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HUNGER/333: Lateinamerika - UN-Millenniumsziel erreicht, Millionen Menschen weiter unterernährt (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 1. Juni 2015

Lateinamerika: UN-Millenniumsziel erreicht - Doch Millionen Menschen weiter unterernährt

von Marianela Jarroud


Bild: © Mauricio Ramos/IPS

Verteilung von Lebensmitteln im mexikanischen Bundesstaat Tabasco
Bild: © Mauricio Ramos/IPS

SANTIAGO DE CHILE (IPS) - Als erste Region der Welt haben Lateinamerika und die Karibik das UN-Millenniumsentwicklungsziel erreicht, das die Halbierung der Zahl der Hungernden vorsieht. Dennoch haben dort noch immer 34,3 Millionen Menschen beziehungsweise 5,5 Prozent der Bevölkerung nicht genug zu essen.

Wie aus dem Ende Mai von der Weltagrarorganisation FAO veröffentlichten Bericht zur globalen Ernährungsunsicherheit (SOFI) hervorgeht, lebten im Jahr 2002 44 Prozent der lateinamerikanisch-karibischen Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze. Inzwischen ist der Anteil auf 28 Prozent der schätzungsweise 605 Millionen Einwohner geschrumpft.

Südamerika, wo sich 66 Prozent der regionalen Gesamtbevölkerung konzentrieren, verzeichnete bei der Bekämpfung des Hungers die größten Fortschritte in den Zeiträumen 1990 bis 1992 und ab 2012. Dort sind allerdings auch die meisten unterernährten Menschen zu finden.


Haiti Schlusslicht in der Region

Im selben Zeitraum gelang es der Subregion Zentralamerika, die Zahl der Hungernden von 12,6 Millionen auf 11,4 Millionen zu verringern. Dieser Prozess hat sich allerdings seit 2013 verlangsamt. Den größten Rückstand weist die Karibik auf, wo 7,5 Millionen Menschen Hunger leiden. Zurückzuführen ist dies in erster Linie auf die Lage in Haiti, dem ärmsten Land der Hemisphäre. Dem Bericht zufolge leben dort 75 Prozent aller Unterernährten des Karibikraums.

Haiti habe tief wurzelnde Probleme, die noch auf die Kolonialzeit und die damalige Landverteilung zurückgingen, erklärte Eve Crowley, die stellvertretende FAO-Regionalbeauftragte, bei der Vorstellung des Berichts am 28. Mai in Santiago de Chile. In der jüngeren Vergangenheit habe die politische Instabilität das Wirtschaftswachstum des Landes negativ beeinflusst.

Der Report weist aber auch darauf hin, dass im Laufe der vergangenen zwei Jahrzehnte mehr als 30 Millionen Menschen in der Region den Hunger überwunden haben. Dabei habe sich gezeigt, dass "ein nützliches Repertoire an öffentlichen Maßnahmen auch anderen Regionen als Grundlage dienen kann". Die FAO führt die Erfolge im Kampf gegen den Hunger zum einen auf einen positiven makroökonomischen Hintergrund während der letzten Dekade und zum anderen auf den erklärten politischen Willen zurück, Abhilfe zu schaffen.


Klimawandel verschärft Hungerproblem

"Diese Region hat das Hungerproblem am besten verstanden und legt den größten Nachdruck auf Strategien für Hilfsbedürftige", lobte der regionale FAO-Vertreter Raúl Benítez im Gespräch mit IPS das Engagement der Regierungen. Der politische Wille, Abhilfe zu schaffen, habe sich erst kürzlich erneut manifestiert, als die Gemeinschaft der lateinamerikanischen und karibischen Staaten (CEPAL) einem Plan für Nahrungssicherheit, Ernährung und Beseitigung des Hungers zugestimmt habe.

Der auf internationaler Ebene wegweisende Vorstoß sieht die definitive Beseitigung des Hungers bis 2025 vor. Dazu müssten auch die Auswirkungen des Klimawandels abgemildert werden, die vor allem Kleinbauern und Arme beträfen, betonte der FAO-Vertreter. Es gelte nun durch Klimaanpassungs- und Schutzmaßnahmen eine nachhaltige Nahrungsmittelproduktion zu erreichen und auf die Verlangsamung des Wirtschaftswachstums angemessen zu reagieren.

"Wir müssen die Öffentlichkeit dafür sensibilisieren, dass Millionen Frauen, Männer und Kinder von Hunger betroffen sind. Die Gefahr von Rückschlägen ist immer latent vorhanden", warnte Benítez. "Hunger beraubt Menschen ihrer Bildung, Gesundheit, ihrer Nationalität und vor allem ihrer Freiheit."


Armen wird Zugang zu Nahrung erschwert

Die Ursache für den Hunger in Lateinamerika und der Karibik sieht Benítez weniger in einem Mangel an Nahrungsmitteln als an den Nahrungsmittelpreisen. "Das Problem ist der Zugang zur Nahrung, nicht deren Produktion", erklärte er. "Es anzugehen, bedeutet mehr, als einen Teller mit Essen auf den Tisch zu stellen. Das Problem betrifft uns alle und erfordert eine Lösung auf regionaler Ebene. Länder mit mehr Erfahrung im Kampf gegen den Hunger und die reichsten Staaten der Region müssen den anderen helfen, den Hunger schneller auszurotten."

Am Ende des Jahres werden die Millenniumsziele durch die neuen Nachhaltigkeitsziele abgelöst. Nicht nur dem Hunger wird der Kampf angesagt, sondern auch anderen Ernährungsproblemen wie etwa dem besorgniserregenden Anstieg der Zahl fettleibiger Menschen. "Fettleibigkeit", so Benítez, "ist bereits dabei, sich zu einem gravierenden regionalen Problem zu entwickeln". (Ende/IPS/ck/01.06.2015)


Links:

http://www.ipsnews.net/2015/05/latin-americas-relative-success-in-fighting-hunger/
http://www.ipsnoticias.net/2015/05/exito-con-sombras-de-america-latina-en-reduccion-del-hambre/

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IPS-Tagesdienst vom 1. Juni 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Juni 2015

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