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MARKT/1869: Als Milcherzeuger die Eigenständigkeit bewahren (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 343 - April 2011
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Als Milcherzeuger die Eigenständigkeit bewahren Sich organisieren - Beispiele von der Interessengemeinschaft bishin zur eigenen Molkerei

Von Christiane Hinck


Allein haben Milchbauern in Verhandlungen mit ihrer Molkerei wenig Einfluss auf bessere Preise, Vertragslaufzeiten oder die Geschäftspolitik. Sie können dem Marktgewicht der großen Genossenschafts- und Privatmolkereien, die jährlich viele Mio. t Milch in ihrer Hand wissen, wenig entgegensetzen. In dieser Situation befanden sich auch Milchlieferanten der Milchunion Hocheifel (MUH). Nicht einverstanden waren sie mit der Geschäftspolitik der MUH (Bauernstimme 2/2011). Ende 2010 reichten etwa 150 Lieferanten die Kündigung ein. Um zukünftig gemeinsam zu agieren und mehr Schlagkraft zu haben, fanden sie sich im Januar in einer Interessengemeinschaft zusammen. Dort wird nun über zukünftige Handlungsoptionen diskutiert. Die Gründung einer Milcherzeugergemeinschaft (MEG) ist eine davon.

Ähnlich den Gewerkschaften haben MEGs gegenüber der Molkerei durch den Zusammenschluss vieler Betriebe und der dadurch für die Molkerei bedeutenden Milchmenge eine bessere Verhandlungsposition. Positiv ist es, wenn Vermarktungsalternativen für die produzierte Milch in Form anderer Molkereien bestehen. Durch eine Vollmacht übergibt der Milchbauer der MEG das Recht, in seinem Auftrag zu verhandeln und Verträge zu unterschreiben. Zu diesem Zweck muss die MEG vom zuständigen Landesamt auf der Grundlage des Marktstrukturgesetzes anerkannt werden. Aber auch wenn die Bauern individuelle Verträge mit der Molkerei schließen, ist ein Zusammenschluss von Vorteil, auch wenn das Verhandlungsergebnis unverbindlicher bleibt. Die Bindung an eine anerkannte MEG beträgt mindestens drei Jahre. Für viele Bauern ist das ein Hinderungsgrund, Mitglied zu werden. Für die Molkerei, die an längerfristigen verlässlichen Zusagen interessiert ist, ist dies jedoch eine wichtige Voraussetzung. Obwohl die Vorteile für die Bauern auf der Hand liegen, ist der Organisationsgrad noch immer gering. "Die mögliche Marktmacht der Milcherzeuger durch einen hohen Bündelungsgrad in MEGs wird kaum wahrgenommen", sagt Johannes Berger, Vorsitzender der Erzeugergemeinschaft Bio-MEG Nord w.V., aus Bielefeld.


MEGs organisieren sich

Die Bio-MEG Nord bündelt 40 Prozent der Milch der Molkerei Söbbeke. Die Lieferanten der 2008 gegründeten MEG kommen im Wesentlichen aus Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Sie produzieren 24 Mio. Liter Biomilch. Die Erfassung erfolgt durch eine von der MEG beauftragte Spedition. Seit Herbst 2010 steht die Erzeugergemeinschaft bei Söbbeke in Kündigung. Zur Zeit wird mit der Molkerei über einen neuen Vertrag und bessere Preise verhandelt.

In der MEG Gütersloh haben sich 180 Bauern mit 66 Mio. kg Milch zusammengeschlossen. Die dort organisierten Bauern lieferten früher zu einer ansässigen Privatmolkerei, die dann von der niederländischen Genossenschaft Friesland-Campina übernommen wurde. Heute liefert die MEG zur Berliner Milcheinfuhr-Gesellschaft mbH.


