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MARKT/2087: Bio regional, national, international (ubs)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 383 - Dezember 2014
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Bio regional, national, international
Wer entscheidet, ob Ware in Deutschland verfügbar ist oder ob günstig im Ausland zugekauft werden darf?

Von Marcus Nürnberger


Der Biomarkt ist ein Teil des gesamten Lebensmittelmarktes. Spätestens seit Bio bei den Discountern angekommen ist werden enorme Mengen nachgefragt. Ganz maßgeblich befördert auch von den Verbänden, die heraus wollten aus der Nische, um in die Breite zu gehen. Dass dies erreicht wurde, stellt auch der Bund ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) fest und sieht den Biomarkt in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Die Nachfrage, so der Verband, steige kontinuierlich. Masse bzw. Menge an Ware muss aber nicht nur nachgefragt, sondern auch produziert werden. Im Konventionellen scheint dieses "immer-und-überall-verfügbar" zum Standard geworden zu sein. Auch bei Bio soll die Ware nie ausgehen. Derzeit scheint dies jedoch, zumindest mit einheimischer Ware, nicht möglich. "Derzeit ist die Nachfrage nach einheimischen Bio-Produkten in Deutschland allerdings größer als das Angebot, da zu wenig landwirtschaftliche Betriebe auf Öko-Landbau umstellen. Deshalb sind Verarbeiter und Händler gezwungen, ausländische Ware zu kaufen, obwohl sie regionale Ware bevorzugen würden", schreibt der BÖLW auf seiner Homepage. Immer wieder entsteht so auch Konkurrenz zu in Deutschland angebauten Produkten. Was bei der Banane oder Orange ausgeschlossen ist, wird bei der Kartoffel, die aus Israel oder Ägypten kommt, für hiesige Anbauer schnell zum Problem. Plötzlich wird die heimische Ware zum Ladenhüter. Sich jetzt am Biomarkt zu halten, bedarf entweder der Preisführerschaft oder aber besonderer Qualitäten. Neben der Regionalität, in diesem Fall der Herkunft aus Deutschland, ist es die Abgrenzung von EU-Bio, die von den Anbauverbänden besonders herausgestellt wird. Für diese bürgen auch Bioland, Naturland und Demeter mit ihrem Verbandszeichen. Ohne die Anforderungen eines Marktes und die Forderungen der Kunden an eine Marke und deren Verfügbarkeit zu berücksichtigen, könnte man argumentieren, dass Produkte nur solange angeboten werden können, wie diese auch verfügbar sind.

Die Praxis

Natürlich ist ein Verband bestrebt, dass immer ausreichend Verbands-Ware vorhanden ist. In der Realität kommt es aber immer wieder zu Situationen, in denen die in den Mitgliedsbetrieben produzierten Mengen nicht ausreichen. In diesem Fall gibt es zum Beispiel bei Bioland die Möglichkeit, Ware von anderen nicht Biolandbetrieben zur Verwendung in Biolandbetrieben zuzulassen. Der inoffizielle, in der Branche zumindest bekannte, Begriff für diesen Vorgang ist Rezertifizierung. Zu Recht weist Bioland allerdings darauf hin, dass Ware nicht rezertifiziert, sondern nur zur Verwendung in Biolandbetrieben zugelassen wird. Das Prozedere sieht dabei verschiedene Stufen vor. Zum einen soll sichergestellt werden, dass tatsächlich keine originäre Biolandware mehr verfügbar ist. Zum anderen muss sich der Betrieb, dessen Ware anerkannt werden soll, einer Konformitätsprüfung durch eine Kontrollstelle unterziehen. Hierbei wird der Betrieb nach Biolandstandards kontrolliert. Erfüllt der Betrieb die Biolandkriterien und es ist keine Bioland-Ware verfügbar, kann eine Zulassung erfolgen. Niedrigere Preise, so Bioland, sind kein Argument für eine Zulassung.

Soja

Vor allem bei Märkten, die vorhersehbar einen Mangel aufweisen werden, wie beim Biosoja, versuchen die Händler, wie die Bioland-Markt, über längerfristige Planungen die Verfügbarkeit sicherzustellen. In Deutschland bietet die Bioland-Markt Sojaproduzenten Anbau- oder Vorverträge an. Für die Ernte 2015 bietet der Händler 800 Euro ab Station Landwirt. Die aktuelle Anbausituation in Deutschland ist aber auf lange Sicht nicht in der Lage, die Nachfrage von Biolandbetrieben zu decken. Um dennoch nicht auf Bio-Soja aus Übersee, aus mindestens schlecht zu kontrollierenden Quellen, angewiesen zu sein, hat die Bioland-Markt ein umfangreiches Netzwerk deutscher und europäischer Erzeuger aufgebaut. "Wir kaufen ausschließlich bei uns bekannten und durch unsere Kontrollstelle zusätzlich nach Bioland Kriterien kontrollierten Betrieben ein", führt Amos Ramsauer, Geschäftsführer der Bioland-Markt, aus.

