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MARKT/2036: Viel Bewegung im Milchsektor (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 371 - November 2013
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Viel Bewegung im Milchsektor
Trotz hoher Milchpreise bleibt die Situation für Bauern angespannt, auch wegen unsicherer Entwicklungen am Weltmarkt

von Marcus Nürnberger



Die Milchpreise befinden sich auf einem Hoch. Erste Molkereien haben im Oktober die Schwelle von 40 Cent pro Liter überschritten. Für die Landwirte ist dies zwar erfreulich, allerdings noch nicht genug. Die Lage der Milchbauern hat sich gebessert, aber wirklich gut ist sie noch nicht. Diesen Eindruck vermittelten Vertreter des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter (BDM) auf ihrer Jahresversammlung. Vor allem die gestiegenen Kosten für Energie, Futtermittel, Dünger und Saatgut machen aus Sicht des BDM einen Preis von mindestens 50 Cent pro Liter notwendig.


Nach Abzug der Kosten

Andere, der Molkereibranche näher stehende, Marktbeobachter hingegen loben die hohen Auszahlungspreise. Der Kieler Rohstoffwert lag im September schon bei 45,6 Cent/kg ab Hof. Bei den Bauern allerdings kommt dieser wenn überhaupt, dann erst verzögert an. Denn die Milchauszahlungspreise werden immer erst im Nachhinein festgelegt und geben meist das Ergebnis des Produktmixes der jeweiligen Molkerei wieder. Vor allem für die Milchproduzenten ist es dadurch schwierig den richtigen Zeitpunkt für Investitionen zu finden, dass z. B. in Hochpreisphasen Investitionen getätigt werden, mit denen man besser abgewartet hätte, und in Niedrigpreisphasen gerade solche Investitionen, mit denen man durch Mehrproduktion im Hinblick auf hohe Preise reagieren kann, zu spät erfolgen. Molkereien haben es da leichter: Sie zahlen für die Milch in der Regel das aus, was sie nach Abzug ihrer Ausgaben übrig haben. Besonders eindrücklich veranschaulicht wird dies, wenn man sich die Preiszusammensetzung bei Vollmilch im Discountbereich ansieht. An der Kasse zahlt der Verbraucher für Vollmilch, 3,5 Prozent Fett, derzeit ca. 65 Cent je Liter. Beim Bauern kommen davon aber nur noch 36 Cent je Liter an. Neben der Mehrwertsteuer in Höhe von 4,3 Cent und der Gebühr für die Entsorgung der Verpackung durch den Grünen Punkt in Höhe von rund einem Cent, bleiben beim Lebensmitteleinzelhandel 4,3 Cent je Liter. Diese enthalten aber die Kosten für Logistik, Handling und die Kühlung der Trinkmilch im Laden. Die Verarbeitung der Rohmilch zu Trinkmilch kostet die Molkerei 8,5 Cent je Liter. Die Verpackung, also der Karton einschließlich eines Schraubdeckels sowie die Umverpackung in größere Gebinde, schlägt mit 8,5 Cent je Liter zu Buche. Lagerhaltung und Logistik kosten 0,5 Cent je Liter. Die Overheadkosten beinhalten schließlich mit 0,6 Cent je Liter die Verwaltung sowie die Molkereimarge. Insgesamt bleiben bei der Molkerei damit 9,6 Cent oder 14,7 Prozent des Verkaufspreises. 1,4 Cent pro Liter betragen die Kosten für den Transport der Rohmilch von den landwirtschaftlichen Betrieben zur Molkerei. Damit ergibt sich ein Preis von 36 Cent je Liter für den Milcherzeuger ganz unabhängig von dessen Kosten.


Anlieferungspflicht

Die Andienungspflicht machte es Landwirten in der Vergangenheit unmöglich, eigenständig auf niedrige Auszahlungspreise durch die Molkerei in Form anderer Vermarktungswege zu reagieren. Mitte Oktober hat der Bundesrat jedoch eine Änderung der Marktstrukturverordnung beschlossen. Landwirte, die Teil einer Erzeugergemeinschaft sind, müssen in Zukunft nur noch 90 Prozent ihrer Erzeugnisse abliefern. Zukünftig ist es dadurch möglich alternative Absatzwege, wie zum Beispiel die Direktvermarktung, nutzen zu können, ohne dass hierzu ein besonderer Beschluss der Erzeugerorganisation herbeigeführt werden muss.


Weltmarkt

Diese Änderung der Agrarmarktstrukturverordnung kann indes nicht über die immer weiter fortschreitende Zentralisierung im Molkereibereich hinwegtäuschen. Der jüngste Zusammenschluss ist von der niederländischen Molkereigenossenschaft DOC Kaas B.A. mit Hochwald Foods GmbH. Durch ihre Kooperation wollen die beiden Unternehmen die weltweit steigende Nachfrage nach Milchprodukten zur Gründung einer Tochtergesellschaft nutzen. Die Joint-Venture-Partner wollen ab 1. Januar 2014 Produkte nach Afrika und auf die arabische Halbinsel exportieren. Offenbar ergänzen sich die Sortimente beider Hersteller. Während DOC Kaas für die Lieferung von Käse zuständig ist, steuert Hochwald frische und haltbare Milchprodukte sowie Pasta-Filata Käse bei. DOC Kaas verarbeitet jährlich zirka 1 Mrd. kg Milch von ca. 1.200 Mitgliedern in Hoogeveen. Die Hochwald Foods GmbH mit Sitz in Thalfang verarbeitete 2012 mehr als 2,04 Mrd. kg Milch von rund 5.500 Milcherzeugern.


Neue Märkte erschließen

Einen ganz anderen Weg geht Friesland-Campina. Gemeinsam mit der Rabobank soll die lokale Milchviehhaltung in Indonesien und Vietnam gefördert werden. Die lokalen Milchproduzenten sollen mit Kenntnissen und Fertigkeiten und der Gewährung von Finanzierungen dabei unterstützt werden, die Qualität der lokalen Milchviehhaltung zu verbessern. Die Kredite werden zu relativ günstigen Konditionen vergeben und dienen dem Kauf von Kühen, einer Verbesserung des Stallklimas und dem Bau von Biogasanlagen. Die produzierte Milch wird von FrieslandCampina abgenommen. Zinsen und Tilgung werden vom Milchgeld einbehalten, sodass die Milchviehhalter allmählich ihre Schulden zurückzahlen. Die Rabobank versteht sich als führende Food und Agribank mit einem Schwerpunkt auf der Förderung nachhaltiger Strukturen. Die Kleinbauern in Entwicklungsländern und aufstrebenden Volkswirtschaften spielen hierbei eine wichtige Rolle. Ihr Potenzial kann weltweit viel besser genutzt werden, wenn sie Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten und zu Wissen erhalten, so die Bankenvertreter. Das Projekt umfasst Investitionen von insgesamt 22 Mio. Euro, von denen FrieslandCampina insgesamt 12 Mio. Euro trägt. Neben allen Bekundungen dürften es sowohl bei der Rabo-Bank als auch bei FrieslandCampina stichhaltige Markt- und Gewinninteressen sein, die zu diesem Schritt führten. Beide Unternehmen sind mit ihrem Engagement führend an der Entwicklung neuer Märkte beteiligt. Am Ende könnte das Engagement zu einer Win-win-Situation für die Investoren und die Bauern führen.

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 371 - November 2013, S. 7
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft -
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(verbilligt auf Antrag 28,40 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Februar 2014