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LANDWIRTSCHAFT/1767: Zahlen, Daten, Fakten (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 424 - September 2018
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Zahlen, Daten, Fakten
Die Bundeslandwirtschaftsministerin bewilligt Hilfen für existenzbedrohte Landwirte, will aber keine Änderungen der Agrarpolitik

von Marcus Nürnberger


Die Dürre und Trockenheit begann in vielen Regionen Deutschlands schon Ende April. Da war freilich noch genug Wasser im Boden. Vielerorts wurde es aber auf dem Grünland schon für den zweiten Schnitt knapp. So richtig ins öffentliche Bewusstsein ist die Trockenheit erst mit den Hilferufen des Bauernverbands gerückt. Die Warnungen vor drastischen Ernteeinbußen gipfelten dann in der Forderung nach einer Milliarde Euro. Julia Klöckner als Bundeslandwirtschaftsministerin reagierte zurückhaltend. Immer wieder verwies sie auf die Veröffentlichung der abschließenden Ernteschätzungen. Sie wolle keine Politik nach Gefühl machen, betonte sie unzählige Male, sondern sich an Daten und Fakten orientieren. In der dritten Augustwoche war es dann so weit: Die offiziellen Ernteschätzungen aus den Ländern lagen vor. Die Ernteerträge liegen 2018 demnach 16 Prozent unter dem dreijährigen Mittel. Nicht berücksichtigt sind die Mindererträge bei Körnermais. Der hat aufgrund des Wassermangels oft nur kleine oder gar keine Kolben angesetzt. Hier lagen die Ernteeinbußen bei 50 Prozent und mehr. Es ist davon auszugehen, dass viele dieser Bestände als Futtermais siliert wurden. Bei genauerer Betrachtung wird deutlich, dass vor allem in Norddeutschland hohe Einbußen zu verzeichnen sind. Am stärksten waren diese in Schleswig-Holstein (minus 31 Prozent), Brandenburg (minus 27 Prozent), Sachsen-Anhalt (minus 26 Prozent), Mecklenburg-Vorpommern (minus 25 Prozent) und Niedersachsen (minus 20 Prozent). Aber auch hier sei nochmals zu differenzieren, so Klöckner: "Innerhalb eines Landes bestehen große regionale Unterschiede. In einem Land sind nicht alle Betriebe negativ betroffen."

"In diesem Jahr handelt es sich um ein Wetterereignis von nationalem Ausmaß", fasst Klöckner die Lage zusammen. Der Bund kann helfen. Insgesamt seien "etwa 10.000 Betriebe nach Einschätzung der Länder so sehr betroffen, dass sie in ihrer Existenz gefährdet sind." Eine Förderung sollen nur Betriebe erhalten, die einen Naturalertragsrückgang von mindestens 30 Prozent im Vergleich zu den vergangenen drei Jahren haben und deswegen in ihrer Existenz bedroht sind. Für Anträge, Prüfung und Bewilligung werden die Länder zuständig sein. "Es werden sich voraussichtlich 14 Länder an einem Bund-Länder-Programm beteiligen", so Klöckner, die ein Budget von 340 Mio. Euro anstrebt, je zur Hälfte finanziert von Bund und Ländern. Neben dem Saarland hat auch Rheinland-Pfalz bisher keine Zahlen existenzbedrohter Betriebe gemeldet.

Wie soll das gehen?

Für Bernd Schmitz, der einen Milchviehbetrieb in der Nähe von Bonn bewirtschaftet, bleiben viele Fragen offen: "Wie soll ich denn meine Bedürftigkeit nachweisen? Ich kann ja nicht die Halme zählen, die die Kuh gegenüber dem Vorjahr nicht gefressen hat." Im Wochenblatt deutet die neue Landwirtschaftsministerin aus Nordrhein-Westfalen, Ursula Heinen-Esser, an, dass in solchen Fällen über Expertenschätzungen eine belastbare Datengrundlage geschaffen werden könnte. Derzeit dürfte in vielen Ministerien an konkreten Formulierungen und Regelungen gefeilt werden. Die Ausgestaltung der Hilfsprogramme liegt bei den Bundesländern. Wie bei allen Regelungen und Förderprogrammen werden die Details darüber entscheiden, ob das Geld am Ende bei denen ankommt, die es wirklich brauchen.

