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BERICHT/200: Stadt, Land, Food - Kongress und Festival (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 382 - November 2014
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

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Stadt, Land, Food - Kongress und Festival - Bericht aus Berlin

von Bigi Möhrle, AbL-Baden-Württemberg



Das Festival Stadt, Land, Food, dass das Team um die Markthalle IX in Berlin-Kreuzberg organisiert hatte, war die ganzen vier Tage proppenvoll. Darin fand der erste "Wir haben es satt"-Kongress der Kampagne Meine Landwirtschaft in der Emmauskirche am Lausitzerplatz statt, der restlos ausverkauft war. Es gab alles rund ums Thema Essen und Landwirtschaft: Kartoffeln, Kunst, Kinderprogramm, Kino, Kürbismarmelade auf selbstgemachtem Brot, Gin aus Brandenburg, köstlich geräucherte Fleischburger, Chinese street food, Raclette aus der Schweiz, herrliche asiatische Gemüseteller aus nicht verkaufbarem Gemüse, Wurstmachen live. Das leckere Essen wurde mit dem politischen Input des Kongresses veredelt und garniert. Mit den landwirtschaftlichen Hintergründen und agrarpolitischen Themen die ganze Welt betreffend, aber auch die Bauern direkt vor Ort bei uns. Hinter die Deko der schön angerichteten Menüs zu gucken - dahin, was es für die Bauern und Bäuerinnen bedeutet, heutzutage gute Lebensmittel produzieren zu können, machte das Festival spannend. Die Herausforderungen sind riesig (Gentechnik, TTIP, Antibiotikaresistenzen, ungleiche Subventionen, etc.). Da ist es sehr Mut machend, zu hören, dass wir auch andere mitziehen, motivieren und am Ende etwas bewegen können. Haidee Swanby vom African Center for Biosafety aus Südafrika hat in ihrer Eröffnungsrede beispielsweise erzählt, dass bereits 100 % des Maises, der in Südafrika angebaut wird, gentechnisch verändert ist, das allerdings auch durch die große, langanhaltende Bewegung in Europa gegen Gentechnik, der Rest des afrikanischen Kontinentes bis jetzt davon verschont und die Konzerne dadurch ausgebremst werden konnten.


Überall auf der Welt

Auch aus China wurde Ermutigendes berichtet. Auch dort geht es den Menschen nicht mehr allein um eine Ernährungssicherheit, sondern viele stellen sich die Frage: Was wollen wir essen? Eine kleine Bewegung ist in den letzten vier Jahren in Peking und Shanghai gestartet und hat mit Bauern der Umgebung einen farmers market/Bauernmarkt für ökologisch, bäuerlich erzeugte Produkte gegründet. Wichtig ist ihnen das Gespräch zwischen den Verbrauchern und den Bauern, die gemeinsame Diskussion darüber, welches landwirtschaftliche System man für die Zukunft will. Heute gibt es bereits zwei bis drei Märkte pro Woche und 100 Bauern, die diese Märkte beliefern. Ihr Gesamtumsatz betrug in den letzten vier Jahren vier Mio. €.


Bauern live

Die rund 20 verschiedenen Arbeitsgruppen zum Thema Landwirtschaft und Agrarpolitik waren ein weiterer Teil des Kongresses: vom Marmelade einkochen über Solidarische Landwirtschaft, globaler Saatgutkampf, TTIP, Lobbying in der Agrarpolitik, Spannungsfeld Tierhaltung - zwischen artgerecht und Masse, Bodenfruchtbarkeit u.v.m. Interessanterweise haben sich von den 400 Teilnehmern nur drei fürs Marmelade einkochen eingetragen. Das waren denn auch die größten Überraschungen des Kongresses: dass die Teilnehmer nicht nur Berliner oder Berliner aus dem Umland sind, sondern aus der ganzen Republik angereist, dass der Großteil der Teilnehmer einen sehr hohen Wissensstand besitzt, was die Kongress-Themen anging. Dabei war die Mehrzahl der Teilnehmer nicht die üblichen Verdächtigen, sondern neue Gesichter, querbeet durch alle Generationen. Menschen, die motiviert und engagiert die Frage, wie die Landwirtschaft unserer Zukunft aussehen soll, umtreibt. Die Forderungen der "Wir haben es satt"-Bewegung wurden vorgestellt und vertieft. Unterschiedliche Bauern und Bäuerinnen haben sehr eindringlich und eindrücklich von ihren Erfahrungen und Schwierigkeiten, Niederlagen und Erfolgserlebnissen aus der Praxis dazu erzählt. Ihre Forderungen: "Recht auf Nahrung weltweit!" Johanna Böse-Hartje, Milchbäuerin, AbL, BDM, "Gesundes und bezahlbares Essen für alle!" Karsten Hildebrandt, Buschberghof, "Faire Preise und Marktregeln für die Bäuerinnen und Bauern!" Kirsten Wos, Milchbäuerin, BDM, "Artgerechte Tierhaltung ohne Antibiotika-Missbrauch!" Bernd Schulz, Schweinebauer Brandenburg, "Freiheit für die Saatgutvielfalt!" Karsten Ellenberg, Kartoffelbauer, "Bienen- und umweltfreundliche Landwirtschaft!" Michael Grolm, Thomas Radetzki, beide Imker, "Förderung regionaler Futtermittelerzeugung!" Jan Wittenberg, Ackerbauer, "Zugang zu Land!" Julia Bar-Tal, Hofkollektiv Bienenwerder.


Wir wählen

Es war toll, die Bauern und Bäuerinnen hier selbst zu Wort kommen zu lassen, aber auch der agrarpolitische Talk mit Vertretern der Parteien (SPD, CDU, Linke, Die Grünen) war ein Highlight. Es ist wichtig, die politischen Vertreter einzuladen und anzuhören. Zu hören, welche Interessen sie verfolgen, welche Argumente sie bringen, um zu erkennen wohin ihre Reise geht, schließlich wählen wir am Ende.

Zur Nach- und Weiterlese: www.stadtlandfood.com, www.wir-haben-es-satt.de

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 382 - November 2014, S. 10
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
Telefon: 02381/49 22 20, Fax: 02381/49 22 21
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Internet: www.bauernstimme.de
 
Erscheinungsweise: monatlich (11 x jährlich)
Einzelausgabe: 3,30 Euro
Abonnementpreis: 39,60 Euro jährlich
(verbilligt auf Antrag 28,40 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Januar 2015


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