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GENTECHNIK/534: Gerangel um Anbauverbote geht weiter (ubs)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 392 - Oktober 2015
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Gerangel um Anbauverbote geht weiter
Ob sich die Länder mit ihrer Forderung nach einer bundeseinheitlichen Lösung durchsetzten ist noch ungewiss

Von Annemarie Volling


Während aktuell in Deutschland um die Umsetzung der europäischen Richtlinie zum so genannten Opt-out im Gentechnikgesetz gerungen wird, haben Regierungen der Mitgliedstaaten erste Briefe an die EU-Kommission geschrieben, weil sie den Anbau von geplanten Gentechnikpflanzen für ihr Hoheitsgebiet ausschließen wollen.

Bundesregierung weiter uneinig

Der aktuelle Gesetzentwurf des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMEL) vom Juni sieht vor, dass die Länder und unter bestimmten Bedingungen auch der Bund Anbauverbote erteilen können. Bislang konnten sich die zuständigen Ressorts auf Bundesebene - BMEL und Bundesumweltministerium - nicht einigen, da das Umweltministerium den Bund in der Pflicht sieht, Anbauverbote zu erteilen, Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt dies aber ablehnt. Auf Ressortebene ist es bisher nicht zu einer Annäherung gekommen. Gesetzentwurf der Bundesländer auf dem Vormarsch.

Der im Juli 2015 im Bundesrat vorgelegte Gentechnik-Gesetzentwurf von fünf Bundesländern (Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein) hat die erste Hürde genommen und wird vermutlich bei der Bundesratssitzung am 25. September an den Bundestag überwiesen. Positiv an dem Vorschlag ist, dass der Bund klar die Kompetenz erhalten "soll", Anbauverbote zu erteilen. Entweder in der Phase 1 (während des Zulassungsprozesses) oder in Phase 2 (nach europaweiter Zulassung). Damit wäre eine zentrale Forderung der gentechnikfreien Bewegung erfüllt: bundesweite, vom Bund erteilte Anbauverbote. Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) hat die Bundesländer aufgefordert, das Wort "soll" durch "muss" zu ersetzen. Wenn bundesweite Verbotsgründe vorliegen, "muss" der Bund nach Meinung der AbL auch Anbauverbote erteilen. Ein "Muss" ist auch deshalb zielführend, weil es sicherlich auch weiterhin ein Ringen darum geben wird, welche Verbotsgründe in welchen Kombinationen angeführt werden.

Dem Vernehmen nach gab es aus Bayern einen Antrag, dass, wenn der Bund nicht tätig wird, die Bundesländer sowohl in Phase 1 als auch 2 befugt werden sollen, Anbauverbote zu erteilen. Das wäre eine Annäherung an den Vorschlag von Minister Schmidt, der mittlerweile auch beide Ebenen (Länder und nachrangig den Bund) in der Verantwortung sieht. Nicht bundeseinheitliche Verbote stellen aber für die gentechnikfreie Land- und Lebensmittelwirtschaft ein Problem dar. Ein Flickenteppich mit verschiedenen Anbauregelungen ist aus wirtschaftlicher, aber auch aus rechtlicher Sicht fatal. Dieser bayerische Antrag ist mit einer breiten Mehrheit im Agrar- und Umweltausschuss des Bundesrates abgelehnt worden.

Dass der Bund am 25. September einen eigenen Gesetzentwurf einbringt, ist unwahrscheinlich. Dennoch werden die zuständigen Bundesressorts sowie die Fraktionen im Bundestag versuchen, Einfluss auf das Gesetz zu nehmen. Wer sich wie durchsetzt und wer welche Kompromisse eingeht, bleibt abzuwarten. In jedem Fall ist die Bewegung gefragt. Die Bundesländer sind aufgefordert, konsequent zu bleiben und sich weiter für bundesweite, vom Bund erteilte Anbauverbote stark zu machen.

Mitgliedstaaten wollen Opt-out nutzen

Für Gentechnikpflanzen, die im Zulassungsprozess bereits weit fortgeschritten sind (z. B. der GV-Mais 1507 oder die Wiederzulassung von MON810), sieht die Richtlinie eine Übergangsfrist bis zum 3. Oktober vor, in der Mitgliedstaaten die Phase 1 quasi nachträglich ziehen können. Phase 1 bedeutet, dass Mitgliedstaaten über die Kommission den Antragsteller bzw. Konzern anfragen können, ob er ihr Hoheitsgebiet (oder Teile davon) von der europaweiten Anbauzulassung ausschließt. Also eine europaweite Anbauzulassung außer in bestimmten Gebieten. Von dieser Regelung wollen nach jetzigem Stand Griechenland, Lettland, Schottland, Österreich und Deutschland Gebrauch machen. Der US-Konzern Monsanto kündigte an, den Wünschen von Lettland und Griechenland entgegenzukommen - weitere Anfragen würden fallweise geprüft. In diesem Zuge kritisierte Monsanto die Optout-Regelung scharf und erklärte erneut, dass sie die Regelung als "unverhältnismäßig und diskriminierend" betrachten, weil "willkürliche politische Verbotsgründe" aufgeführt würden.

Jetzt Phase 1

Auch Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt will die Phase 1 für acht anhängige GV-Mais-Anbauanträge nutzen. Das BMEL forderte in einem Schreiben die zuständigen Länderressorts auf, dem Bund mitzuteilen, ob ihr Hoheitsgebiet von der Zulassung ausgenommen werden soll. Wenn sich die Länder nicht äußern, würde das BMEL dieses als Zustimmung sehen, Phase 1 zu ziehen. Bundesforschungsministerin Wanka hat das Vorgehen kritisiert, weil es nicht abgestimmt sei, aber auch weil ein Anbauverbot nach Phase 1 "unmittelbar nachteilige Auswirkungen für die Forschung" habe. Die AbL lehnt zwar die Phase 1 ab, weil hier die Konzerne willkürlich der Anfrage der Mitgliedstaaten nachkommen können - oder auch nicht. Der Druck der Bewegung wirkt: Das BMEL wird hier tätig und beabsichtigt anscheinend in diesem Punkt auch ein bundeseinheitliches Vorgehen.

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Opt-out / Import

Im April hatte die EU-Kommission vorgeschlagen, den Mitgliedsstaaten auch bei Importen von Gentechnik-Pflanzen Verbotsmöglichkeiten einzuräumen - und bekam starken Gegenwind. die Gründe für die Ablehnung sind allerdings unterschiedlich: Die Gentechnik-Befürworter im EU-Parlament und Industrie-Lobbyisten sehen darin ein Verstoß gegen internationales Handelsrecht sowie ein Problem der "Versorgungssicherheit" für Tierfutter in Europa. Eine wettbewerbsfähige Veredlungswirtschaft sei ohne diese Importe von gentechnisch veränderten Agrarprodukten nicht möglich, konstatierte der Deutsche Verband Tiernahrung (DVT). Aus anderen Gründen kritisierte die Europaparlamentarierin der Grünen, Maria Heubuch, den Vorschlag. Sie forderte echte Mitbestimmungsmöglichkeiten und eine verschärfte und umfassende Risikobewertung auf der Basis unabhängiger Studien.


Annemarie Volling, Netzwerk gentechnikfreie Landwirtschaft

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 392 - Oktober 2015, S. 5
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. November 2015

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