Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → ERNÄHRUNG

HUNGER/243: Ernährung - Neue Krise im Anmarsch, Anstieg der Nahrungsmittelpreise fördert Inflation (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 11. Januar 2011

Ernährung: Neue Krise im Anmarsch - Anstieg der Nahrungsmittelpreise fördert Inflation

Von Thalif Deen


New York, 11. Januar (IPS) - Im Neuen Jahr bahnt sich eine Ernährungskrise an, die ein noch schlimmeres Ausmaß erreichen könnte als die von 2007/2008. In vielen Entwicklungsländern ist bereits ein Anstieg der Nahrungsmittelpreise zu beobachten. Drohende Ernteausfälle und jede noch so kleine Klimaanomalie könnten das Problem weiter verschärfen.

Die UN-Ernährungsorganisation FAO warnte Anfang Januar, dass die Weltmarktpreise für Reis, Weizen, Zucker, Gerste und Fleisch hoch bleiben wenn nicht gar anziehen werden. Ein solcher Trend zusammen mit wachsenden Energiekosten wird dazu führen, dass sich das Heer der Hungernden von derzeit fast einer Milliarden Menschen weiter vergrößert.

Und damit nicht genug: In Indien und anderen süd- und ostasiatischen Ländern sorge die Zunahme der Nahrungsmittel- und Energiepreise für zweistellige Inflationsraten und einen Verlust der Kaufkraft, warnt Rob Voss, Leiter der Abteilung Entwicklungspolitik der UN-Hauptabteilung für wirtschaftliche und soziale Angelegenheiten (DESA). Dadurch verringerten sich die Chancen der betroffenen Länder, sich zu erholen.

Etliche Zentralbanken sehen sich bereits zu einer strikteren Geld-, die Regierungen zu einer rigiden Haushaltspolitik gezwungen. Bolivien beispielsweise musste seine Verbrauchersubventionen aus Angst vor einer Ausweitung seines Haushaltsdefizits kappen.

Schon im vergangenen Jahr war es in Marokko zu Unruhen über den Anstieg der Brotpreise gekommen. Der Tod von 13 Menschen war die Folge. "2008 lösten die hohen Nahrungspreise Unruhen in rund 30 Ländern aus. Da sich seither nicht viel verändert hat, könnten sie sich in diesem Jahr wiederholen", so Frederic Mousseau vom 'Oakland Institute' im US-amerikanischen San Francisco.

Ende 2010 war es in China zu Protesten gegen hohe Mittagessenpreise an weiterführenden Schulen gekommen, Algerien kam nur knapp um eine Hungerrevolte über den Anstieg der Mehl-, Milch- und Zuckerpreise herum. Anfang Januar zogen Algerier erneut auf die Straße, um gegen die wirtschaftliche Entwicklung einschließlich den Anstieg der Nahrungsmittelpreise zu protestieren - auch hier kam es zu Toten -, und auch im benachbarten Tunesien brachen Unruhen aus.

Der Anstieg der Nahrungsmittelpreise 2010 erfolgte gleich nach den Ernteausfällen in Russland und Osteuropa, die unter anderen eine Folge der Sommerbrände waren. Nun lassen die Überschwemmungen in Australien, dem viertgrößten Weizenexporteur der Welt, auf einen Rückgang der Ernten schließen, was sich wiederum in einen erneuten Preisanstieg niederschlagen könnte.

"Jeder neue Klimaschock in einem weiteren Nahrungsmittelexportland oder der Anstieg der Ölpreise wird die Nahrungsmittelpreise nach oben treiben und die Ernährungslage noch schlimmer machen als 2008", prognostizierte Mousseau, Autor des Buches 'The High Food Price Challenge: A Review of Responses to Combat Hunger'.

Dem Experten zufolge ist weder die drohende noch die Ernährungskrise von 2007/2008 auf einen Mangel an Nahrungsmitteln zurückzuführen. "Man kann wohl kaum das Wort 'Mangel' in den Mund nehmen, wenn man bedenkt, dass ein Drittel des Getreides an Tiere verfüttert und ein wachsender Teil zu Biotreibstoffen verwendet wird", betonte er. Vielmehr erinnerte er daran, dass 2008 eine Weltrekordernte von 2,232 Milliarden Tonnen Getreide eingefahren worden sei. Die Produktion 2010/1011 falle nur unwesentlich geringer kleiner aus.

Ähnlich wie 2008 ist der Preisanstieg bei den Nahrungsmitteln laut Mousseau mehreren Faktoren zu verdanken. So sorgt eine schlechte Ernte in einem Teil der Welt für Druck auf dem Weltmarkt, der daraufhin Signale an Spekulanten aussendet, Getreide in großem Stil aufzukaufen. Dies wiederum verursacht die Preiserhöhungen.

Auch die neue Krise verdeutliche den Zusammenhang zwischen Öl- und Nahrungsmittelpreisen, hob Mousseau hervor. So wie schon 2008 machten Ölpreise das Agrotreibstoffgeschäft rentabler und die Verwendung von noch mehr Nahrungsmittelpflanzen für die Herstellung von Ethanol- und Biodiesel wahrscheinlicher. (Ende/IPS/kb/2011)


Links:
http://www.fao.org/
http://www.oaklandinstitute.org/
http://ipsnews.net/news.asp?idnews=54074

© IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH


*


Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 11. Januar 2011
IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 28 482 361, Fax: 030 28 482 369
E-Mail: redaktion@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Januar 2011