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GENTECHNIK/570: Systematische Monopolisierung (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 423 - Juli/August 2018
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Systematische Monopolisierung
Neue Gentechnikverfahren und deren Patentierung setzten Landwirtschaft und Züchtung unter Druck

von Christoph Then und Ruth Tippe


In der Diskussion um die neuen Gentechnikverfahren, bei denen u. a. Genscheren (Nukleasen) wie CRISPR/Cas eingesetzt werden, behaupten viele Akteure, dass die neue Technologie billiger sei als die bisherige Gentechnik und deswegen auch von kleineren Unternehmen und nicht nur von den großen Gentechnikkonzernen eingesetzt werden könne. Dabei wird übersehen, dass die neuen Verfahren unter Verwendung von Nukleasen wie CRISPR/Cas9 ebenso patentiert werden wie die damit manipulierten Pflanzen und Tiere.

Konzerne wie Bayer, Monsanto, DuPont und Syngenta haben längst Verträge mit den Erfindern der DNA-Scheren rund um das Broad Institute (in Kooperation mit dem Massachusetts Institute for Technology, MIT & Harvard) und der Universität von Kalifornien geschlossen, um deren Patente zu nutzen. Diese US-Institutionen haben bereits weit mehr als hundert Patente auf die Grundlagen der Technologie angemeldet.

Patente, Patente, Patente

Für spezielle Anwendungen beantragen die Konzerne dann weitere Patente. Dies zeigen aktuelle Recherchen: Zum Beispiel meldet Dow AgroSciences systematisch Patente auf natürlicherweise vorkommende DNA-Sequenzen im Erbgut von Pflanzen an, die besonders für den Einsatz von Nukleasen geeignet sein sollen. Andere Patentanmeldungen beziehen sich auf Anwendungen wie die Erzeugung von Herbizidresistenzen, verändertes Wachstum, veränderte Inhaltsstoffe oder auch auf bestimmte technische Variationen beim Einsatz der Nukleasen. Auch Bayer und Monsanto haben eigene Patente auf Nukleasen, deren Anwendung und entsprechend manipulierte Pflanzen angemeldet. Bayer kooperiert hier auch mit anderen Firmen wie Cellectis (zu der die Firma Calyxt gehört, die schon bald entsprechende Pflanzen in den USA vermarkten will) und CRISPR Therapeutics. Für Bayer dürfte dabei besonders interessant sein, dass CRISPR Therapeutics, an der eine der Erfinderinnen von CRISPR/Cas9, Emmanuelle Charpentier, beteiligt ist, alle Anwendungen im Bereich landwirtschaftlicher Pflanzen- und Tierzucht exklusiv dem Konzern zur weiteren Nutzung überlässt.

Die Entwicklung erfasst auch die Tierzucht: Der Konzern Genus, einer der größten im Bereich der Zucht landwirtschaftlicher Nutztiere, hat bereits angekündigt, Tiere nutzen zu wollen, die aus Genome Editing hervorgehen, und kooperiert dabei insbesondere mit der Firma Recombinetics, die bereits rund ein Dutzend Patente auf Schweine und Rinder angemeldet hat. Diese Patentanträge beziehen sich u. a. auf Rinder ohne Hörner, muskelbepackte Schweine und Tiere, die nicht geschlechtsreif werden und daher länger gemästet werden können.

Mit Hilfe der neuen Gentechnikverfahren kann über Umwege auch die Laufzeit alter Patente verlängert werden: Sowohl Bayer als auch DowDupont haben Patente auf glyphosatresistente Pflanzen angemeldet, die mit dem CRISPR-Verfahren hergestellt werden. So kann auch in Zukunft das Kerngeschäft - die Vermarktung herbizidresistenter Soja, Mais, Raps und Baumwolle - durch Patentmonopole geschützt werden. Eine ganz spezielle Anwendung des von der Industrie viel beschworenen "Innovationsprinzips": alter Wein in neuen, patentierten Schläuchen.

