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MARKT/2059: Wie ein Bio-Erzeugerzusammenschluss zwar nichts verkauft, aber trotzdem wirkt (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 377 - Mai 2014
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Raus aus der Demutshaltung
Wie ein Bio-Erzeugerzusammenchluss zwar nichts verkauft, aber trotzdem wirkt

von Claudia Schievelbein



Sie ist Geschäftsfrau und Chefdiplomatin, Löwenbändigerin und Seelsorgerin. Monika Tietke ist Geschäftsführerin des Biokartoffelvereins, einem Zusammenschluss von inzwischen 107 Betrieben mit über 2.000 ha, das ist mehr als ein Drittel der Biokartoffelanbaufläche in Deutschland. Angefangen hat der Verein, der nicht an einen Ökoanbauverband gebunden ist, wohl aber nur Verbandsmitglieder aufnimmt, vor etwas mehr als drei Jahren mit 11 Mitgliedern. Damals wie heute ging es um die Bündelung der Interessen der Ökokartoffelerzeuger gegenüber vor allem den großen Abnehmerstrukturen, speziell dem konventionellen Lebensmitteleinzelhandel. "Im Hinblick darauf sind inzwischen fast alle marktrelevanten Erzeugerbetriebe bei uns dazugekommen", sagt Monika Tietke und erklärt die Situation im Biokartoffelmarkt: 60 % aller Biokartoffeln werden in Deutschland über die Discounter abgesetzt - für Aldi, Lidl und Co. gehört es inzwischen zur Imagepflege auch Bio anzubieten, Kartoffeln transportieren da, neben Möhren, am besten "Biobasics für alle" und sind auch noch entsprechend verfügbar. 20 % der Biokartoffeln gehen dann noch über die konventionellen Vollsortimenter wie Edeka weg, der Rest wird klassisch über den Naturkostfachhandel und Hofläden vermarktet.


Total anonymisiert

Die Kanäle in die konventionellen Discounter und Supermärkte seien entsprechend total anonymisiert, böten aber eben auch Anbauern mit Marktferne die Absatzmöglichkeit, so Tietke. Allerdings sorgten Anonymität und Intransparenz für immer mehr Unmut unter den Kartoffelanbauern, Unmut, der schließlich zur Gründung des Vereins führte. Wobei es nie darum ging, selber Kartoffeln zu verkaufen. "Wir sind ein nicht-vermarktender Zusammenschluss und haben damit ganz andere Möglichkeiten zu agieren", macht Monika Tietke deutlich. Was so banal klingt, hat die Situation auf dem Biokartoffelmarkt grundlegend geändert. Durch die informative Vernetzung der Bauern und detaillierte Anbau- und Bestandserhebungen vor und während der laufenden Vermarktungssaison entsteht eine Transparenz, die auch für die Packer und Vermarkter Relevanz hat. Auch dort ist die Szene übersichtlich und einer der drei Großen, - Böhmen Lehmann, Naturland Marktgenossenschaft, Ökokontor - die sich dreiviertel des Marktes teilen, hat schon öffentlich bekundet, dass der anfänglich mindestens mit Argwohn betrachtete Bauernzusammenschluss inzwischen maßgeblich zur Preisstabilität im Biokartoffelmarkt beiträgt. Ein Ritterschlag auch für Tietkes Fingerspitzengefühl und Hartnäckigkeit, mit der sie es eben immer wieder schafft, dass die Leute mit den unterschiedlichen Interessenslagen offen und zumindest halbwegs ehrlich miteinander umgehen. "Natürlich ist der Drops noch nicht gelutscht", schränkt Tietke ein, Drohgebärden gebe es immer mal wieder, aber: "Den Ketten ist eigentlich egal, was die Kartoffeln kosten, Hauptsache der andere hat sie nicht billiger", lautet ihr Plädoyer für Transparenz. Und nachdem der Verein mit handfesten Zahlen über zwei Vermarktungsperioden deutlich machen konnte, dass es heimische Ware fast übers ganze Jahr in guten Qualitäten gibt und nicht nur bis die Vermarkter im Frühjahr der Spargel sticht, haben Aldi und Lidl dieses Jahr erstmals angekündigt, so lange bei alterntigen, deutschen Biokartoffeln zu bleiben, wie welche verfügbar sind. "Sonst war in der Woche vor Ostern Schluss, dann kamen die Ägypter."


