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NATO-GEGENGIPFEL/003: Friedliche, gerechte und soziale Alternativen (SB)



Im Kontext der Forderung nach Abrüstung stellen sich zwangsläufig Fragen, die bei den für unmittelbar erforderlich erachteten Schritten der Deeskalation und Beendigung von Kriegseinsätzen beginnen, aber nicht vor der Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Verhältnissen enden dürfen. Das Primat der Waffengewalt als Grundvoraussetzung ökonomischer Stärke läßt sich nicht wirksam aushebeln, ohne die Strukturen zu transformieren, denen sich die militärische Organisation der Durchsetzungsfähigkeit und Konfliktlösung verdankt. Demzufolge gilt es einerseits, Sofortmaßnahmen zu formulieren, die man bei entsprechendem Engagement und eingeleitetem Umdenken für realisierbar hält, und zugleich langfristige Ziele zu entwerfen, deren konsequentes Verfolgen die Wirksamkeit und Konsequenz möglicher erster Erfolge erst sicherstellen kann.

Wollte man das Ende der kapitalistischen Gesellschaftsordnung zur Voraussetzung des Friedens erklären, würde man aller Voraussicht nach eher das Ende der Menschheit, als die fundamentale Umwälzung erleben. Daraus zu schließen, man könne ersteres getrost ad acta legen und pragmatische Konzepte zum Königsweg erklären, hieße jedoch, augenblicklich an den unüberprüften Voraussetzungen des eigenen Lösungsstrebens zu scheitern. Um globale Probleme unter Abkehr von der militärischen Option in Angriff zu nehmen, gilt es demzufolge, zugleich friedliche, gerechte und soziale Alternativen zu entwickeln.

Daß die Bundeswehr ökonomischen Interessen Deutschlands im Auslandseinsatz zur Durchsetzung verhilft, hat Verteidigungsminister Guttenberg jüngst noch einmal unterstrichen und damit auf einen Zusammenhang verwiesen, dem sich auch die Kriegsgegner inhaltlich nicht entziehen dürfen, wollen sie nicht von vornherein zu kurz greifen. Unter den Linken in der Bundesrepublik wird in diesem Zusammenhang kontrovers diskutiert, ob mit der angestrebten Auflösung der NATO ein zentrales Ziel erreicht wäre oder parallel dazu alternative Sicherheitsstrukturen aufgebaut werden müßten. Zweifellos müßte Sicherheit nicht nur anders, sondern im Grunde genommen erstmals organisiert werden, indem man die Beziehungen insbesondere zu jenen Staaten entscheidend verbessert, die vordem als Feinde galten, ohne darüber neue Bündnisse zu Lasten anderer Gegner zu schmieden.

Von den immensen Summen, die von den NATO-Mitgliedern für militärische Zwecke aufgewendet werden, könnte ein wachsender Prozentsatz abgeschnitten und für sinnvoll erachteten Zwecken wie dem Umweltschutz oder der Verbesserung der weltweiten Produktion von Nahrungsmitteln zugeführt werden. Auch hinsichtlich aktueller Kriegseinsätze ließen sich Maßnahmen formulieren und fordern, die darauf abzielen, bei der Rückführung der Soldaten zu beginnen, ohne in diesem Prozeß auf die Forderung nach letztendlicher Auflösung der Streitkräfte zu verzichten.

In Angriff zu nehmen ist aber auch eine Demokratisierung der Vereinten Nationen, die nicht länger ein Spielball oder in Gestalt des Sicherheitsrats ein Instrument die Führungsmächte bleiben dürfen. Neue Institutionen wie beispielsweise ein Gremium zur Durchführung und Kontrolle der Abrüstung wären denkbar. Zurückzuweisen ist jegliche zivil-militärische Zusammenarbeit, wie zivile Organisationen grundsätzlich ihre Unabhängigkeit von Regierungsinteressen erstreiten und wahren sollten.

Gerade weil sich die NATO das atomare Erstschlagsrecht vorbehält, zählt die Abschaffung der Atomwaffen unvermindert zu den wichtigsten Forderungen der Friedensbewegung. Im Albright-Entwurf der neuen NATO-Strategie heißt es dazu, solange Atomwaffen existierten, sollte man sie selbst ebenfalls besitzen. Wenngleich die UNO eine Konvention gegen diese Waffen beschlossen hat, ist auf Ebene staatlicher Akteure kaum etwas in Bewegung geraten. Hier ist wiederum die Zivilgesellschaft gefragt, ihren Namen in der Weise ernst zu nehmen, daß sie den Militärs die Vorherrschaft streitig macht.

20. November 2010