beobachten, wie sich die Dinge regional entwickeln. Wenn sich zeigen sollte, dass es Regionen gibt, die in diesem Punkt nicht erfolgreich sind, dann werden wir uns nach der Evaluation Gedanken darüber machen, welche Hilfsmöglichkeiten es gibt.

Ich kann immer nur sagen: Die Universität Dresden, die Universität Cottbus und die Universität Leipzig haben ebenso viele Ehemalige, die in einen solchen Kreis aufgenommen werden können. - Ich sage ausdrücklich: Konzentrieren wir uns nicht einfach immer nur auf die Wirtschaft als eine abstrakte Größe, sondern hier ist die Zivilgesellschaft gefragt. Dadurch ergeben sich dann auch entsprechende gute Möglichkeiten für alle Regionen.

Natürlich fragen die Hochschulen zu Recht: Wer kümmert sich um unsere Kosten, die entstehen, wenn wir einmal viele Stipendien zu verwalten haben? Auch hier bin ich der Meinung: Beginnen Sie, und in drei, vier Jahren werden wir genauso Möglichkeiten schaffen, wie wir das beim Hochschulpakt mit Blick auf die Forschungsförderung - hier ist die Programmkostenpauschale geschaffen worden - schon tun.

Zum Abschluss: Auch die strukturellen Veränderungen beim BAföG sollte man nicht unterschätzen. Die Entbürokratisierung, die Pauschalierung des Mietzuschlags für auswärtig Wohnende und die Verschiebung der Altersgrenze bei den Masterstudiengängen auf 35 Jahre sind wichtig, gerade im Blick auf Frauen, die sich zunächst für Familiengründung und erst später für ein Studium entscheiden. Insofern gibt es auch eine Verbesserung, was die Vereinbarkeit von Familie und Studium angeht.

Ich danke denen, die daran mitgewirkt haben. Ich finde, es ist ein starkes Signal an die Studierenden und ein wichtiges Signal an unsere Universitäten und Hochschulen in Deutschland.


*


Quelle:
Bulletin Nr. 50-3 vom 07.05.2010
Rede der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Dr. Annette Schavan,
zum Entwurf eines Dreiundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung
des Bundesausbildungsförderungsgesetzes und zum Entwurf eines Gesetzes
zur Schaffung eines nationalen Stipendienprogramms
vor dem Deutschen Bundestag am 7. Mai 2010 in Berlin
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
Dorotheenstr. 84, D-10117 Berlin
Telefon: 01888 / 272 - 0, Telefax: 01888 / 272 - 2555
E-Mail: InternetPost@bundesregierung.de
Internet: http://www.bundesregierung.de/


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Mai 2010