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FORSCHUNG/693: Lotsen für die Lebensmittelwirtschaft (idw)


ttz Bremerhaven - 05.06.2009

Lotsen für die Lebensmittelwirtschaft


Aus polaren Gewässern in heimische Backöfen ist es ein weiter Weg. Eine ausgefeilte Verfahrenstechnik hat ihn im Zuge eines effizienten Energiemanagement geebnet. Da Mikroorganismen bereits bei geringen Temperaturen Aktivitäten anregen, kann die Umgebungstemperatur geringer ausfallen - auch in einem Backofen. Werden sie dem Teig zugefügt, lässt sich das gleiche Backergebnis bei geringerem Energieeinsatz erzielen. Das Symposium "Fortschritte in der Lebensmitteltechnologie" am 23./24. Juni in Bremerhaven präsentiert Verfahrensneuheiten, die ihre Feuertaufe bereits bestanden haben.

Sich an schmackhaften Lebensmitteln mit gutem Gewissen satt zu essen - dieser Wunsch könnte dank moderner Verfahrenstechnik bald seine Widersprüchlichkeit verlieren. Forscher arbeiten in dem EU-Projekt FRESHBAKE daran, durch eine spezielle Zusammensetzung von Brot seinen glykämischen Index zu senken. Dadurch würde schneller ein anhaltendes Sättigungsgefühl erreicht. Der Glucosegehalt im Blut bliebe länger konstant, der Hunger-Implus ließe länger auf sich warten. Erzielt wird dieser Effekt durch den Abbau von Phytaten bei der Sauerstoffgärung durch eine enzymgesteuerte Fermentation. Auf diese Weise wird die Senkung des glykämischen Indexes bewirkt und die Bioverfügbarkeit von Mineralien und Spurenelementen erhöht. Prof. Alain Le-Bail vom französischen Institut ENITIAA stellt Ergebnisse aus Testreihen vor, die in Zusammenarbeit mit dem Bremerhavener Institut für Lebensmitteltechnologie und Bioverfahrenstechnik (BILB) erarbeitet wurden.

Die Bremerhavener Forscher steuern außerdem ein Verfahren für anhaltende Rösche bei Kleingebäck bei zur Agenda bei. Dabei wird das Microtec-Verfahren als Basistechnologie verwendet und mit Vakuum-Enthalpie-Kühlung kombiniert. Zur Sicherstellung einer mikrobiologischen Haltbarkeit sind keimarme Bedingungen zum Abkühlen der Backerzeugnisse notwendig. Bei der Vakuum-Enthalpie werden kontaminierte Teilchen durch den Sog des Vakuums abgeführt und zugleich einem Schrumpfeffekt bei der Abkühlung entgegengewirkt. Im Vakuum werden für das restliche Wasser in der Krume abweichende Dampfdruck- und Siedepunkte erzielt. In einer speziellen Gärkammer wird den fertigen Backprodukten dann leichter Feuchtigkeit aus der Kruste entzogen. Dadurch schmeckt das fertige Brot besonders lange frisch und weicht auch bei Belegung deutlich später auf. Daraus ergeben sich große Potentiale für den Cateringbereich.

Der Einsatz von mikrofeinem Aerosol-Sprühnebel macht dieses Verfahren besonders energiesparend. Die optionale Besichtigung der Anlagen und Versuchsaufbauten im nahegelegenen Institut schlägt am zweiten Tag ganz plastisch eine Brücke zur praktischen Anwendung. Das ttz-Institut unter der Leitung von Prof. Klaus Lösche feiert in diesem Jahr sein 20-jähriges Jubiläum. "Eine Gelegenheit, um Ziele für die nächsten Jahre festzusetzen und der Industrie die Bandbreite aktueller Entwicklungen nahezubringen. Gemeinsam mit der Gesellschaft Deutscher Lebensmitteltechnologen e.V., der Vereinigung Deutsche Backtechnik und der Hochschule Bremerhaven wollen wir Ingredienzenhersteller, Produktentwickler, Sensoriker, Marketingexperten und Verfahrenstechniker darin unterstützen, sich in einem umkämpften Marktumfeld durch Spitzentechnologie in den vorderen Reihen zu platzieren," so Prof. Lösche.

Für Bäcker und Milchproduzenten gleichermaßen interessant ist der Einsatz von Sulfhydryloxidasen. Ihre Zuführung im Backprozess macht den Teig elastischer, verfeinert die Poren und sorgt für ein großes Volumen. Erreicht wird dieser Effekt durch die Vernetzung von Kleberproteinen, die wiederum die Wasserrückhaltefähigkeit, die Wasserbindungseigenschaften von Mehlen und die Rheologie von Teigen beeinflussen. Damit lassen sich nicht eine gute Krumenstruktur und ein höheres Brotvolumen erzielen, sondern auch Emulgatoren einsparen. Wie sich auf diese Weise ein hochwertiges Produkt ohne E-Nummern auf der Zutatenliste herstellen lässt, berichten Dr. Lutz Popper und Olaf Gerken von der Stern Enzym GmbH & Co. KG. Für Milchproduzentenist die Zugabe dieser Enzyme ebenfalls interessant, da sie z.B. ESL-Milch einen frischeren Geschmack verleihen. Beim Abkochen der Milch wird die Schwefelgruppe des Moleküls gespalten. Die freigesetzten Moleküle lassen den typischen Kochgeschmack. Sulfhydryloxidasen binden diese Moleküle und wirken damit der Beeinträchtigung des Geschmacks entgegen.

Neben Ansätzen zur Produkt- und Prozessentwicklung stehen auch Vermarktungskonzepte und die Bedienung neuer Zielgruppen - zum Beispiel Fluggäste oder übergewichtige Kinder - auf der Agenda. Mit Einfallsreichtum und einem guten Blick für praktische Problemstellungen kann Forschung und Entwicklung neue Wege eröffnen. Das Sortiment bereichern, Kunden durch überzeugende Qualität zu binden, Nachhaltigkeit im Umgang mit Rohstoffen und ein effizientes Energiemanagement zu realisieren - diese Punkte stehen auf der to-do-Liste jedes erfolgsorientierten Lebensmittelunternehmens. Der Austausch mit Fachleuten kann auf die Frage nach dem "wie" ganz individuelle Antworten hervorbringen.

Eckdaten zum Symposium:

Wann: 23./24. Juni 2009
Tagungsadresse: Forum Fischbahnhof, Am Schaufenster 6, 27572 Bremerhaven
Zielgruppe: Entscheider aus Industrie, Handel und Catering
Anmeldeschluss: 16. Juni 2009
Teilnahmegebühr:
Nichtmitglieder: 395,- €
GDL- und VDB-Mitglieder: 345,- €
StudentInnen: 60,- €
Programm-Download:
www.gdl-ev.org
www.ttz-bremerhaven.de
www.vdb-ev.net

Weitere Informationen unter:
http://www.ttz-bremerhaven.de
http://www.gdl-ev.org
http://www.vdb-ev.net

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution785


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
ttz Bremerhaven, Britta Rollert, 05.06.2009
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Juni 2009