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BERICHT/208: 26. Milchtagung in Hardehausen - Quotenende, Markt und Weidehaltung (ubs)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 387 - April 2015
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Quotenende, Markt und Weidehaltung
Eindrücke von der 26. Milchtagung in Hardehausen

Von Marcus Nürnberger


In seinem Bericht zur Lage der Milchbauern forderte Ottmar Ilchmann, stellvertretender Bundesvorsitzender der AbL, einen Erhalt bäuerlicher Milchproduktion in regionalen Strukturen. Er wandte sich gegen das aggressive Wachstum, vor allem von Betrieben im Norden Deutschlands, die Tierzahlen von 600 bis über 1.000 Stück anstreben. An die Politik gerichtet forderte er eine nach oben wirksame Begrenzung der Investitionsförderung. Neben einer obligatorischen Weidehaltung sei eine Begrenzung auf 100 Kuhplätze notwendig. "Wenn Betriebe wachsen wollen und damit sowohl den Markt als auch den Wettbewerb um Flächen unter Druck setzen, sollen sie dabei zumindest nicht noch durch staatliche Fördergelder unterstützt werden", so Ilchmann. Er betonte die Unterstützung des Marktverantwortungsprogramms (MVP) des European Milk Board durch die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft. Kern des MVP, das kurz zuvor Romulad Schaber, Präsident der European Milkboard, in Hardehausen vorgestellt hatte, ist, bei einem sich anbahnenden starken Abrutschen der Milcherzeugerpreise in der EU koordinierte und gemeinschaftliche Maßnahmen zu ergreifen, die eine kurzfristige und zeitlich befristete Senkung der erzeugten Milchmenge bewirken. Schon eine relativ kleine Mengenrückführung in der EU hat, wie die Vergangenheit zeigt, eine stabilisierende Wirkung auf die Erzeugerpreise. Sobald sich die Milchpreise erholt haben, enden die Maßnahmen des MVP, das somit nicht mit der bisherigen Quotenregelung zu vergleichen ist, sondern gezielt dazu beiträgt, Substanz vernichtende Situationen am Milchmarkt ("Marktkrisen") zu vermeiden. Das Marktverantwortungsprogramm ist ein Vorsorgeinstrument, das nur im Fall der Krise zur Anwendung kommt. Auf der öffentlichen Anhörung des Bundestages Ende März spricht sich Ilchmann zudem dafür aus, in der dritten Stufe des MVP mit einer verpflichtenden, befristeten Mengenreduzierung eine Grundmenge von z.B. 100.000 oder 150.000 kg Milch je Betrieb auszunehmen, da diese kleinen Betriebe nicht am Mengenwachstum und dem dadurch ausgelösten Preisverfall beteiligt sind. Ausdrücklich forderte Ilchmann die Molkereien auf, Verantwortung zu übernehmen, indem sie einen Bonus für Milcherzeuger einführen, die nach dem Ende der Milchquote ihre Milcherzeugung nicht oder nur in geringem Maße ausdehnen. Aus Hannover war der niedersächsische Landwirtschaftsminister Christian Meyer nach Hardehausen gekommen. Auch er sieht die problematischen Entwicklungen, die durch die noch unter der Vorgängerregierung bewilligten Investitionsförderungen ausgelöst wurden. Zwei Drittel der Gelder, so Meyer, gingen in den Ausbau von Ställen. Gleichzeitig beobachtet er eine Verschiebung der Milchproduktion aus dem Süden Niedersachsens in den Norden. Um das ungebremste Wachstum zu begrenzen, forderte Meyer eine Obergrenze der Tierzahl bei 2 GV pro Hektar und versprach, gemeinsam mit seinen Länderkollegen Möglichkeiten einer Mengenbegrenzung zu prüfen. Er selbst, so der Minister, sympathisiere mit einem Bonus-Malus-System, wie es von Frankreich vorgeschlagen wurde. Offen ließ Meyer allerdings, wie eine derartige Mengensteuerung nach dem Wegfall der Quote als Berechnungsgrundlage funktionieren könnte.

Weide macht gesund

Am Nachmittag stellte Dr. Elke Burow die von ihr in Dänemark durchgeführte Studie zu den gesundheitlichen Auswirkungen der Weidehaltung gegenüber der Stallhaltung dar. Sie zeigte anhand von Vergleichen weidender und nicht weidender Herden, dass Weidegang einen vorteilhaften Effekt auf die einzelnen Wohlbefindensindikatoren Mortalität und Integument, die Haut insbesondere im Bereich des Sprunggelenks, hat. Ebenso zeigte sich ein vorteilhafter Effekt von Sommerweidegang gegenüber Winteraufstallung auf einem multidimensional erhobenen Wohlbefindensindex. Die Ergebnisse zeigen, so Burow, dass der Sommerweidegang zwar das Potenzial hat jedoch keine Garantie für besseres Tierwohlbefinden gegenüber Nicht-Weidegang ist. Bezüglich der Triebwege resümierte Burow, dass die Aufbereitung der Oberfläche der Wege das Auftreten schwerer Lahmheiten reduziere.

Die beiden letzten Vorträge des Tages drehten sich im weitesten Sinne um die Fütterung der Milchkühe. Karin Jürgens von den Landforschern stellte ihre Ergebnisse einer Studie zur Fütterung von Milchkühen unter nahezu vollständigem Verzicht auf Kraftfutter vor. Wenig überraschend, dass diese Herden eine geringere Milchleistung haben. Dafür steigt aber im Gegenzug die Zahl der Laktationen. Gleichzeitig sind die Kosten durch das nicht benötigte Kraftfutter geringer. Bei einer ökonomischen Bewertung schneiden Betriebe ohne bzw. nur mit einem geringen Kraftfuttereinsatz ähnlich, mitunter aber sogar besser, ab als Betriebe mit Kraftfuttereinsatz.

Leistung frisst Kuh

Welch dramatische Auswirkungen die einseitige Zucht auf Leistung für die Ernährung und Vitalität der Kühe hat, zeigte Prof. Dr. Martens auf. Nach der Geburt des Kalbes produziere die Kuh große Mengen an Milch, bis zu 40 Liter pro Tag. Gleichzeitig sei sie aufgrund ihrer biologischen Herkunft insbesondere in den ersten Tagen gar nicht gewillt, große Mengen an Futter aufzunehmen, sondern wolle sich um ihr Kalb kümmern. Die große Milchmenge wird daher unter anderem aus dem Abbau von Körpersubstanz erzeugt. Martens erklärte, dieses Problem bei der Versorgung der Kuh in den ersten Wochen der Laktation könne zwei Monate später negative Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit haben. Seine Empfehlung war, die Kühe in der ersten Woche nur einmal pro Tag zu melken, um so einen Versorgungsengpass zumindest zu reduzieren. In jedem Fall solle man sich aber von dem Zuchtziel hin zu immer noch mehr Leistung trennen.

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 387 - April 2015, S. 7
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Juni 2015

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