Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → ERNÄHRUNG

BERICHT/095: Erdbebenflüchtlinge von Haiti werden unterstützt (DBV)


Deutscher Bauernverband - Pressemitteilung vom 3. Juni 2010

Erdbebenflüchtlinge von Haiti werden unterstützt

Welthungerhilfe: Spenden kommen bei den Menschen auf dem Land an


Unmittelbar nach dem gewaltigen, zerstörerischen Erdbeben auf Haiti im Sommer 2010 hatte der Deutsche Bauernverband (DBV) zu Spenden für die Erdbebenoper in den ländlichen Regionen aufgerufen. Eine große Spendenbereitschaft von Unternehmen und Einzelpersonen der Land- und Agrarwirtschaft, die auf der zeitgleich stattgefundenen Grünen Woche in Berlin begann, ermöglicht jetzt Aufbauhilfe vor Ort zu leisten. Insgesamt kam eine Spende von 800.000 Euro, darunter eine Sachspende im Wert von 300.000 Euro, zusammen. Von ersten Erfolgen eines mühsamen Weges, die zerstörten Infrastrukturen wieder aufzubauen und den in ärmlichen Verhältnissen lebenden Bauernfamilien und Menschen der ländlichen Regionen Nahrung und Arbeit auf den Feldern zu geben, berichtet der Mitarbeiter der Welthungerhilfe, Hans Ulrich Dillmann im Folgenden:

In den Norden Haitis sind tausende Menschen geflohen, weil das Erdbeben ihre Wohnsitze im Landesinneren rund um die Hauptstadt Port-au-Prince zerstört hat. Untergekommen sind die Flüchtlinge unter anderem bei Familienangehörigen und Freunden in den Orten Jean-Rabel und Oanaminthe, in denen die Welthungerhilfe Projektstandorte unterhält. Mit den Spendengeldern, die der Deutsche Bauernverband der Welthungerhilfe zur Verfügung gestellt hat, werden die mittelosen Erdbebenopfer in diesen Gebieten unterstützt.

In Armut lebt Junior Deljen - er muss zurecht kommen auf zehn engen Quadratmetern. So "groß" ist das Hinterzimmer in einem Bauernhaus am Rande von Jean-Rabel mit eigenem Eingang, der mit einem kleinen Vorhängeschloss tagsüber verschlossen wird. Hier wohnt Deljen mit seinen sechs Geschwistern. Die Jungen schlafen auf der Erde, die drei Mädchen teilen sich nachts das schmale Bett. Ein Holzbrett auf dem sich Metallbecher und Geschirr stapeln. Die Kleider sind an der Wand an Nägeln aufgehängt oder hängen an einer Wäscheleine, die quer durch den Raum gespannt ist. 200 Gourdes, rund vier Euro monatlich, bezahlen die Geschwister für den Wohnraum. Die Eltern leben derzeit in einer Zeltstadt für Obdachlose.

Die Familie Deljen wohnte bis zum Beben am nördlichen Stadtrand Port-au-Prince in einem Vierzimmerhaus. Das Gebäude ist teilweise eingestürzt und unbewohnbar. Auf Initiative der Stadt wurden wenige Tage nach der Naturkatastrophe vier Busse gechartert und mehrmals in die Nähe von Port-au-Prince geschickt, um Ex-Bewohner der Stadt und Umgebung abzuholen - rund 720 Obdachlose kamen so in die Regionalhauptstadt mit ihren 7.000 Einwohnern zurück. "Wir wollten denen helfen, die durch das Erdbeben obdachlos geworden sind", berichtet der Bürgermeister der Gemeinde, Isaac Civil. Finanziert wurde die Evakuierung von Bürgern der Stadt, dem Bürgermeisteramt, dem französischen Entwicklungsdienst und der Deutschen Welthungerhilfe.