Zunehmende Konzentration

Über die Patente wird der Einfluss der großen Saatgutkonzerne weiter wachsen und der Konzentrationsprozess in der Branche weiter vorangetrieben. Schon jetzt verfügen nur drei Unternehmen - "Baysanto", DowDuPont und Syngenta - über einen Anteil von rund 50 % am internationalen Saatgutmarkt. Bei den Patentanmeldungen auf neue Gentechnikverfahren im Bereich Nutzpflanzen führt derzeit DowDu-Pont mit rund 50 internationalen Patentanmeldungen (angemeldet bei der WIPO in Genf), Baysanto kommt auf rund 30. Die Firma Cellectis mit ihrem Ableger Calyxt, die mit Bayer kooperiert, kommt ebenfalls auf über 20. Weiterhin mit dabei sind Syngenta und BASF, einige wenige Patente wurden auch von klassischen Züchtungsunternehmen wie Rijk Zwaan und der KWS angemeldet.

Anwälte gegen Züchter

Auch bei der ursprünglichen Einführung der Gentechnik gab es viele Unternehmen, die sich hier engagieren wollten. Überlebt haben die Konzerne, die sich die besten Patentanwälte leisten können. In einer von Patenten geprägten Züchtungslandschaft können sich - anders als im Rahmen des Sortenschutzes - kleine und mittelständische Züchter langfristig nicht durchsetzen. Diese Entwicklung kann auch erhebliche Auswirkungen auf die herkömmliche Züchtung haben: Patentiert werden nicht nur technische Verfahren, sondern auch die jeweiligen Pflanzen und Tiere mit ihren Eigenschaften. Dabei gilt der sogenannte "absolute Stoffschutz": Die Patente gelten für alle Pflanzen und Tiere, die die beschriebenen Eigenschaften haben, unabhängig davon, wie sie gezüchtet oder gentechnisch verändert wurden. Ist also ein Salat z. B. resistent gegen Blattläuse, gilt ein entsprechendes Patent sowohl auf CRISPR als auch auf konventionell gezüchtete Pflanzen. Das widerspricht den Patentgesetzen, da "im Wesentlichen biologische" (also herkömmliche, konventionelle) Verfahren zur Züchtung nicht patentierbar sind.

Staatliche Regulierung

Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung heißt es: "Patente auf Pflanzen und Tiere lehnen wir ab." Ein wichtiges Ziel. Doch ist es erreichbar? In der letzten Legislaturperiode gab es bereits einen Anlauf, wenigstens Patente auf konventionelle Züchtung zu verbieten. Das Ergebnis war nicht überzeugend. Pflanzen und Tiere, bei denen neue Mutationen oder sonstige Veränderungen des Erbguts nachgewiesen werden, sind nach wie vor patentierbar unabhängig davon, wie diese jeweils zustande kamen. Mit dieser Regelung sind alle neuen Gentechnikverfahren definitiv patentierbar, aber eben auch Pflanzen aus herkömmlicher Mutationszüchtung. In einem jüngst veröffentlichen Aufruf wenden sich deswegen rund 40 Organisationen - darunter die AbL und die IG Nachbau - an die Politik, damit wenigstens die größten Schlupflöcher für derartige Patente endlich geschlossen werden
(https://www.no-patents-on-seeds.org/).

Christoph Then und Ruth Tippe,
Kein Patent auf Leben

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Die Genschere CRISP/Cas-9

Nukleasen sind Eiweiße (Enzyme), mit denen die DNA (deutsch: Desoxyribonukleinsäure, DNS) aufgetrennt werden kann - man nennt sie deswegen auch DNA-Scheren oder Genscheren. Die aktuell wohl wichtigste Nuklease ist CRISPR/Cas.

CRISPR/Cas kann so programmiert werden, dass sie die DNA an einer bestimmten Stelle durchtrennt. An der Stelle, an der die Nukleasen wirksam sind, werden DNA-Strukturen verändert, wodurch die betreffende Gen-Funktion gestört oder blockiert werden kann. So können natürliche Gene stillgelegt werden ("knock-out") oder verändert werden. Mit Hilfe des CRISPR/Cas-Systems kann auch zusätzliche DNA in das Erbgut der Zellen eingebaut werden ("knock-in"). Während die Industrie behauptet, dass CRISPR nicht als Gentechnik anzusehen sei, wenn keine zusätzlichen Gene eingefügt werden, meldet sie doch auf alle Anwendungen von CRISPR Patente an. Im Ergebnis könnten dann Pflanzen oder Tiere zwar nicht als Gentechnik gekennzeichnet, aber trotzdem patentiert sein.

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 423 - Juli/August 2018, S. 19
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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(verbilligt auf Antrag 32,00 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. September 2018

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