Unabhängige Bauernstimme, Nr. 426 - November 2018
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern
Fair gehandelt - gut behandelt
Die Schweinehalter, die an Aldi für "Fair und Gut" liefern, betonen
ihren Zusammenhalt
von Günther Völker
Vielleicht sind es die Aktionen von NGO's, vielleicht tragen die großen Demonstrationen in Berlin dazu bei, vielleicht ist es die Erkenntnis einer gesellschaftlichen Mitverantwortung oder vielleicht geht es doch nur darum, sich gegenüber den Mitbewerbern im Lebensmitteleinzelhandel (LEH) Vorteile zu verschaffen: In einzelnen, wenn auch noch kleinen Marktsegmenten findet bei Discountern und Filialisten ein Umdenken in der Unternehmenskultur statt. Die Nachhaltigkeitsabteilungen in der Branche wandeln sich von Alibieinrichtungen zu immer einflussreicheren Bereichen des Managements.
Dabei greifen sie zunehmend auf bestehende Erzeugungsstrukturen einer an Nachhaltigkeit und Artgerechtigkeit orientierten Landwirtschaft zurück, die bereits seit Jahrzehnten entwickelt wurden. Für die beteiligten Bäuerinnen und Bauern bietet sich hier die Chance, nicht nur auf breiterer Ebene ihre Erzeugnisse zu vermarkten, sondern als Marktpartner auch ein größeres Mitspracherecht einzufordern, um diese elende Existenz als Ablieferer zu überwinden. Die Qualität wird von Bäuerinnen und Bauern erzeugt. Die anderen Marktpartner verteilen sie nur.
Es war ein weiter Weg für "Neuland", - die Absatzwege auszuweiten und dabei die Marke mit ihren Richtlinien und Ansprüchen ohne Wenn und Aber zu erhalten. In der Verbindung mit Aldi ist das gelungen. Unter der Überschrift "Es ist höchste Zeit, dass es Neuland-Fleisch bei Aldi gibt", schreibt der Berliner Tagesspiegel über die Sorge, dass bäuerliche Strukturen auf diesem Weg verloren gehen könnten. Er betont jedoch: "Vielmehr muss diese Infrastruktur offensiv vermarktet und auch im Zusammenspiel mit Aldi, Lidl und Co beibehalten werden."
Reichlich Stroh
Neben "Neuland" hat Aldi eine Eigenmarke etabliert. Sie heißt "Fair
und Gut" und wirbt mit dem Slogan: "fair gehandelt - gut - behandelt".
Im Bereich Schwein betrifft dieses Segment Erzeuger im bislang
konventionellen Bereich, die zum Teil "Pig Port"- also
Frischluft-Ställe haben und zu bislang üblichen Bedingungen ihre Tiere
vermarkten mussten, und Betriebe, die durch Um- und Ausbauten
notwendige Haltungsvoraussetzungen mit reichlich Stroheinstreu
geschaffen haben. Sie müssen den Tieren doppelt so viel Platz,
Außenklima, getrennte Funktionsbereiche in den Buchten und
Wühlmaterial anbieten. Derzeit wird für die Lieferbetriebe die
Ferkelerzeugung mit Langschwänzen und gentechnikfreiem Futter
aufgebaut. Besonders für Mastbetriebe besteht eine lange Warteliste.
Mit dem Wissen, dass "die derzeitigen Haltungsbedingungen nicht
zukunftsfähig sind", sind viel Betriebe bereit, sich auf den Weg zu
machen. Insbesondere dann, wenn der Absatz gesichert ist und die
höheren Aufwendungen entlohnt werden. Erzeugnisse von "Neuland" und
"Fair und Gut" werden in getrennten Märkten und Regionen angeboten. In
Berliner Aldi-Märkten wird z.B. "Neuland" nicht im Discount geführt.
Mitgliederbeteiligung
Die Lieferbetriebe haben zusammen eine Erzeugergemeinschaft gegründet.
Auf Vorstandsebene ist auch "Neuland" vertreten, um einerseits
gemeinsame Interessen gegenüber den Marktpartnern zu wahren, aber auch
um eigene Marktstrategien durchzusetzen. Diese Erzeugergemeinschaft
ist an allen Entscheidungsprozessen beteiligt. Den Mitgliedern dieser
Gemeinschaft ist bewusst, dass sie mit ihrer Erzeugung die Grundlage
des Projektes sind. Die zweite Grundlage sind die Kunden, die mit
ihren Kaufentscheidungen zum Gelingen dieses Vorhabens beitragen
müssen. Und da ist noch einiges zu beweisen. Die Erzeugergemeinschaft
arbeitet eng mit den Vertretern von Aldi und den Entscheidungsträgern
der Firma Tönnies zusammen. Freilich werden unabhängige
Kontrollsysteme einbezogen, um die Umsetzung der vereinbarten
Richtlinien sicher zu gewährleisten. Die Zuverlässigkeit im
Zusammenwirken aller Partner wird jedoch auch maßgeblich dadurch
bestimmt, dass über vertragliche Bindungen hinaus ein
Vertrauensverhältnis entsteht. Bislang ist es so groß, dass Aldi auf
weitere Qualitätsgarantien durch Packungsaufkleber von Umwelt- und
Tierschutzorganisationen und auf damit u.U. verbundene Zahlungen
verzichtet.
Langer Löffelstiel
Über den Ruf der Geschäftspartner ist in den vergangenen Wochen
hinlänglich geschrieben werden. Die beteiligten Bauern wissen, dass
man einen langen Löffelstiel braucht, um mit ihnen aus einem Napf zu
essen. Der Löffelstiel ist aber so lang, dass er als Maßstab für
zukünftige Projekte dienen kann, die sich zwischen LEH und
Landwirtschaft sicherlich entwickeln werden. Dazu zählen langfristige
Verträge, durch die Investitionen in Stallumbauten erst möglich
werden, Preise kalkuliert von den Kosten der Schweinehalter aus, eine
Ganztiervermarktung und ein kontinuierlicher Austausch. "Hofglück" in
Baden-Württemberg hatte zuvor schon in der Verbindung mit Edeka
Süd-West eine hohe Messlatte hingelegt, "Neuland" sowieso.
Für diejenigen, die das Vermarktungskonzept mit Aldi mitgestaltet haben, waren Zielsetzungen der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft ein wesentlicher Teil ihrer Bemühungen, und sie weisen über eine enge Mitgliedschaft hinaus in weite Bereiche einer bäuerlichen verfassten Landwirtschaft.
Günther Völker, ist Sprecher der Erzeugergemeinschaft und
Sauenhalter in Westfalen
*
Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 426 - November 2018, S. 14
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
Telefon: 02381/905 31 71, Fax: 02381/49 22 21
E-Mail: redaktion@bauernstimme.de
Internet: www.bauernstimme.de
Erscheinungsweise: monatlich (11 x jährlich)
Einzelausgabe: 3,80 Euro
Abonnementpreis: 46,00 Euro jährlich
(verbilligt auf Antrag 32,00 Euro jährlich)
veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Februar 2019
Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang