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INTERNATIONAL/076: Singapur - Gemüse auf den Dächern, vertikale Landwirtschaft im Kommen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 11. Dezember 2012

Singapur: Gemüse auf den Dächern des Stadtstaats - Vertikale Landwirtschaft im Kommen

von Kalinga Seneviratne


Bewegliche Pflanzenregale - Hydraulik macht's möglich - Bild: © Kalinga Seneviratne/IPS

Bewegliche Pflanzenregale - Hydraulik macht's möglich
Bild: © Kalinga Seneviratne/IPS

Singapur, 11. Dezember (IPS) - Mit fünf Millionen Einwohnern auf einer Fläche von nur 715 Quadratkilometern sieht sich das kleine Singapur gezwungen, nach 'oben' zu expandieren. Nun soll auch die Landwirtschaft in höhere Sphären verlagert werden.

Derzeit stellt Singapur nur sieben Prozent seiner Nahrungsmittel selber her. Der Rest wird aus Ländern wie Malaysia, Thailand und den Philippinen bezogen. Aber auch die entlegeneren Staaten wie Australien, Neuseeland, Israel und Chile versorgen Singapur mit Nachschub.

Der Zustrom von Immigranten hat dazu geführt, dass sich im Stadtstaat immer mehr Hochhäuser in den Himmel recken und die ohnehin schon geringe Anbaufläche immer weiter abnimmt. Dass trotz dieser Widrigkeiten Platz für den Anbau von Gemüse vorhanden ist, hat eine öffentlich-private Partnerschaft mit der "weltersten CO2-armen wasserbetriebenen rotierenden und vertikalen Farm" unter Beweis gestellt.

Das Kooperationsabkommen zwischen der Singapurischen Agrarnahrungsmittel- und Veterinärbehörde (AVA) und der lokalen Firma 'Sky Green' zielt darauf ab, städtische umweltfreundliche Anbaumethoden populär zu machen.

Mit einem Bruttoinlandsprodukt von 239,7 Milliarden US-Dollar ist Singapur ein reiches Land. "Doch Geld ist wertlos ohne Nahrungsmittel", betont der Sky Green-Direktor Jack Ng. Mit seinem technischen Know-how habe er den singapurischen Bauern helfen wollen, ihre Nahrungsmittelproduktion zu steigern.


Gemüse in Aluminiumtürmen

Heraus kam das vertikale Anbausystem, das aus etlichen Aluminium-Türmen besteht, von denen manche an die neun Meter groß sind. Jeder Turm enthält 38 Kastenregale, in denen die Pflanzschalen für das Gemüse Platz haben. Im Sinne der ökologischen Nachhaltigkeit wird das Wasser, das die Kastenregale der Türme in Bewegung hält, innerhalb des Systems recycelt, indem es etwa als Gießwasser verwendet wird. Jeder Turm verbraucht pro Tag gerade einmal 60 Watt Strom.

Turmanbau - Bild: © Kalinga Seneviratne/IPS

Turmanbau
Bild: © Kalinga Seneviratne/IPS

Ng war von Anfang an klar, dass das System weder teuer noch kompliziert sein durfte, um die Menschen zu überzeugen. Er hatte auch die vielen Rentner und Hausfrauen im Blick, als er darüber nachdachte, "wie die Pflanze zu Dir kommen kann".

Mit Hilfe der Hydraulik werden die Kastenregale in den Gemüsetürmen in Bewegung gesetzt. Sie brauchen acht Stunden, bis sich der Kreis geschlossen hat und sie wieder an ihrem Ausgangspunkt angekommen sind. Auf dem Weg nach oben tanken die Pflanzen Sonnenlicht. Abwärts wird ihnen Wasser zugeführt.

Ng zufolge könnten die Türme, würden sie auf den Dächern der mehrstöckigen Wohnblöcke installiert, Senioren und Hausfrauen die Möglichkeit geben, bequem und mit wenig Aufwand ihren Ernährungsbedarf zu decken.

In den Sky Green-Türmen werden die von der Bevölkerung besonders geschätzten Gemüsearten gezogen: Nai Bai, Xiao Bai Cai und Chinakohl. Schon jetzt beliefert die Firma 'NTUC FairPrice', Singapurs größte Lebensmittelkette, die 230 Niederlassungen und Supermärkte betreibt. Das in der Stadt produzierte Gemüse ist pro Kilo 20 Cent teurer als die Importware.

Der Verkaufsmanager der Gruppe, Tng Ah Yiam, hatte unlängst gegenüber der 'Straits Times' erklärt, dass diese 'Himmelsfarmen' den Kunden qualitativ hochwertiges Gemüse anbieten, das sich aufgrund der verkürzten Transportwege durch eine größere Frische auszeichne. Sky Green will bis Mitte nächsten Jahres soweit sein, dass es NTUC mit zwei Tonnen Gemüse pro Tag beliefern kann.

Das Projekt folgt einem Trend, der sich seit vielen Jahrzehnten in Singapur abzeichnet. Die seit den 1990er Jahren zunehmende Verstädterung des Stadtstaats hat Singapur schon früh veranlasst, über Alternativen zur herkömmlichen Landwirtschaft nachzudenken und den Anbau auf Hausdächern zu fördern.

Etliche lokale Institutionen mühten sich vergeblich mit der Entwicklung hydro- und aeroponischer Anbausysteme ab. "Auch wurde ewig darüber diskutiert, ob die Dächer das zusätzliche Gewicht der schwebenden Gärten tragen können", berichtet Shih Yong Goh, ein ehemalige Mitarbeiter von AVA.

Experten wie Lee Sing Kong, Leiter des Nationalen Bildungsinstituts und seit langem ein Befürworter der vertikalen Landwirtschaft, sind der Meinung, dass Singapur alles daransetzen sollte, sich von den Nahrungsmittelimporten unabhängig zu machen. In Anbetracht der immer häufiger auftretenden Klimaanomalien wie Überschwemmungen, die sich negativ auf die Nahrungsmittelproduktion auswirkten, mache es auf jeden Fall Sinn, einen Teil der Nahrungsmittel selbst zu produzieren, meint er.


Gemüsefabriken im Test

Kong ist derzeit an der Entwicklung einer 'Gemüsefabrik' beteiligt. "Wir haben mit der Entwicklung einer sechsstöckigen aeroponischen Anlage begonnen, in der wir Gemüse mit Hilfe von Leuchtdioden anbauen wollen", erläutert er. Sollte sich das Projekt bewähren, könnte das Mehr-Etagen-System innerhalb geschlossener Gebäude installiert werden.

Erntezeit - Bild: © Kalinga Seneviratne/IPS

Erntezeit
Bild: © Kalinga Seneviratne/IPS

In den letzten Jahren hat die Regierung etliche ihrer ursprünglichen Bedenken gegen die Dachgärten aufgegeben, und die Nationalparkbehörde machte unlängst das Dach eines Wohnblocks in der dichtbevölkerten Upper Serangoon Road zu einer Lehrfarm für Schulkinder.

Inzwischen hat Sky Green eine Absichtserklärung mit dem Polytechnischen Temasek-College abgeschlossen. Lee Chee Wee, der Leiter der Schule für angewandte Studien, ist der Meinung, dass die Partnerschaft mit Sky Green seinen Schülern zeigt, wie sich Technologie sinnvoll einsetzen lässt und wie attraktiv die moderne Landwirtschaft sein kann. (Ende/IPS/kb/2012)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Dezember 2012