Naturalertrag

Anders als Julia Klöckner im Vorfeld immer bemüht war zu erklären, werden die für die Bedürftigkeit notwendigen 30 Prozent Ertragseinbußen nicht mehr mit einem eventuell gestiegenen Preis verrechnet. Grundlage bildet die Erntemenge. Die liegt auch jetzt schon vor, während der Erlös gegebenenfalls erst im Verlauf des Jahres zum Zeitpunkt des Verkaufs feststeht. Alternativ hätte man mit einem Stichtagspreis operieren können. Die Preisentwicklung könnte dennoch im Verfahren Berücksichtigung finden und zwar, wenn es darum geht, die existenzbedrohenden Auswirkungen der Dürre für den Betrieb festzustellen, denn hier müsste der buchhalterische Wert der Ernte auftauchen.

Immer wieder hat die Bundeslandwirtschaftsministerin betont, dass ein nachhaltiges Wirtschaften auch Vorsorgen bedeutet. "Eine Ernte im Keller, eine auf der Bank und eine auf dem Feld", so sei das Motto bei Landwirten immer gewesen. Wer in den vergangenen Jahren so gewirtschaftet hat, dessen Existenz dürfte dieses Jahr nicht bedroht sein. Auch Betrieben, die diversifiziert sind, z. B. Ferienwohnungen oder Wald haben, fehlt das Einkommen aus der verminderten Ernte. Anders als bei hochspezialisierten Marktfruchtbetrieben mit geringer Liquidität dürfte ihre Existenz aber nicht unmittelbar bedroht sein. In den kommenden Wochen werden die Länder die notwendigen Bestimmungen erarbeiten. Noch im September, so die Ankündigung von Landwirtschaftsministerin Klöckner, soll dann eine Verwaltungsvereinbarung mit den Ländern das weitere Vorgehen festschreiben.

Konsequenzen?

Soweit die Reaktion der Politik und vor allem der Bundeslandwirtschaftsministerin auf das diesjährige Extremwetterereignis. Von einem Jahrhundertsommer sprachen viele. Allerdings ist es nach dem im Jahr 2003 schon der zweite in den ersten 18 Jahren diese Jahrhunderts. Extremwetterereignisse nehmen zu, ist eine Feststellung der Klimawissenschaftler. Neben der Hitze gab es auch schon 3 Jahrhunderthochwasser an der Elbe. In ihrer Pressekonferenz zu den Dürrehilfen wurde Frau Klöckner nach den langfristigen Konsequenzen gefragt, die sich für die Gemeinsame Agrarpolitik der EU aus den Wetterkapriolen ergeben. Man dürfe nicht alles miteinander in Verbindung bringen, war die ernüchternde Antwort. Diese Haltung war schon in der Diskussionsrunde bei Anne Will deutlich geworden. Im Gegensatz zu Prof. Schellnhuber vom Potsdam-Institut für Klimafolgeforschung, der vorsichtig anmerkte, dass eine klein strukturierte, bäuerliche, auf regionale Produktion und Vertrieb ausgerichtete Landwirtschaft mit derartigen Auswirkungen des Klimawandels womöglich besser zurecht käme, tat die Landwirtschaftsministerin sich schon mit einem klaren Bekenntnis zum Klimawandel schwer. Auf der Grundlage von Daten, Zahlen und Fakten hat Klöckner die diesjährige Situation auf den Betrieben bewertet. Auf dieser Grundlage sollte sie auch die Veränderung des Klimas akzeptieren. Die Landwirtschaft muss sich auf diese Veränderungen einstellen und gleichzeitig ihre Produktionsweise klimafreundlicher gestalten. Hierfür braucht es aber klare Signale aus der Politik und kein weiter so wie bisher.

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 424 - September 2018, S. 11
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Oktober 2018

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