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VERBAND/1803: Von Landfressern und bürokratischen Monstern (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 351 - Januar 2012,
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Von Landfressern und bürokratischen Monstern
Was die DBV-Kampagne zum Landverlust mit der Agrarreform zu tun hat

von Claudia Schievelbein


Der deutsche Bauernverband macht Kampagne. Plakative, einfache Botschaften, bei denen viele auch nichtlandwirtschaftliche Menschen mitgehen können, werden medial breit gestreut. Dass dabei Zusammenhänge hergestellt oder Behauptungen aufgestellt werden, die schlicht falsch sind, ist gewollt. Die Kampagne heißt: "Stoppt Landfraß" und richtet sich vordergründig gegen den zunehmenden Verlust landwirtschaftlicher Flächen. Dazu gibt es im Internet einen Ticker, der eindrücklich veranschaulicht, wie viel Land täglich, minütlich, stündlich verloren geht, und eine Unterschriftenaktion, die in eine Bundestagspetition münden soll. Zum Beweis, sich mit der Thematik in der Mitte der Gesellschaft zu befinden, führt der Bauernverband die Studie des Osnabrücker Meinungsforschungsinstituts "Produkt und Markt" an: "Nach der repräsentativen Untersuchung sprechen sich 67 % der Bevölkerung für einen gesetzlichen Schutz von Äckern und Grünland vor Bebauung aus." Terminlich gut platziert zum Tag des Bodens am 5. Dezember appellierte der Bauernverband dementsprechend an alle Bürger in Deutschland, sich stärker mit dem Schutz der Ressource Boden auseinanderzusetzen. Damit befindet er sich in der guten Gesellschaft von Bioverbänden und Naturschutzorganisationen, die zu diesem Datum ebenfalls den Bodenschutz anmahnen. Dass diese als Maßnahme eine andere Art von Landwirtschaft empfehlen als der Bauernverband, fällt vielleicht schon nicht mehr jedem auf.


Bürokratisches Monster

Mehr oder weniger im Kleingedruckten der "Stoppt Landfraß"-Kampagne kann man aber auch lesen, dass der Bauernverband dem doppelten Landfraß den Kampf ansagt: einerseits dem Verlust von Flächen durch Versiegelung, andererseits auch dem Verlust von Flächen für die landwirtschaftliche Produktion an den Naturschutz als Ausgleichsmaßnahmen. Darüber hinaus wird dann der Bogen geschlagen, um den es - so darf man dem DBV unterstellen - dem Verband eigentlich geht: Kritik am Greening bzw. vornehmlich an der Maßnahme der Ausweisung Ökologischer Vorrangflächen in den Agrarreformvorschlägen des EU-Agrarkommissars Dacian Ciolos. Eine "Stilllegung" von 7 Prozent der Ackerfläche wird beklagt und vor dem Hintergrund der Welternährungsproblematik mit Dramatik versehen. Die Dramaturgie der Kampagne lässt gefühlt einen Sturm der Entrüstung übers Land rollen, der letztlich nichts anderes ist, als die konzertierte Choreografie der nacheinander folgenden Veranstaltungen oder Presseveröffentlichungen der einzelnen Landesbauernverbände. BBV- und DBV-Präsident Gerd Sonnleitner gibt sich betont moderat-sachlich, wenn er sagt: "Wer in Zeiten einer angespannten Welternährungslage und einer intensiven Suche nach Alternativen zur bisherigen Energiepolitik ausgerechnet 7 % Stilllegung in jedem landwirtschaftlichen Betrieb als Nachhaltigkeit ausgibt, der liegt falsch." Er empfiehlt allerdings auch, "dass sich die Bauern der geplanten Begrünung der Direktzahlungen nicht komplett verwehren sollten." Sonnleitner weiß, für schärfere Töne, die folkloristischer die Mitglieder berauschen, kann er sich auf andere verlassen: z.B. den Präsidenten des Bauern- und Winzerverbands Rheinland-Pfalz Süd, Norbert Schindler. Der sagt, die Greening-Pläne seien ein "bürokratisches Monster" und "eine Zumutung für jeden Landwirt". Besonders die ökologischen Vorrangflächen, die einer Stilllegungsverpflichtung gleichkämen, seien vor dem Hintergrund einer weltweit steigenden Nahrungsmittelnachfrage unverantwortlich. Ähnlich deutliche Worte fand der Vorsitzende des Fachausschusses Agrarpolitik des Landesbauernverbands Brandenburg Henrik Wendorff: "Die Zwangsstilllegung von Ackerland ist angesichts des steigenden Rohstoffbedarfs kein Weg, der in die Zukunft führt." Greening an Flächenstilllegung zu koppeln, sei sogar kontraktproduktiv, so Wendorff. Dann wirkt es auch gar nicht mehr reißerisch, wenn Sonnleitner formuliert: "Wenn auf diesen Flächen weder Nahrungsmittel, Futter noch Energiepflanzen angebaut werden dürften, kommt das faktisch einer "Zwangsstilllegung" gleich. Dann soll man es auch so nennen."


