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GENTECHNIK/510: Mexiko - Tummelplatz für Biotechnologiekonzerne, Gefahr für Wiege des Mais (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 6. Mai 2013

Mexiko: Tummelplatz für Biotechnologiekonzerne - Gefahr für Wiege des Mais

von Emilio Godoy



Mexiko-Stadt, 6. Mai (IPS) - Mexiko ist derzeit Schauplatz eines globalen Machtkampfes zwischen transnationalen Biotechnologiekonzernen und den Gegnern von transgenem Saatgut. Ausgerechnet in der Wiege des Mais mit seinen 59 Arten und tausenden Unterarten von Kultur- und Wildmais soll nach Vorstellungen der Unternehmen der kommerzielle Anbau von Genmais freigegeben werden. Entsprechende Anfragen liegen der Regierung bereits vor.

"Zum ersten Mal wird eine der wichtigsten Kulturpflanzen direkt am Ursprungsort bedroht. Wenn wir zulassen, dass sich die Konzerne durchsetzen, gibt es keine Chance mehr, diese Kulturen an anderen Orten zu schützen", warnt der Kanadier Pat Mooney, Leiter der 'Action Group on Erosion, Technology and Concentration' (ETC Group). "Was in Mexiko derzeit geschieht, ist für den Rest der Welt von entscheidender Bedeutung."

Zivilgesellschaftliche Organisationen, Wissenschaftler und Kleinbauern befürchten, dass Staatspräsident Enrique Peña Nieto und die traditionsreiche Regierungs-Partei der Institutionalisierten Revolution (PRI) die kommerzielle Aussaat von transgenem Mais auf einer Fläche von mehr als zwei Millionen Hektar im nordwestlichen Bundesstaat Sinaloa und im nordöstlichen Tamaulipas erlauben könnten. Die transnationalen US-Konzerne 'Monsanto', 'Pioneer' und 'Dow Agrosciences' hatten sechs entsprechende Anfragen im September gestellt.

Außerdem haben die Multis und 'Syngenta' seit Januar elf weitere Gesuche für die experimentelle Aussaat von Genmais auf 622 Hektar Land in den nördlichen Bundesstaaten Chihuahua, Coahuila, Durango, Sinaloa und Baja California eingereicht. Ein ähnlicher Vorstoß kommt von Monsanto für den Norden des Landes.


"Wir brauchen ein Verbot"

Seit 2009 hat die mexikanische Regierung 177 Genehmigungen für Feldversuche mit transgenem Mais auf einer Gesamtfläche von 2.664 Hektar erlaubt, wie Informationen zu entnehmen ist, die die Regierung verbreitet hat. "Sie werden Genmais auf den Tisch bringen, obwohl die mexikanische Nahrungssouveränität von dem einheimischen Getreide abhängt", meint Evangelina Robles vom Netzwerk zum Schutz des Mais, die derzeit eine Kampagne gegen transgenen Mais durchführt. "Deshalb brauchen wir ein Verbot."

Mexiko produziert derzeit 22 Millionen Tonnen Mais im Jahr und importiert rund zehn Millionen Tonnen, wie aus Zahlen des Landwirtschaftsministeriums hervorgeht. Das lateinamerikanische Land hat Südafrika in den letzten zwei Jahren rund zwei Millionen Tonnen Genmais abgenommen. Die Einfuhr weiterer 150.000 Tonnen steht bereits bevor.

Von den acht Millionen Tonnen Mais, die drei Millionen mexikanische Maisbauern jährlich anbauen, sind etwa zwei Millionen Tonnen für den Eigenbedarf bestimmt. Kultiviert wird vor allem weißer Mais. Die gelben Kolben werden vorrangig als Viehfutter eingeführt.

Mexikos Nationaler Rat für die Evaluierung der Sozialpolitik schätzt den durchschnittlichen Bedarf pro Person auf 123 Kilo Mais im Jahr. Der weltweite Konsum liegt hingegen bei nur 16,8 Kilogramm jährlich.