Auf dem Weg zur Gründung

Soll eine Erzeugergemeinschaft gegründet werden, stehen Bauern als Erstes vor der Herausforderung, andere Lieferanten für die Sache zu gewinnen. Dazu können auf Informationsveranstaltungen Vertreter anderer MEGs als Referenten eingeladen werden. Ist der Gründungsbeschluss gefasst, muss eine Satzung nach Maßgabe des den. In dieser sind unter anderem die Rechtsform (e.V., w.V., GbR, GmbH oder e.G.) sowie die Art der Beschlussfassung geregelt. Die Wahl des Vorsitzes sowie je nach Rechtsform anderer Organe folgt. Die Wahl der Rechtsform ist unter anderem vom Umfang des wirtschaftlichen Handelns abhängig. Neben diesen Strukturen müssen auch Kommunikationsstrukturen wie regelmäßige Versammlungen und die Einrichtung eines Verteilers geschaffen werden. Weitere Fragen sind, welche Kosten anfallen, ob eine Geschäftsleitung angestellt, ein Büro eingerichtet werden und ob ein Eintrag ins Handelsregister erfolgen soll. Für die Gründung von anerkannten Erzeugergemeinschaften und -zusammenschlüssen, die Verarbeitung in eigenen Molkereien sowie die Vermarktung (Marktforschung, Marketing-Konzept, Werbung, Messen) können bei den Landesämtern EU-Fördergelder beantragt werden.


Optionen als MEG

Als Handelspartner der Erzeugergemeinschaften kommt die bisherige oder eine andere Molkerei in Frage. Eine andere Überlegung kann sein, die Milch über eine Handelsgesellschaft auf dem freien Markt anzubieten. Mit der selbstständigen Milcherfassung machen sich die MEGs und Liefergenossenschaften unabhängiger. Einige MEGs gründen Vermarktungsgesellschaften, in denen sie die Milch auch kurzfristiger verkaufen. Wie zum Beispiel die 2000 gegründete und in Freising ansässige Milchvermarktungsgesellschaft (MVS) GmbH, die unter anderem die gentechnikfreie "Faire Milch" vermarktet. Als Gesellschafter fungieren der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter sowie der "freie Bauern e.V.". Geschäftsführer ist Jakob Niedermaier. Der Beirat, in dem die Lieferanten vertreten sind, kontrolliert die Geschäfte. Die MVS erfasst und vermarktet derzeit etwa 40 Mio. kg Milch von knapp 160 Bauern aus Bayern, Nordrhein-Westfalen, Hessen und Baden-Württemberg. Zehn "Faire Milch"-Lieferanten sind in der MEG Nordrhein-Westfalen w.V. organisiert. Die MVS hat einen Vertrag mit den Bauern. In dem Projekt "Faire Milch" führt sie direkt mit dem Handel Gespräche. Die Molkereien werden von der MVS lediglich beauftragt. Für die fair vermarktete Milch bekommen die Erzeuger 40 Cent pro Liter. Die andere Milch wird auf dem freien Markt verkauft, z.B. an Molkereien in Italien. "Der Handel bietet immer wieder bestimmte Qualitäten wie gentechnikfreie Fütterung und Regionalität an", berichtet Jürgen Sons aus dem Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen. Er ist dort zuständig für Marktstrukturverbesserung und Regionalvermarktung. Er sieht die Möglichkeit für Bauern, von sich aus ein Angebot zu machen.


Ziele der MEGs

Dazu Anton Hörmann vom Zusammenschluss der bayrischen Milcherzeugergemeinschaften: "Erzeugergemeinschaften bekommen nicht unbedingt einen höheren Preis. Dass alle gleich viel bekommen, ist eine Strategie der Molkereien, um den Anschein zu erwecken, dass wir nichts erreicht haben." Doch höhere Preise sind nicht das einzige Ziel. Den Bauern hilft der Zusammenschluss dabei, ihre Unabhängigkeit gegenüber den immer mächtiger werdenden Molkereien zu sichern. Gerade vor dem Hintergrund der 2013 auslaufenden Milchquotenregelung versuchen viele Molkereien schon jetzt Bauern noch enger zu binden und Verhandlungsspielräume zu minimieren. Vertrauen, Transparenz und Mitbestimmung spielen in MEGs, aber auch in von Bauern gegründeten Molkereien eine große Rolle. Diesen letzten Schritt in die Unabhängigkeit haben die Upländer Bauernmolkerei und der Hamfelder Hof getan, hinter denen als Gesellschafter ausschließlich Milcherzeuger stehen. Wichtig für den Einfluss der Einzelnen ist dabei die Größe der Molkerei. Es gibt viele Möglichkeiten, aus seiner Milch mehr als eine weiße, austauschbare Flüssigkeit zu machen.


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 343 - April 2011, S. 14
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
Telefon: 02381/49 22 20, Fax: 02381/49 22 21
E-Mail: redaktion@bauernstimme.de
Internet: www.bauernstimme.de

Erscheinungsweise: monatlich (11 x jährlich)
Einzelausgabe: 3,00 Euro
Abonnementpreis: 36,00 Euro jährlich
(verbilligt auf Antrag 26,00 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Juli 2011