Preiswürdig vermarkten

Die Initiative 300 Tage Biokartoffeln von hier, die der Verein vorvergangenes Jahr angeschoben hat, trägt Früchte. Die Aktionen damals, vor Aldi- und Lidl-Märkten Kartoffeln zu verschenken, die die Bauern aufgrund der Listungspolitik der Kette nicht mehr loswurden, hat in der ganzen Szene Eindruck hinterlassen. "Die Ketten wollen positiv wahrgenommen werden, und der Wunsch nach Regionalität spielt beim Verbraucher eine große Rolle", resümiert Tietke. Dabei ist ihr Deutschtümelei ebenso fern wie auch Marktabschottung, aber Lagerkartoffeln anzubauen sei nun mal eine aufwendige und kostenintensive Angelegenheit, sowieso schon mit so vielen Unwägbarkeiten behaftet, dass am Ende zumindest einigermaßen gewährleistet sein müsse, dass die vermarktungsfähige Ware auch preiswürdig verkauft werden könne. "Das Ziel, was mir vorschwebt, ist ein mit dem Handel abgestimmtes Preisband, welches Sicherheit gibt, dass der Preis nicht unter eine bestimmte Marke abrutscht, das Lagerzuschläge zulässt aber eben auch die oberen Extreme abschneidet."


Absortierungen zurücknehmen

Auch Preisdrückerei über Preisabzüge aufgrund wirklicher oder vermeintlich schlechter Produktqualität war für den Verein von Anfang an ein Thema, ebenso wie die Frage, was denn mit den Absortierungen bei den Packern eigentlich passiert. Schon früh reifte der Gedanke, man müsse eine Möglichkeit finden, die Partien, die ja eigentlich den Bauern gehören, von den Packern aber "entsorgt" - das heißt unter Umständen auch zu gar nicht so schlechten Konditionen noch an die Verarbeitung weiterverkauft werden - zurückzuholen, um sie selbst entsprechend zu vermarkten. Mit der Biokartoffel Nord wurde nun ein Vermarkter gefunden, der bereit ist, mittels seiner Logistik und entsprechenden Kontakten eine Zusammenarbeit in Sachen Absortierung aufzunehmen. Der Verein übernimmt eine gewisse Wächterfunktion. Die Bilanz nach der ersten Saison ist nicht nur in den Zahlen positiv. Vielleicht noch wichtiger ist das Signal, was auch hier gesendet wird: wir Bauern lassen nicht mehr alles mehr oder weniger kommentarlos mit uns machen. "Wir sind nicht mehr in der Demutshaltung", bekennt Monika Tietke.


Inhalt und Aussage

Bevor sie in Kartoffeln machte, köderte sie schon für Demeter-Safthersteller Voelkel bundesweit den konventionellen LEH mit lakonischen Sätzen wie: "Überlegen Sie mal wie viel Granini sie für eine Kiste Voelkel im Laden schleppen müssen." Sie weiß wovon sie redet wenn sie sagt: "Du kannst alles vermarkten, wenn Du es nur kommunizieren kannst", ihre eigenen Kartoffeln, die sie und ihr Mann auf ihrem schon 1978 umgestellten Biohof im Wendland ernten, verkaufen sie im nächstgelegenen Bioladen selbstbewusst ungewaschen mit dem Spruch "Wir können Kartoffeln ... die schmecken." Die Leute wollten das, Erde dran, den Bauer dahinter, was zum Anfassen, Authentizität, sagt Tietke und: "Bio muss wieder mehr Inhalt und Aussage kriegen, im Moment ist das, wie mit Schwartau und Schwartau Extra, wo ist das Besondere?" Das Besondere suchten gerade alle, auch die großen Supermärkte, die merkten, dass der Verkauf von Fernsehern und Angelruten nicht ewig trage, so Tietkes Überzeugung. Deshalb passe der Moment gut, um sich als Biobauern zu organisieren und dadurch auch mit mehr Selbstbewusstsein aufzutreten.

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 377 - Mai 2014, S. 13
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
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Internet: www.bauernstimme.de
 
Erscheinungsweise: monatlich (11 x jährlich)
Einzelausgabe: 3,30 Euro
Abonnementpreis: 39,60 Euro jährlich
(verbilligt auf Antrag 28,40 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Juli 2014