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INTERNATIONAL/002: Brasilien - Vorhut der globalen Agrarproduktion, bessere Strategien vonnöten (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 9. März 2011

Brasilien:
Vorhut der globalen Agrarproduktion - Doch bessere Strategien vonnöten

Von Mario Osava

Bananenplantage in Pernambuco, Brasilien - Bild: © Alejandro Arigon/IPS

Bananenplantage in Pernambuco, Brasilien
Bild: © Alejandro Arigon/IPS

Rio de Janeiro, 9. März. (IPS) - Brasilien könnte mit seinem florierenden Agrarsektor einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung des globalen Hungerproblems leisten. Laut der UN-Organisation FAO wird die Landwirtschaft des größten südamerikanischen Landes zwischen 2010 und 2019 voraussichtlich um 40 Prozent wachsen. Ein ehemaliger Minister wirft dem Staat jedoch das Fehlen einer geeigneten Entwicklungsstrategie vor.

Um die steigende Nachfrage nach Agrarprodukten zu befriedigen, wären im gleichen Zeitraum der FAO zufolge weltweite Wachstumsraten von mindestens 20 Prozent notwendig. Bis 2050 müssten Zuwachsraten von 70 Prozent im internationalen Landwirtschaftssektor erzielt werden. Brasilien könnte somit seine Position in diesem Wirtschaftsbereich weiter ausbauen.

Das südamerikanische Land verfüge über "Böden, Technologien und mutige Bauern", sagte der frühere brasilianische Agrarminister Roberto Rodrigues im Gespräch mit IPS. Allerdings fehle es dem Land noch an der geeigneten Strategie. Die politische Führung habe offensichtlich noch nicht erkannt, dass "die Welt Brasilien eine Chance gibt, seine Entwicklung verstärkt voranzutreiben".

Wie Rodrigues kritisierte, hat Brasilien seit der Gründung der Agrarbehörde 'Embrapa' keinen nationalen Plan zur Entwicklung der Landwirtschaft verfolgt. Der ehemalige Minister sieht allerdings auch die Industriestaaten in der Pflicht und fordert von ihnen den Abbau von Subventionen. Eine Öffnung der Märkte bringe auch die Agrarproduktion in Schwung.


Wirtschaftsgigant China treibt Rohstoffpreise nach oben

China und andere asiatische Länder, die ein rasantes Wirtschaftswachstum erleben, tragen dazu bei, die Rohstoffpreise weiter in die Höhe zu treiben. Nachdem die Volksrepublik in den vergangenen Jahrzehnten die Weltmarktpreise für Industriegüter gedrückt hat, sind Rohstoffe aufgrund der zunehmenden chinesischen Nachfrage teurer geworden.

Die Stabilität der Agrarpreise wird demnach auch durch Folgen des Klimawandels wie Dürren und Überschwemmungen gefährdet. Zugleich wurde der Anbau in Naturschutzgebieten begrenzt. All dies hat zu einem Kostenanstieg geführt. Brasilianische Politiker versichern jedoch, dass die Steigerung der landwirtschaftlichen Produktivität nicht zu Lasten des Amazonas-Urwaldes gehen müsse.

Derzeit werden in Brasilien etwa 72 Millionen Hektar Land - rund 8,5 Prozent des gesamten nationalen Territoriums - landwirtschaftlich genutzt. Weitere 90 Millionen Hektar könnten urbar gemacht werden, ohne die Wälder zu opfern, sagte Rodrigues. Bei dem größten Teil dieser Fläche handele es sich um abgegraste Weiden.

Nach amtlichen Zahlen ist die Getreideernte in Brasilien in den vergangenen 20 Jahren um 150 Prozent gestiegen. In der Saison 2010/2011 erreicht sie 148 Millionen Tonnen. Dabei hat sich die Anbaufläche im Vergleich zu 1990 lediglich um 30 Prozent vergrößert.

Auf etwa 200 Millionen Hektar Land wird in dem größten lateinamerikanischen Staat Viehzucht betrieben. Experten erwarten, dass der Anstieg der Fleischpreise auf den nationalen und internationalen Märkten zu einer Modernisierung des Sektors führen wird. Da jedem Nutztier derzeit eine Weidefläche von mehr als einem Hektar zur Verfügung steht, wäre eine Verringerung der Weideflächen zugunsten einer Vergrößerung der Agrarflächen denkbar.


Hoher Handelsüberschuss im Agrarsektor

Brasilien ist bereits der weltgrößte Exporteur von Zucker, Kaffee, Fleisch, Soja und Orangensaft. Der Agrarbereich bescherte dem Land im vergangenen Jahr einen Handelsüberschuss von rund 20,4 Milliarden US-Dollar. Der brasilianische Industriesektor rutscht dagegen immer weiter ins Defizit.

Fachleute weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Industrie mehr Arbeitsplätze schaffen kann als die Landwirtschaft. Rodrigues ist jedoch anderer Meinung. Da der Agrarsektor Düngemittel, Fahrzeuge, Lagerhallen, Maschinen und Verpackungen für Lebensmittel benötige, sei er sogar noch wichtiger für die nationale Entwicklung als die Industrie. Auch wenn die Landwirtschaft ein Saisongeschäft sei, werde die Lebensmittelproduktionskette nie unterbrochen. (Ende/IPS/ck/2011)



Links:
http://www.fao.org/
http://www.embrapa.br/
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=97728

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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. März 2011