Argumentationskeule Hunger

Der DBV lässt verlautbaren, Brüssel leugne die Mitverantwortung der EU an einer ausreichenden Weltversorgung. Spitzzüngig kommentiert dazu die Wiener Tageszeitung Der Standard: "Kaum werden ökologische Bedingungen für Förderungen diskutiert, wird also schon die Argumentationskeule der "Versorgungssicherheit" ausgepackt: Selbstverständlich muss es eine Balance zwischen Produktivität und Ökologisierung geben. Aber eines darf nicht passieren: Dass die Begehrlichkeiten einer industrialisierten Produktion über das Ziel einer nachhaltigen Landwirtschaft gestellt werden. In anderen Bereichen der Wirtschaft sind Umweltauflagen eine Selbstverständlichkeit. Es wäre nicht einzusehen, warum ausgerechnet im Agrarsektor die maximale Produktivität das allein bestimmende Maß sein sollte." Die Frage der Welternährung ist - da sind sich unabhängige Experten einig - in erster Linie eine Frage der Verteilung, nicht der Produktionssteigerung. Sie ist aber auch zunehmend eine Debatte um die wachsende Konkurrenz zwischen Nahrungsmittel- und Energieerzeugung. Diesen Aspekt lässt der Bauernverband in seiner Kampagne geflissentlich weg, schließlich ist seinem Klientel der Agrarindustriellen das durch Bioenergie gefüllte Portmonee wohl näher als der gefüllte Magen des Hungernden. Der Bauernverband hatte im Oktober 2011 eine Entschließung für ein Gesetz zum Schutz landwirtschaftlicher Flächen verabschiedet: "Ziel des DBV und seiner Landesverbände ist es, die Wachstumsziele für die Energie- und Rohstoffproduktion aus Biomasse mit den tatsächlich vorhandenen Produktionskapazitäten verlässlich abzustimmen und die land- und forstwirtschaftlichen Nutzflächen im Rahmen der Energiewende zu schonen. "


Gefühl und Verstand

Gerd Sonnleitner überreichte die ersten Unterschriften der Kampagne an Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner. Die beeilte sich festzustellen, dass die Pläne der EU in die falsche Richtung gingen. Eine Herausnahme von 7 Prozent der Acker- und Dauerkulturflächen aus der produktiven landwirtschaftlichen Nutzung sei "sehr einseitig gedacht", formulierte Aigner und weiter: "Ich werde mich in Brüssel dafür einsetzen, dass Nahrungsgüter- und Rohstoffproduktion auf der gesamten Fläche nachhaltig erfolgt - und nicht nur auf 7 %." Sie werde es nicht zulassen, an dieser Stelle eine "neue Konkurrenzsituation zum Umweltschutz" aufzubauen. Rhetorisch liegt Aigner da ganz nah beim Bauernverband und macht sich ebenso wie er der bewussten Stimmungsmache gegen die Agrarreform durch Umdeutung schuldig. EU-Kommissar Dacian Ciolos wird nicht müde zu betonen, dass es nicht um Flächenstilllegung gehe, sondern um Flächen, die bislang nicht förderfähig gewesen seien und nun in die Kalkulation miteingerechnet werden könnten. "In der Praxis ist dies eine Frage, die Flächen mit der geringsten Produktivität betrifft, oder solche Flächen, auf denen, wie in einigen Fällen, derzeit nichts produziert wird, weil sie für Unterstützungsmaßnahmen ungeeignet sind", sagte er in einem Interview der Österreichischen BauernZeitung und fährt fort: "Meine Absicht ist, dass unsere Vorgabe an alle Bauern, ein bisschen mehr zu tun, einen starken Effekt innerhalb der gesamten EU haben wird. Meinem Gefühl nach hat die Kritik eingesetzt, bevor die Kritiker unsere Vorschläge gründlich gelesen und die Details verstanden haben." Mit seinem Gefühl liegt er da nicht ganz richtig - die Kritiker lesen gründlich und verstehen Details, sie wollen sie aber nicht.


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 351 - Januar 2012, S. 13
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft -
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(verbilligt auf Antrag 26,00 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. März 2012