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GENTECHNIK/433: Warum eine Kartoffel verboten und zwei erlaubt werden (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 323 - Juni 2009
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Entscheidungen aus Absurdistan
Warum eine Kartoffel verboten und zwei erlaubt werden

Von Claudia Schievelbein


Ob es am Ende wahlentscheidend war, ob Kartoffeln oder Mais oder beides oder gar nichts auf bestimmten Äckern in Deutschland gewachsen sind, wird sich kaum noch nachvollziehen lassen. Aber allein die Tatsache, dass den Feldfrüchten eine wahlentscheidende Wirkung zugesprochen wurde - wenn auch nur hinter verschlossenen Türen - macht deutlich, welches Interesse in der Bevölkerung und welche Macht der Bewegung in dem Thema Gentechnik auf dem Acker inzwischen steckt. Wissenschaftlich lässt sich jedenfalls nicht begründen, warum Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) gentechnisch veränderten Monsanto-Mais und die sogenannte Cholera-Kartoffel für den Anbau bzw. als Freisetzungsversuch verbot, zwei andere gentechnisch veränderte Kartoffellinien und vor allem aber die gentechnisch mehr Stärke produzierende Amflora hingegen zuließ. Andreas Bauer vom Umweltinstitut in Freiburg formuliert es ganz offen: "Das stinkt nach einem Deal." Im Fall der Kartoffeln war es nun so, dass drei Linien angemeldet wurden: die eine mit einem Gen des Cholera-Bakteriums mit der Idee der Impfstoffherstellung, eine andere mit einem Gen, das einen Impfstoff gegen eine Kaninchenseuche, sowie die dritte, die einen Grundstoff zur Plastikherstellung produzieren soll. Der Antragsteller, die Universität in Rostock, hatte schließlich im Vorfeld angekündigt, die Cholera-Kartoffel gar nicht anbauen zu wollen. Daraufhin beschied die Genehmigungsbehörde - das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) - dass die Cholera-Kartoffel nicht freigesetzt werden dürfe, die beiden anderen Linien aber schon.


Chefsache Gentechnik

"Es ist ganz offensichtlich, dass das BVL vom Ministerium Stück für Stück in den Gentechnikentscheidungen entmachtet wurde", so Andreas Bauer. Das BVL hätte wohl alle Anträge positiv für die Antragsteller beschieden. Die Ministerin hingegen hat wohldosiert immer mal der einen, dann wieder mal der anderen Seite einen Brocken hingeworfen, um möglichst alle ruhig zu stellen. Erst eins für die Bewegung mit dem Verbot des Genmaises MON 810 dann eins für die Industrie, die die Amflora anbauen will. Dann für beide ein Häppchen, vermeindlich jedenfalls, mit dem Verbot der einen und der Zulassung der anderen Kartoffellinien. Die werden nun im berüchtigten Agrobiotechnikum in Mecklenburg-Vorpommern unter Einsatz standorterhaltender Fördermillionen aus dem Bundesforschungsministerium angebaut, obwohl sich die Wissenschaft sehr uneinig darüber ist, ob denn diese Kartoffellinien überhaupt eine Daseinsberechtigung haben. Die an Freisetzungen in Deutschland beteiligten Firmen, u. a. BASF und Syngenta, wollen mit ihrem Engagement auch austesten, ob man am Standort Deutschland überhaupt noch Genpflanzen groß kriegt. Deshalb findet eine Konzentration auf wenige Standorte statt, das meiste wächst neben dem mit leeren Laboren und fehlenden Investoren kämpfenden Biotechnologiestandort Groß Lüsewitz im sogenannten Schaugarten im sachsen-anhaltinischen Uplingen. Dorthin hatten sich die Firmen verzogen, seitdem aufgrund der massiven Proteste die Genbank in Gatersleben zu einer no-go-area für Gentechnik geworden ist und dort nur noch in geringem Umfang damit experimentiert wird. Die Lehre aus den ganzen Absurditäten von Wahlkampf, Pseudowissenschaft und Machtgezerre um die Gentechnik kann nur lauten: Druck aufrechterhalten, sich nicht verwirren lassen und die Erfolge feiern. Wenn auch die Gentechnik nicht sicher ist, eins ist es doch: Bewegung kann was bewegen!


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 323 - Juni 2009, S. 12
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Juli 2009