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INTERNATIONAL/126: Landwirtschaft - Medienforum in Neapel fordert agroökologische Lösungen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 13. Oktober 2014

Landwirtschaft: Klimasmarter Anbau für kleinbäuerliche Familienbetriebe keine Option - Medienforum in Neapel fordert agroökologische Lösungen

von Emilio Godoy


Bild: © Emilio Godoy/IPS

Gary Gardner vom 'Worldwatch Institute' beim 11. Internationalen Medienforum zum Umweltschutz in Neapel
Bild: © Emilio Godoy/IPS

Neapel, 13. Oktober (IPS) - Für Kleinbauern besteht keine Notwendigkeit, sich der klimasmarten Landwirtschaft zuzuwenden, die von den Vereinten Nationen befürwortet wird. Darauf haben Experten auf dem Elften Internationalen Medienforum in Neapel hingewiesen und stattdessen die Ausrichtung auf agroökologische Innovationen befürwortet.

Alison Power, Professorin für Ökologie und Evolutionsbiologie an der Cornell-Universität im Bundesstaat New York, gab auf dem vom 8. bis 11. Oktober von der italienischen Umweltorganisation 'Greenaccord' veranstalteten Treffen zu bedenken, dass das Konzept der klimasmarten Landwirtschaft zu viele verschiedene Faktoren beinhalte.

"Es gibt zwei Möglichkeiten, die Produktion anzukurbeln: entweder durch die Intensivierung des konventionellen Anbaus oder durch Agroökologie. In den vergangenen 20 Jahren hat sich die Nahrungsproduktion verdoppelt. Probleme wie Armut lassen sich aber nicht allein damit lösen", sagte sie. Vielmehr sollten Kleinbauern auf Anpassung mithilfe von Innovationen setzen, die auf Agroökologie basierten.

Landwirtschaftliche Familienbetriebe erzeugen fast 80 Prozent der Nahrung auf der Erde. Obwohl derzeit weltweit mehr Lebensmittel denn je produziert werden, leiden den UN zufolge mehr als 800 Millionen Menschen an Hunger.

Auf dem UN-Klimagipfel am 24. September in New York hatten die Vereinten Nationen die Globale Allianz für klimasmarte Landwirtschaft bestehend aus Regierungen, Nichtregierungsorganisationen und Großunternehmen ins Leben gerufen. Bei der Initiative geht es um die Förderung von Agrartechniken wie die konservierende Landwirtschaft ('Conservation Agriculture' - CA), Agroforstwirtschaft, Mischkulturanbau, Fruchtwechsel, effizientere Vorhersagen extremer Wetterphänomene, Kombination von Pflanzenbau und Tierhaltung sowie ein verbessertes Wassermanagement. Ziel ist die Steigerung der ökologischen Nahrungsproduktion bei gleichzeitiger Senkung der klimaschädlichen CO2-Emissionen.

Daneben standen weitere Themen auf der Agenda des Forums, etwa der Kampf gegen Hunger, die Rolle transnationaler Unternehmen und die Anpassung der Landwirtschaft an den Klimawandel. An dem Treffen nahmen etwa 200 Journalisten, Wissenschaftler, Aktivisten und Studierende aus 47 Ländern teil.

Viele Experten vertraten in Neapel die Meinung, dass es für kleinbäuerliche Familienbetriebe keinen Anlass gibt, auf eine klimasmarte Landwirtschaft umzustellen. Sie sehen sogar die Gefahr, dass dieses Konzept zum Einsatz von Genpflanzen führen und damit die nachhaltige Produktion beeinträchtigen würde.