In Zusammenarbeit mit der Polizei begann die Stadt bereits kurz nach dem Erdbeben alle Fahrzeuge zu kontrollieren. "So haben wir sehr schnell einen Überblick über die notwendige Hilfe für die 'heimatlos gewordenen' Personen bekommen, die nach Jean-Rabel und Umgebung zurückgekehrt sind und unsere Hilfe benötigten", sagt Rainer Schmid, der Regionalvertreter der Welthungerhilfe. Seit zehn Jahren ist er Büro- und Projektleiter in der ärmsten Region Haitis.

Vor dem Erdbeben vom 12. Januar teilten sich vier bis fünf Menschen die tägliche Mahlzeit, nun müssen plötzlich sieben und mehr mit der gleichen Nahrungsmittelmenge versorgt werden. Über 45.000 sogenannte Inlandsflüchtlinge hat das Koordinierungsbüro für humanitäre Angelegenheiten der Vereinten Nationen im Department Nordwest gezählt, zu dem der Ort Jean Rabel gehört.

"Wir haben deshalb Erdbebenopfer oder Familienangehörige, bei denen sie leben, in das 'Cash-for-work'-Programm eingegliedert", berichtet Welthungerhilfe-Mitarbeiter Schmid. 1.700 Personen erhalten täglich 200 Gourdes, rund vier Euro, den festgelegten haitianischen Mindestlohn dafür, dass sie die Straße im Department ausbessern. Von ihren Einkommen können sich die Menschen Nahrungsmittel und andere Dinge kaufen - das belebt die regionale Wirtschaft.

Die 21-jährige Nadege Alexis und der 18 Jahre alte Junior Deljen helfen eine 45 Kilometer lange Erdpiste von Gebüsch und Unterholz zu befreien. Ist es ihnen gelungen, den Verkehrsweg wieder instand zu setzten, können die Bewohner der Region über diese Wege wieder Märkte und wichtige Einrichtungen wie Krankenhäuser erreichen. Außerdem soll neben dieser Straße zur größeren Stadt Port-de-Paix ein durchgehender Abwasserkanal gegraben werden.

In den Bergen oberhalb von Jean-Rabel arbeiten derweil junge Männer und Frauen im Rahmen von "Cash-for-work" an der Säuberung eines Staubeckens. Sie singen rhythmische Lieder, während sie bräunliches Sediment aus dem Becken schaufeln. Aus dem Wehr zweigt ein Bewässerungskanal ab, mit dem 800 Hektar Bananenplantagen von 2.000 Kleinbauern bewässert werden.

Ein paar Kilometer entfernt sind Bautrupps dabei, die zum Teil kahle Hügellandschaft mit Erosionssperren aus Steinen abzusichern. Zehn Trupps sind auf den Hängen rechts und links des Bergeinschnittes zu sehen. Der 64 Jahre alte Filistin Jean Jacques, der 23-jährige Annilus Ernso, Caton Dien Juste, 70 Jahre und Masilia Jean Jacques, 45 Jahre schichten in einer Schlucht Steine auf Stein. Die Barriere soll im Falle von schweren Regenfällen den Wasserfluss abbremsen und damit die weitere Erosion des Bodens verhindern. Andere Kollegen pflanzen Bambus und Petit-Verde-Gräser, um das abschüssige Gelände zu stabilisieren.

"Schon nach kurzer Zeit sehen die Bauern den Erfolg ihrer Arbeit", sagt Rainer Schmid. "Hinter den Erosionssperren fängt sich Mutterboden und schon bald kann das gewonnene Terrain mit Nutzpflanzen bepflanzt werden. Wir schützen die abgeholzten Berghänge vor weiterer Erosion, schaffen Anbauflächen und verschaffen den Menschen und ihren Familien derzeit Einkommen, das sie gut gebrauchen können."


*


Quelle:
Pressemitteilung vom 3. Juni 2010
Deutscher Bauernverband, Pressestelle
Claire-Waldoff-Straße 7
10117 Berlin
Tel.: 030 / 31 904 239
Mail: presse@bauernverband.net
Internet: www.bauernverband.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Juni 2010