Das Problem

Trotz des beschriebenen Prozederes, der Verfügbarkeitsprüfung, ist ganz aktuell neben Biolandsoja aus Deutschland auch nachträglich zugelassenes aus Süd-Osteuropa auf dem Markt. Für Jan Wittenberg, der in seinen bäuerlichen Strukturen Bioland-Sojaexpeller und Sojaöl produziert, hat dies zur Folge, dass er seine Ware aufgrund des höheren Preises nicht mehr verkauft bekommt. Um Transparenz bemüht, berichtet Amos Ramsauer vom Sojahandel der Bioland-Markt und bestätigt, dass neben anderem auch zwischen drei- und viertausend Tonnen Soja von einem zur KTG-Gruppe gehörenden Betrieb in Nordost-Rumänien kommen. Dieser habe alle Kontrollen durchlaufen, habe eine vernünftige Fruchtfolge und sei auch mehrmals besucht worden.

Mitgliedschaft verweigert

Es ist noch nicht lange her, da hat der Biolandverband, wie auch Naturland, darüber beraten, ob die KTG, jene Aktiengesellschaft mit derzeit 40.000 Hektar von denen 20.000 ökologisch bewirtschaftet werden, in den Verband aufgenommen werden könnte. Man hat sich dagegen entschieden. Zu weit entfernt schien die Struktur von den Zielen einer zukünftigen bäuerlich geprägten Agrarstruktur. Jetzt, quasi durch die Hintertür, dennoch mit Teilen der KTG-Gruppe Geschäfte zu machen, irritiert. Vor allem weil es nicht nur um den Sojazukauf geht. Denn das vom Bioland e.V. zur Verwendung in Biolandbetrieben zugelassene Soja wird in Lohnverarbeitung in der ebenfalls zur KTG-Agrar gehörenden Ölmühle Anklam verarbeitet. Auftraggeber ist die Bioland-Markt. Da sie biolandzertifiziert ist, werden nach eigener Auskunft auch die Produkte aus der Sojaverarbeitung zu Biolandware. Die große Nachfrage lässt nicht nur Biolandsoja knapp werden. Karsten Göbel, der 500 Hektar nördlich von Berlin nach EU-Bio-Kriterien bewirtschaftet, berichtet von ähnlichem Vorgehen bei Dinkel. Zwei Züge, ca. 43 Tonnen, habe er in diesem Sommer an Gut Rosenkranz geliefert. Jetzt meldete sich der Einkäufer und erbat die Übersendung des Kontrollprotokolls der Ökokontrolle. Hintergrund ist die Anerkennung des EU-Bio-Dinkels nach Biolandstandard, um diesen zu Bioland-Dinkelmehl verarbeiten zu können, berichtet der Landwirt. Ingo Klugert, Getreideeinkäufer bei Gut Rosenkranz, bestätigt das Vorgehen und erklärt, dies sei ein ganz alltäglicher Vorgang.

Natürlich soll Bio am Markt immer in ausreichender Qualität und Menge verfügbar sein. Die scheinbar allgegenwärtige Aufwertung von EU-Bioware auf Verbandsniveau muss aber nachdenklich machen. Zum einen können, wie das Beispiel Soja zeigt, schnell Konkurrenzsituationen mit hiesigen Anbauern entstehen. Zum anderen ist unverständlich, dass Lieferanten, denen eine Verbandszugehörigkeit versagt wurde, auf diesem Weg, ohne Mitgliedsbeiträge zahlen zu müssen, in den Markt kommen. Bleibt noch die Sicht des Verbrauchers. Der kauft, weil er der Marke, dem Verbandslogo vertraut. Er erwartet, dass drin ist was draufsteht. Eine "Veredelung" von EU-Bio zu Verbandsware wird er nicht akzeptieren.

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Bioland / Bioland-Markt

Trotz des gemeinsamen Bioland im Namen gibt es keine Beteiligungen vom Bioland e.V. an der Bioland-Markt. 2013 stieg die J.U.S.T. Consulting GmbH bei der Bioland Markt GmbH & Co. KG als Investor ein.

J.U.S.T. Consulting ist eine familiengeführte Gesellschaft der Familien Jungnickel und Staszewski mit Sitz in Hamburg. Die Bioland-Markt fühlt sich nach eigener Aussage dem Biolandverband eng und partnerschaftlich verbunden. Historisch gibt es viele persönliche Kontakte und Verbindungen.

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 383 - Dezember 2014, S. 3
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft -
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Februar 2015

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