Bild: © Emanuele Caposciutti/Greenaccord

Journalisten und Forscher aus aller Welt beim Medienforum in Neapel
Bild: © Emanuele Caposciutti/Greenaccord

Stefano Padulosi von der Organisation 'Bioversity International' hält angesichts der Klimaveränderungen und des Verlustes des natürlichen Reichtums eine Kombination unterschiedlicher Vorgehensweisen für nötig. "Es ist notwendig, die Resilienz von Nahrung und Produktionssystemen und die Anpassungsfähigkeit an den Klimawandel zu stärken", meinte er. Es sei dringend erforderlich, kleinen Agrarbetrieben bei der Resilienz ihrer Nahrungs- und Produktionssysteme zu helfen und die gemeinschaftlich genutzten Saatgutbanken auszubauen. Padulosi hält es für möglich, Kapital auf lokaler Ebene aufzubauen, Probleme der Gemeinschaften zu lösen und die Netzwerke örtlicher Interessensvertreter zu stärken.


Großer Nutzen von Artenvielfalt für Entwicklungsländer

'Bioversity International' ist eine globale Organisation für Forschung im Dienst von Entwicklung, die wissenschaftliche Nachweise und Managementpraktiken bereitstellt, um die Biodiversität im Agrarsektor schützen und weltweit Nahrungssicherheit erreichen zu können. Die Organisation hält Biodiversität in Entwicklungsländern für ein wirksames Instrument zur Verbesserung der Nahrungsversorgung, Resilienz, Produktivität und Anpassung an den Klimawandel.

Wie Padulosi erklärte, wird die Landwirtschaft die Klimaveränderungen in Form von Wassermangel, Temperaturanstieg, Überschwemmungen der Anbauflächen und einem zunehmenden Schädlingsbefall zu spüren bekommen. Bis zum Jahr 2050 wird demnach die Nachfrage nach Nahrung um 65 Prozent und die weltweite Bevölkerung auf neun Milliarden Menschen steigen. Der Weltklimarat warnt davor, dass die landwirtschaftlichen Erträge pro Jahrzehnt um 0,2 bis zwei Prozent zurückgehen könnten, während die Nachfrage um 14 Prozent pro Dekade steigt.

Nach Ansicht von Gary Gardner vom 'Worldwatch Institute' in Washington müssen die Gegenmaßnahmen die Situation der Kleinbauern berücksichtigen. "Größere Anstrengungen sind nötig, um Ressourcen zu erhalten und sie effizienter zu nutzen", sagte er. "Produzenten, Verarbeiter, Unternehmen und Konsumenten könnten erheblich an Effizienz gewinnen." Gardner bereitet für den von dem Institut herausgegebenen Jahresbericht 2015 ein Kapitel über die verdeckten Gefahren für die Nachhaltigkeit vor.


FAO warnt vor starker Zunahme von CO2-Emissionen

Laut der Weltagrarorganisation FAO sind elf Prozent der globalen Agrarflächen stark und 25 Prozent moderat geschädigt. Die UN-Organisation schätzt, dass die globalen Emissionen aus dem Agrarsektor, der Forstwirtschaft und anderen Landnutzungen längst über zehn Milliarden Tonnen CO2 gestiegen sind. Etwa zwei Milliarden Tonnen dieser Gase werden jährlich von den Wäldern als natürliche Klimasenken gespeichert. Die FAO rechnet damit, dass die CO2-Emissionen bis 2050 um 30 Prozent zulegen werden.

Die Landwirtschaft stellt Ökosystemleistungen wie Nahrung, Viehfutter, Bioenergie und natürliche Habitate bereit und zieht zugleich daraus Nutzen. "Die Leistungen haben das Potenzial, Produktion und Nachhaltigkeit zu steigern", sagte Power. "Praktiken wie die Verbesserung der Pflanzengenetik, ein integrales Management von Schädlingen und Nährstoffen, die Entwicklung des Präzisionsackerbaus und der Umgang mit Böden und Wasser könnten optimiert werden." (Ende/IPS/ck/2014)


Link:

http://www.ipsnews.net/2014/10/family-farmers-dont-need-climate-smart-agriculture/

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IPS-Tagesdienst vom 13. Oktober 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Oktober 2014