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HUNGER/338: Lateinamerika - Parlamentarier setzen Zeichen gegen den Hunger (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 16. November 2015

Lateinamerika: Parlamentarier setzen Zeichen gegen den Hunger

von Marianela Jarroud *



Bild: © Franz Chávez/IPS

Ein Mädchen in traditionellem bolivianischen Gewand trägt einen Korb voller Obst, das fundamentaler Bestandteil des neuen Frühstücksangebots in bolivianischen Schulen ist
Bild: © Franz Chávez/IPS

SANTIAGO DE CHILE (IPS) - Bis zum Jahr 2025 will Lateinamerika den Hunger in der Region besiegt haben. Parlamentsabgeordnete aus allen lateinamerikanischen und karibischen Staaten treffen sich vom 15. bis 17. November in der peruanischen Hauptstadt Lima zum Sechsten Forum der 'Parlamentarischen Front gegen den Hunger' (PFH), um eine Strategie zu entwerfen, wie den 34 Millionen unterernährten Menschen der Region geholfen werden kann.

Ziel der Parlamentarier ist es, institutionelle Rechtsrahmen als Grundlage für nationale Gesetze zu schaffen. Ihre bisherige Arbeit hat ein gutes Fundament dafür gelegt, dass ihr Plan aufgehen wird: Als das Forum im Jahr 2006 gegründet wurde, setzten die Parlamentarier sich das Ziel, bis zum Jahr 2015 die Armut im Vergleich zum Jahr 1990 zu halbieren. Mit Hilfe einer Reihe von politischen Maßnahmen, an denen auch die Zivilgesellschaft beteiligt wurde, konnten sie das Ziel erreichen.

Teil dieser Maßnahmen waren Gesetze zur Unterstützung der kleinbäuerlichen Landwirtschaft in Argentinien und Peru. In der Dominikanischen Republik liegt dem Parlament zur Zeit ein entsprechender Gesetzentwurf vor. In Ecuador wurde ein Gesetz verabschiedet, mit dem Nahrungsmittel, die von Kleinbauern erzeugt wurden, mit einem entsprechenden Label versehen werden. Ähnliches hat nun auch Argentinien vor.


Frühstück für bolivianische Schulkinder

Eines der erfolgreichsten Gesetze hat Bolivien im Dezember 2014 verabschiedet. Mit ihm sollen im ganzen Land flächendeckend Schulfrühstücke eingeführt werden, für die lokale Produkte angekauft werden. In der Hauptstadt La Paz gibt es diese Art der Kooperation von Bildungseinrichtungen und lokalen Produzenten bereits seit dem Jahr 2000 - und zwar erfolgreich.

"Dadurch, dass die Kinder jetzt in der Schule frühstücken, hat ihre Beteiligung am Unterricht zugenommen", erzählt Germán Silvetti, Direktor der Grundschule 'República de Cuba', gegenüber IPS. "Auch ihre weiteren Leistungen haben sich stark verbessert." Viele Kinder kommen zur Schule, ohne vorher gefrühstückt zu haben. Gerade sie brauchen die Schulnahrung, um ausreichend Nährstoffe zu sich zu nehmen.

Nicht alle Produkte, die in Bolivien angebaut werden, kamen bei den Schülern von Anfang an gut an. Die eiweißreichen Quinoa-Samen zum Beispiel standen auf der Beliebtheitsskala weit unten. "Ich habe den Schülern dann erzählt, dass selbst die Astronauten Quinoa essen. Und wenn wir ihrem Beispiel folgen, dann schaffen auch wir es auf den Mond", erzählt die Lehrerin María Inés Flores. Seitedem greifen die Kinder voller Begeisterung zu, wenn die Samen auf dem Speiseplan stehen.

Elf Millionen Menschen leben in Bolivien, 18 Prozent von ihnen gelten als arm. Das Frühstücksprojekt, das zum staatlichen Programm 'Vivir Bien' (auf Deutsch: 'Gut Leben') gehört, soll die Zahl der Armen stark reduzieren, hoffen die Behörden.


Armut in Mexiko zugenommen

In Mexiko waren die Programme bisher nicht besonders erfolgreich. Die Armut hat in dem 124-Millionen-Einwohner-Land in den vergangenen drei Jahren sogar noch zugenommen. "Wir denken uns Initiativen aus und stellen Kostenpläne auf", sagt Senatorin Angélica de la Peña, die die Aktivitäten der Parlamentarischen Front gegen den Hunger in Mexiko koordiniert. "Aber die Abgeordneten geben dem Programm einfach keine Priorität." Der Senat habe beispielsweise ein Gesetz für ein Menschenrecht auf Nahrung, das die Parlamentarische Front initiiert hatte, noch nicht verabschiedet.

55,3 Millionen Menschen in Mexiko sind von Armut betroffen, 27 Millionen gelten als unterernährt. Um die Armut in den 400 am stärksten betroffenen der 2.438 mexikanischen Gemeinden zu reduzieren und 7,4 Millionen hungerleidende Menschen aus der Armut zu retten, hat die Regierung von Präsident Enrique Peña Nieto den sogenannten 'Nationalen Kreuzzug gegen den Hunger' ausgerufen.


Bild: © Emilio Godoy/IPS

Im Mexikanischen Kongress versuchen Senatoren der Parlamentarischen Front gegen den Hunger Gesetze zur Ernährungssicherheit durchzubringen
Bild: © Emilio Godoy/IPS

Signifikante Erfolge sind bisher ausgeblieben. Doch einige Menschen hat die Kampagne bereits erreicht. Blanca Pérez beispielsweise erhält alle zwei Monate umgerechnet 62 US-Dollar aus einem Rentenfonds für Menschen über 65 Jahren. "Ich kann mit dem Geld zusätzliche Ausgaben unter anderem für Medikamente finanzieren", erzählt sie gegenüber IPS. Pérez lebt in Amecameca, 58 Kilometer südöstlich von Mexiko-Stadt. Die Hälfte der 48.000 Einwohner des Ortes gelten als arm.

Dank der Öffentlichen Krankenversicherung erhält Pérez kostenlose medizinische Versorgung bei Ärzten und im Krankenhaus. "Die Programme helfen mir, aber sie reichen bei weitem nicht aus, um davon leben zu können." So hilft sie ihrer Tochter, ihren kleinen Lebensmittelladen zu führen, die sie dafür finanziell unterstützt.

Nicht nur die Unterernährung ist ein großes Problem in Lateinamerika. Viele Menschen leiden unter Übergewicht, häufig eine Form von Mangelernährung, bei der nicht genügend Nährstoffe aufgenommen werden. Auch das ist eine Herausforderung, der sich die Parlamentarier stellen wollen. (Ende/IPS/jk/16.11.2015)

* Mit Unterstützung von Emilio Godoy (Mexiko) und Franz Chávez (Bolivien).


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/11/latin-american-legislators-a-battering-ram-in-the-fight-against-hunger/

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IPS-Tagesdienst vom 16. November 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. November 2015

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