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MARKT/1947: Milch - Preisverfall durch Überschüsse (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 355 - Mai 2012
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Preisverfall durch Überschüsse
Zwei Jahre mit akzeptablen Milchpreisen haben zu Überkapazitäten geführt

von Marcus Nürnberger



Auf der Milchtagung des Bauernverbands Anfang März in Berlin gab sich Udo Folgart noch optimistisch und sprach von guten Chancen. Der Milchfunktionär hätte damals aber schon wissen müssen, dass die Preise in diesem Jahr nach unten rutschen. Schon im Sommer und Herbst vergangenen Jahres waren die Weltmarktpreise um 15 bis 20 Prozent zurückgegangen. Ein Preisrückgang, der in der EU damals folgenlos blieb. Nach dem vorläufigen Tiefstand im Januar 2009, als der internationale Preisindex für Milchprodukte bei 596 Punkten lag, stieg dieser mit kleineren Unterbrechungen bis zu seinem vorläufigen Höhepunkt von 1.420 Punkten Anfang April vergangenen Jahres. Im Verlauf der folgenden Monate fiel der Index um gut 400 Punkte auf 1.003 zu Beginn diesen Jahres, mit weiterhin fallender Tendenz.


Kapazitäten ausgebaut

Der aufwärtszeigende Trend der vergangenen Jahre hat dazu geführt, dass in vielen milchproduzierenden Ländern in der EU und weltweit die Produktion gesteigert wurde. So vermelden beispielsweise die USA für Februar verglichen mit dem Vorjahreszeitraum einen Produktionszuwachs um 4,3 Prozent. Die neuseeländische Molkerei Fonterra vermeldet ein Rekordvolumen und eine gegenüber dem Vorjahr um zehn Prozent gesteigerte Milchanlieferung. Auch der Nachbar Australien vermeldet für den Zeitraum Juli bis Januar einen Anstieg der Milchmenge um 3,8 Prozent. Aber auch innerhalb der EU sind die in den Mitgliedsstaaten produzierten Milchmengen gestiegen. Nach Angaben der Kommission stieg die Produktion in Polen mit knapp 10 Prozent am stärksten, gefolgt von Dänemark mit 4 Prozent und Deutschland mit 3,8 Prozent. In Frankreich wurden 2,9 Prozent mehr produziert und in den Niederlanden 2,7 Prozent.

Diese Zuwächse dürften zum größten Teil in die Exportmärkte fließen und dort zu einem weitere Preiseinbruch führen. Gleichzeitig schätzen die Analysten der RaboBank, dass der Absatz auf dem EU-Binnenmarkt wegen "steigender Arbeitslosigkeit, fallender Realeinkommen, hoher Preise im Lebensmitteleinzelhandel und allgemein unsicherer Rahmenbedingungen" auf einem niedrigen Niveau bleibt.


Und die Bauern?

Wie zu erwarten wenig erfreut sind die Milchbauern über die Preisentwicklung. Nach Einschätzung von Kirsten Wosnitza, Milchbäuerin in Norddeutschland, profitieren viele Betriebe von den in den letzten anderthalb Jahren erwirtschafteten Gewinnen. Diese müssen jedoch auch neue Investitionen abdecken. Besonders überraschend, so Wosnitza, sei die weite Spreizung der Rentabilität der Betriebe. Bei der Vollkostenrechnung gebe es in ihrer Gegend Unterschiede von bis zu 12 Cent pro Liter Milch. Vor allem die wirtschaftlich weniger starken Betriebe seien auf der Suche nach Handlungsoptionen. Dabei sei weniger neuerwachter Kampfgeist, sondern eher eine Resignation angesichts der eigenen schlechten Wirtschaftlichkeit festzustellen.

Besondere Aufmerksamkeit kommt unter diesen Bedingungen den anstehenden Milchpreisabschlüssen mit dem Lebensmittelhandel zu. Die immer weiter voranschreitende Konzentration im Molkereisektor sollte dazu führen, dass die Macht der Discounter gebrochen wird, so die Hoffnung vieler Milchbauern, die andererseits unter ebendieser Konzentration leiden.

In Süddeutschland zeichnet sich ein ähnliches Bild wie im Norden. Die Stimmung bei den Bauern wird zunehmend schlechter und ist von einer gewissen Hilflosigkeit getragen. Gleichzeitig haben insbesondere in Baden-Württemberg sehr viele Betriebe Bauanträge für neue, größere Milchviehställe eingereicht. Offenbar versuchen diese Betriebe, durch schnelles Wachstum Rentabilitätsreserven zu erschließen. Bei einem weiteren Verfall des Milchpreises ist eine Beschleunigung des Strukturwandels nicht auszuschließen.

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 355 - Mai 2012, S. 5
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Juni 2012