Mais wurde bereits vor vielen tausenden Jahren von den präkolumbianischen Völkern als Nahrungs- und Kulturpflanze verehrt. Das erklärt die hohe symbolische Bedeutung von Mais im sogenannten Mesoamerika, das ganz Zentralamerika und dem Süden Mexikos umfasst.

Im an Mexiko-Stadt angrenzenden Bundesstaat Mexiko haben kleine Produzenten mit Hilfe von Tests, die Studenten der Autonomen Universität der Hauptstadt entwickelt hatten, genverseuchten Mais nachgewiesen. "Da wir Saatgut untereinander tauschen, dachten wir, dass es eine gute Idee wäre, den Mais untersuchen zu lassen", erläutert die Aktivistin Sara López, die Saatguttauschbörsen organisiert. "Inzwischen achten wir sehr darauf, mit wem wir es zu tun haben."


Geplante Kontamination

Umweltorganisationen, Wissenschaftler und Bauern haben in einheimischem Mais in Chihuahua, Hidalgo, Puebla und Oaxaca eine Kontaminierung festgestellt. Für Camila Montecinos vom Chile-Büro der Nichtregierungsorganisation GRAIN ist die Verseuchung eine "sorgsam geplante und perverse Strategie".

"Die transnationalen Nahrungsmittelkonzerne haben gezielt Mais, Soja und Raps aufgrund des enormen Kontaminierungspotenzials ausgewählt", meint die Expertin, die an der Vorverhandlung der mexikanischen Niederlassung des Ständigen Tribunals der Völker teilnimmt, das 2012 begonnen hat und 2014 sein Urteil sprechen wird.

"Die Unternehmen wollen mit der Ausbreitung der Kontaminierung Fakten schaffen, um die Legalisierung von Genmais in Mexiko zu erreichen", betont Montecinos. Nach Angaben des mexikanischen Umweltministers Juan Guerra wird man auf der Grundlage vorhandener wissenschaftlicher Informationen eine angemessene Entscheidung treffen.

Doch so einfach liegt die Sache nicht. So unterhält die nationale Bauernvereinigung, eine der einflussreichsten Gewerkschaften der regierenden PRI seit 2007 ein Abkommen mit Monsanto über einheimische Maisarten. Darüber hinaus hat es die Peña-Nieto-Regierung bisher versäumt, eine Regelung zu den Charakteristika und dem Inhalt eines Berichts über die Folgen der Freigabe von genetisch veränderten Organismen für die Umwelt, die Artenvielfalt und die Gesundheit von Fauna, Flora und Gewässern zu treffen.

"18 Jahre lang ist es den Unternehmen nicht gelungen, die Menschen davon zu überzeugen, dass ihre Produkte gut sind. Der Mais wird als Mittel der politischen und wirtschaftlichen Kontrolle missbraucht. Doch für die Menschheit ist es wichtig, dass der ursprüngliche Mais fortbesteht", unterstreicht Pat Mooney.

Auf dem Markt zirkulieren bereits die Pflanzenschutzmittel 'Round Up' und 'BT' (die Abkürzung für die Bakterium Bacillus thuringiensis) für Genbaumwolle, -mais, -soja- und -raps, die bisher nur in Kanada, den USA, Argentinien, Brasilien und Spanien erlaubt sind. In China, Russland und der Mehrheit der EU-Länder sind sie verboten. Jüngste in den USA verbreitete Studien haben gezeigt, dass die genmanipulierten Organismen, anders als von den Herstellern behauptet, keine höheren Erträge pro Hektar generieren und auch keine Resistenzen gegen Unkraut oder Plagen bilden.

"Wir werden die Möglichkeiten rechtlicher Schritte gegen die neuen Anfragen der Konzerne in Erwägung ziehen", meint Evangelina Robles vom Netzwerk zum Schutz des Mais. (Ende/IPS/kb/2013)


Links:

http://www.etcgroup.org/
http://www.grain.org/es/
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=102795

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IPS-Tagesdienst vom 6. Mai 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Mai 2013